Was ist das ökologische Grundeinkommen?

Kann mit dem ökologischen Grundeinkommen die Diskussion über eine menschenwürdige Grundversorgung neu lanciert werden? Diese Frage steht im Zentrum des Forums, das die Integrale Politik Schweiz am 3. November in Olten organisiert.

Im Zentrum der Tagung steht ein Referat des Experten Ulrich Schachtschneider, das in die Podiumsdiskussion mit weiteren Experten aus Ökologie, Ökonomie und Politik einfliessen wird. Zusammen mit dem Publikum sollen dann in Workshops konkrete Lösungsschritte erarbeitet werden.

Das ökologisches Grundeinkommen (ÖGE) ist ein bedingungsloses Grundeinkommen, das durch Abgaben auf unerwünschten Umweltverbrauch finanziert wird. Der Ertrag aus diesen Abgaben (etwa einer Öko-Steuer auf Rohstoffe, CO2-Emissionen oder Flächenverbrauch) wird gleichmäßig an die Bevölkerung zurückverteilt. Jedem Bürger, vom Säugling bis zum Greis, von Reich bis Arm, wird damit ein „Öko-Bonus“ bzw. ein „ökologisches Grundeinkommen“ ausbezahlt. Es handelt sich also um die Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens über die Besteuerung einer bestimmten Form von Konsum – demjenigen, der die Umwelt ungünstig belastet und dem Ziel einer „nachhaltigen Entwicklung“ zuwiderläuft.  

Aus der Sackgasse der Umweltpolitik

Die derzeit angewendete Ökosteuer findet zu wenig Anhänger. Ist ihr Steuersatz zu niedrig, ist sie wirkungslos. Wenn dieser aber erhöht wird, kann sie unsozial werden. Das ÖGE zeigt den Weg aus dieser Sackgasse, denn es führt aus dem Dilemma ökonomischer Instrumente der Umweltpolitik ohne Sozialausgleich, es fördert gleichzeitig ökologische Genügsamkeit, ohne bestimmte Lebensstile zur Norm zu erheben,
es ermöglicht ökonomische Sicherheit im notwendig gewordenen, ökologischen Umbau der Wirtschaft.
Somit kann das ökologische Grundeinkommen den ökologisch-kulturellen Wandel auch für breitere Schichten attraktiv machen.

Der Weg zu einem freiheitlichen und doch wachstumsregulierenden Green New Deal*

Das ökologische Grundeinkommen hat das Potenzial, Strukturprobleme und Gerechtigkeitslücken fortgeschrittener Industriegesellschaften in einer betont freiheitlichen Weise anzugehen, also den Weg für einen „Green New Deal“ zu eröffnen. Die Kernidee eines solchen Green New Deals besteht darin, einen staatlich gestützten Innovations- und Investitionsschub bei grünen Technologien auf einem grünen Markt zu erreichen. Denn eine durch Deregulierung forcierte Globalisierung der Produktion erhöht den Energieverbrauch durch Transportprozesse und verunmöglicht dadurch die Durchsetzung ambitionierter Umweltstandards.

Ein Beispiel: Auch wenn künftige Automodelle nur die Hälfte der früheren Schadstoffe ausstossen, diese aber gleichzeitig dreimal häufiger verkauft werden und erst noch über lange Transportwege zu uns gelangen, ist eine allein auf technische Innovation bauende Umweltpolitik ökologisch sogar kontraproduktiv. Die Wachstumsorientierung steht dann in starker Spannung zur Nachhaltigkeit. Um die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaften sicherzustellen, ist es notwendig, bereits heute innovative Wege zu einer Oekonomie einzuschlagen, die Menschen ein gedeihliches Leben sichert, ohne auf ständiges Wachstum angewiesen zu sein. Das ÖGE könnte hier das zentrale Element für einen neugestalteten Gesellschaftsvertrag bilden.
Als Kern eines freiheitsfördernden und wachstumshemmenden Green New Deals würde es nicht nur eine reifere Stufe des Sozialstaats einläuten, sondern gleichzeitig auch eine gesellschaftlich verankerte Umgestaltung des Umweltstaates möglich machen.

Ein gemeinsamer gesellschaftlicher Zusammenhalt wird möglich

Das ÖGE erhöht die Realisationschancen für ressourcenschonende, postmaterielle Aktivitäten jenseits der Erwerbsarbeit. Und auch bei materiell Interessierten hat das ÖGE keine schlechten Karten. Denn es ermöglicht

  1. die direkte, materielle Umverteilung nach unten,
  2. dadurch eine enorm bessere Verhandlungsposition auf dem Arbeitsmarkt
  3. und schliesslich mehr gemeinnützige Tätigkeiten für wenig Geld bis hin zum Nulltarif – gut für die Selbstverwirklichung und die Gemeinschaftspflege.

Die Arbeit wird dadurch sinnvoller und gleichzeitig ausbeuterischen Tendenzen entzogen.
Schliesslich sind es nicht nur die Armen, die an der wachsenden Wohlstandsschere leiden. Nicht nur Mütter und Väter können angesichts zunehmender Ungleichverteilung von Arbeit ihre Lebensansprüche nicht mit den Anforderungen ihrer Erwerbstätigkeit vereinbaren. Nicht nur die neuen Selbständigen leiden unter dem Zwang, ihre kreativen Fähigkeiten für zweifelhafte Nachfragen verkaufen zu müssen. Und es sind ebenfalls nicht nur die ökologisch Engagierten, welche die Wachstumslogik als Ursache für das Unterlaufen partieller ökologischer Fortschritte ausmachen.

Das ÖGE fördert den Einstieg in ein New Green Deal in kleinen, realisierbaren Schritten

Neue Paradigmen lassen sich in der Regel nur über Prototypen und kleine Pilotprojekte einführen. Das ÖGE bietet hierzu ideale Voraussetzungen. Es ermöglicht, die ökologische Besteuerung sukzessive zu erhöhen und auf weitere Umweltmedien auszuweiten, so dass irgendwann einmal eine existenzsichernde Höhe für jeden erreicht ist.

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Die IP Schweiz organisiert am 3. November in Olten ein Forum zum «ökologischen Grundeinkommen» (weitere Infos)

*Der Begriff Green New Deal bezeichnet Konzepte, mit denen eine ökologische Wende der Oekonomie eingeleitet werden soll. Insbesondere geht es um arbeits- und wirtschaftspolitische Maßnahmen in Kombination mit einem ökologischen Umbau der Industriegesellschaft.