Das Harte schützt das Weiche

Von der zartesten Schnecke bis zum Panzernashorn: Im Reich der Tiere spielen Hart und Weich zusammen.

Das Gürteltier (Illustration: Harry Schaumburger)

Organe, Gewebe und Flüssigkeiten schenken dem Tier Leben – Knochen, Panzer, Schalen, Zähne und Klauen schützen sie vor fast allem. Nur einer ist härter: der Mensch.
Ein ganzer Tierstamm hat die Weichheit im Namen: die Mollusken (Weichtiere). Dazu gehören Muscheln, Schnecken oder Kopffüsser. Um sich zu schützen, ist in ihrer Welt «do it yourself» angesagt! Viele scheiden über eine spezielle Haut Kalziumkarbonat aus und erzeugen so, was wir alle kennen: Schneckenhaus und Muschelschale. Bevor es zu schwer wird, hören sie damit auf. Grosse Landschnecken können 20 bis 30 cm gross werden, Meeresschnecken bis zu einem Meter.

Schildkröten: Nach dem Schlüpfen ist der Panzer noch weich

Gut geschützt in der eigenen Hülle leben auch Schildkröten. Seit über 200 Millionen Jahren leben sie auf der Erde. Das ist länger als alle Vögel, Säugetiere, Krokodile oder Echsen. Ihr harter Panzer ist mit dem Skelett verwachsen und besteht aus über 50 Knochen. Meeresschildkröten bringen bis zu zwei Tonnen auf die Waage. Die «Schwimm-Meisterin» Lederschildkröte legt jährlich über 10 000 Kilometer zurück und kann bis zu 1000 m tief tauchen. Für die Eiablage suchen die Weibchen den Strand auf, an dem sie selber geschlüpft sind. Der warme Sand brütet das Gelege aus. Wenn die Kleinen schlüpfen, müssen sie den Weg ins Meer alleine finden. Da der Schutzschild noch weich ist, fallen viele Vögeln, Hunden, Raubfischen oder Krokodilen zum Opfer. Nur eines von tausend Schildkrötenbabies überlebt bis ins Erwachsenenalter.

Eindrucksvolle Panzer, Steine im Magen: Das Schuppentier

Das Schuppentier hat die eindrücklichste Panzerung. Es sieht aus wie ein Ameisenbär, ist aber vom Kopf bis zur Schwanzspitze mit einem Schuppenkleid bedeckt. Bei Gefahr rollt sich das Schuppentier zu einer undurchdringlichen Kugel zusammen. Es frisst bis zu 73 Millionen Ameisen und Termiten pro Jahr, die es mit einer langen, klebrigen Zunge aus den Bauten holt. Zähne hat das drachenartige Tier hingegen keine. Es sind die Steine, die es schluckt, und spezielle Keratinvorsätze im Magen, die bei der Verdauung helfen.

Diese Schnecke kann Steine zerkauen

Die im Meer lebende Käferschnecke kann Steine zerkauen. Ihre Beisserchen bestehen aus einem ultraharten Material. Ihre Zähne bestehen aus Magnetit und sind von Chitinfasern und Nanofasern des eisenhaltigen Minerals Goethit durchzogen. Sie nicht nur superhart, sondern auch extrem zäh.

Sagenumwoben: Das Panzernashorn

Zumindest optisch gut gerüstet ist auch das asiatische Panzernashorn. Berühmt wurde das Tier durch die phantastisch anmutende Graphik Albrecht Dürers. Die bis zu 4 cm dicke Haut ist mit zahlreichen warzenartigen Knubbeln übersät. Auf seiner Nase sitzt ein einzelnes Horn, das aus tausenden verdichteten, langgezogenen Keratinfäden besteht.

Bei Käfern ist das Skelett aussen

Harte Schale, weicher Kern: Der Nashorn-Käfer besitzt wie die meisten Insekten ein Aussenskelett aus Chitin. Beim Männchen sitzt auf der Oberseite des Kopfes ein langes, gebogenes Horn. Noch spektakulärer ist der Hirschkäfer gehörnt. Sein Oberkiefer erinnert an Hirschgeweihe und kann fast die halbe Körperlänge ausmachen.

Nichts ist flauschiger: TibetAntilope

Die weichste aller Hüllen besitzt die Tibet-antilope. Sie lebt auf über 5000 Metern über Meer und wandert jährlich hunderte Kilometer zwischen der Mongolei und Tibet. Ihre Haare sind extrem fein. Für Wollexperten: ein Haar ist 7 bis 10 Mikrometer dick (Wolle der Merinoschafe: 16 bis 24 µg; menschliches Haar: 30 µg). Ihre Flauschigkeit ist den Tibetantilopen zum Verhängnis geworden: Shahtoosh nennt man Schals aus der Antilopenwolle, auf Persisch: «Königin der feinen Wollen». Ein solcher Schal erzielt Preise bis zu 40´000 Franken und kostet zwei bis fünf Antilopen das Leben. So ist ihre Zahl in den letzten hundert Jahren von über einer Million auf 70´000 Tiere geschrumpft. Der Handel mit Tibetantilopen und Erzeugnissen daraus ist seit vielen Jahren verboten. In der Schweiz wurden 2016 über sechzig Schals konfisziert.

Am härtesten ist der Mensch

Ob Schildkröte, Hirschkäfer oder Schuppentier: Die meisten der hier vorgestellten Tiere sind mehr oder minder vom Aussterben bedroht. Es scheint: Vor allem dem Menschen müssen selbst die härtesten Kerle des Tierreichs weichen.   

  

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10. März 2019
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