Edles Furnier

Furnierte Holzoberflächen erinnern an Billigmöbel vom Discounter. Wer sich einen hochwertigen Tisch leisten will, wählt Massivholz. Das war nicht immer so. Und wird sich wieder ändern.

Bild: Philipp Kuntze

Das anspruchsvolle Handwerk mit dem Belegen von dünnen Holzblättern ist von den Discountanbietern entwertet worden. Gefragt sind jetzt die Handwerksprofis, die hochwertige Furniere herstellen und einsetzen.

Die Furniertechnik gilt seit dem Altertum als sparsamste und edelste Verwendung von Holz. Begonnen haben die Ägypter, vor über 3000 Jahren. In ihrem waldarmen Land waren die edlen Hölzer begehrt – und selten zu bekommen. Zudem war massives Holz riss- und verzugsanfällig. Eine ökonomische Verarbeitungsweise war zwingend. Das Holz wurde in feine Brettchen geschnitten und mit weniger attraktiven Holzstäben verleimt. Unter den Grabbeigaben von Pharao Tutanchamun wurden mehrere solche Möbel gefunden. Erst im 14. Jahrhundert fand das Furnieren auch den Weg nach Europa. Die Bezeichnung «Furnieren» entstand erst zwei Jahrhunderte später: Es bezeichnet, wie französisch «fournier», Belegen und Bestücken.
Das Handwerk zur Herstellung von Furnieren war zu Beginn der Neuzeit so arbeits- und zeitaufwendig, dass die daraus hergestellten Möbelstücke ausschliesslich wohlhabenden Bevölkerungsschichten vorbehalten waren. Auch waren es vor allem Baumstämme von edlen Hölzern, die mühsam längs aufgesägt wurden. Das Aufkommen der industriellen Herstellung förderte die Furnierherstellung; 1818 wurde die erste Schälmaschine patentiert, 1870 die Messermaschine.

Heute gibt es beim verwendeten Holz kaum mehr Grenzen – was spannend wirkt, kann zu Furnier verarbeitet werden. Die Vorbereitung, feine Holzblätter etwa auf eine Holzwerkstoffplatte zu leimen, ist aber noch immer intensiv und bedingt sehr viel handwerkliches Wissen. Auch bei den Dicken hat sich einiges verändert: Handelsüblich sind 0.6 oder 0.9 mm; spezielle Ausführungen sind gar nur zwischen 0.1 und 2.5 mm dick. Holz ist ein Naturwerkstoff – jedes Furnierblatt ist ein Unikat. Durch unterschiedliche Schneidetechniken lässt sich eine Vielzahl verschiedener Furnierbilder erzeugen. Trotz moderner Technik entscheidet das erfahrene Auge des Furnierherstellers, wie ein Holzklotz seine Einzigartigkeit bekommt.
Im ersten Arbeitsschritt muss der Stamm für die Furnierherstellung vorbereitet werden. Dazu gehört das Entrinden und Entfernen von Fremdmaterialien wie Steinen, Metallteilen, Sand und Erde. Weiter gehen die Holzblöcke ins Bad und werden in grossen Wasserbecken gekocht. Das sogenannte Plastifizieren macht das Holz weich, das für einen hochwertigen Schnitt gebraucht wird. Zudem verändert sich der Farbton des Holzes je nach Dauer des Kochvorganges. Die Temparaturverläufe müssen genau eingehalten werden und dauern von wenigen Stunden bis zu mehreren Tagen. Die helle Buche zum Beispiel wird rot-orange. Hölzer, die keine Farbveränderung erhalten sollen, werden in kalten Bädern aufgeweicht.

Bei der Herstellung von Furnieren sind drei Techniken üblich: Messern, Schälen und Sägen. Bei Stämmen wird meist die Messertechnik angewendet. Sie werden längs geviertelt und in die gewünschte Form vorgeschnitten. Der zwei bis drei Meter lange Holzblock wird dann so zum Messer gedreht, dass beim Schneiden die Maserung des Holzes linienförmig oder wolkig zur Geltung kommt. Die Schältechnik nutzt der Furnierschneider bei Wurzeln oder maserarmen Hölzern. Hierzu dreht sich das scharfe Messer um den Holzblock herum. Das Furnier entsteht ähnlich wie beim Schälen eines Apfels.
Bedingt durch das vorgängige Dämpfen oder Kochen sind die Furniere nach dem Schneiden nass. Sie werden mit Heissluft bei Temperaturen zwischen 60 und 180 Grad auf die gewünschte Endfeuchtigkeit getrocknet. Dies kann die Furnierblätter verziehen und wellig werden lassen. Sie müssen warm gebügelt und geglättet werden, ähnlich wie Kleider. Nach dem Trocknen werden die Furniere zugeschnitten und zu Paketen gebündelt.

Die Furnierherstellung sei mit dem Gewinnen von Edelsteinen zu vergleichen, sagt man. Auch die Weiterverarbeitung des einzigartigen Halbfabrikats bleibt anspruchsvoll und bedingt weitere hochwertige Handwerkstechniken – vor allem das gute Auge des Furnierers. Er schiebt, stürzt oder spiegelt die feinen Holzblätter so zusammen, dass ein Bild entsteht. Es wird als individuelle Oberfläche auf Möbel, Türen, Böden und Wandverkleidungen aufgeleimt, verschliffen und mit einem Schutz versehen. Damit jede Holzart und Holzstruktur mit der entsprechenden Oberflächenbehandlung noch schöner und einzigartiger wird. Denn je nach Lichteinfall verändert sich die Optik des Holzes, verblüffende Gemälde oder vielfältige Serigrafien entstehen. Furnier hat aber auch dreidimensionale Möglichkeiten. Legt man das dünne Holz nämlich auf einen transluzenten Träger und lässt das Licht durchscheinen, entstehen einzigartige Bilder von gewachsenen Strukturen. Holzstämme, die üblicherweise als Brennholz genutzt wurden, werden zu Kunstwerken und schenken einem Raum ein grossartiges Ambiente.

Philipp Kuntze moderiert www.world-crafts.org , eine Plattform für high-end-Handwerk und führt regelmässig öffentliche Handwerksgespräche in Bern und in Zürich durch.

17. Januar 2018
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