Sieht so die Zukunft aus?

Arbeitsvernichtung, Automatisierung, Entpolitisierung – wir brauchen dringend Ideen für eine bessere Zukunft, findet Richard David Precht. Hat er welche? Und sind sie gut?

Unter den deutschsprachigen Philosophinnen und Philosophen ist er der Popstar schlechthin: Richard David Precht. In seinem neu erschienenen Buch «Jäger, Hirten, Kritiker» schickt er sich nun an, eine Utopie für die digitale Zukunft zu umreissen. Er will zeigen, dass «das Heil niemals in der Technik selbst liegt», sondern in der Art, wie die Gesellschaft mit dieser umgeht. Das Resultat ist jedoch bloss ein Puzzle aus bereits Bekanntem.

Anfangs zeichnet er eine aufrüttelnde Dystopie: Im Jahr 2040 sind wir zu blossen Usern und Konsumenten degeneriert, anstatt autonom als Bürgerinnen und Bürger zu leben. Es herrscht der «Palo-Alto-Kapitalismus» mit den bekannten Feinbildern Google, Apple, Facebook und Amazon. Die Internetwirtschaft konnte sich ungebremst ausbreiten, weil die Politik jeglichen Biss verloren hat. Das Resultat: Keine Privatsphäre, Entmündigung der Menschen, Verlust von Arbeitsplätzen und menschlichen Eigenschaften wie Liebe, Gemeinschaft und Glück.

Dagegen führt Precht eine Utopie ins Feld, die «vorgefundene Ideen und Vorstellungen aus alter und neuer Zeit» wie Mosaiksteine zu einem kohärenten Ganzen zusammensetzen soll. Er plädiert für ein bedingungsloses Grundeinkommen, das durch Mikrosteuern auf Finanztransaktionen finanziert wird. Daneben gibt es ein starkes Recht auf informationelle Selbstbestimmung und eine staatliche digitale Grundversorgung. Zudem untersteht künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen einer Kontrolle, damit neue Technologie Menschen zwar bei ihrer Arbeit unterstützt, aber nicht ersetzt.

Wortgewalt statt Detailversessenheit

Precht schreibt gewohnt wortgewaltig. Das erwirkt bisweilen den Anschein, dass mangelnde Tiefe und fehlende Stringenz übertüncht werden sollen. So bleibt auch die vorgestellte Utopie diffus und unausgegoren. Die Schräubchen, an denen unsere Gesellschaft drehen muss, wurden von anderen bereits differenzierter gedacht. Bei Precht finden wir wenig Details und Diskussionen bekannter Probleme und eine Ansammlung diverser Gemeinplätze.

Das Ziel, die menschliche Autonomie in Zukunft zu wahren, ist durchaus unterstützenswert. Es ist wichtig, dass Menschen gegen die vorherrschende Technikgläubigkeit und -starre anschreiben und für politische und gesellschaftliche Ansätze eine Lanze brechen. Auch die Idee, dass die Rettung zukünftiger Gesellschaften nicht in noch mehr Kapitalismus liegt, sondern eine Prise Sozialismus benötigt, ist ehrenwert. Nur leider wird nicht klar, wie gross diese Prise sein soll und aus welchen Töpfen sie stammt.

Ein intellektueller Schwamm

In der Diskussion ums Grundeinkommen treten die Grenzen der Argumentation deutlich zu Tage. Precht spricht sich gegen eine Maschinensteuer aus, weil es «völlig ausgeschlossen» sei, dass ein Land sie im Alleingang einführen würde. Bei der bevorzugten Mikrosteuer ist der gleiche Einwand naheliegend, sind doch Finanzdienstleistungen um ein Vielfaches mobiler als Indus-trie und Warendienstleistung. Doch hier sei es plötzlich nötig, dass einzelne Staaten mit gutem Beispiel vorangehen, denn «aller gesellschaftliche Fortschritt geht von einzelnen Staaten aus, die dann einen Dominoeffekt in anderen Ländern auslösen».
In seinem Buch wirkt Precht wie ein intellektueller Schwamm, der Argumente und Ideen aus der Umgebung aufsaugt und diese dann schwungvoll, aber trüb wieder ausstösst. Trotzdem kann es als Aufruf an Gesellschaft und Politik gelesen werden, sich nicht von den Heilsversprechen der Technokraten einlullen zu lassen.

Es ist eine Illusion, dass die Welt durch neue Technologien und scheinbar benutzerfreundliche Geschäftsmodelle zu einer besseren wird. Es wäre jedoch gut, wenn jemand weniger Wert auf schöne Worte legte, und sich stattdessen mit den tatsächlichen Möglichkeiten vertieft auseinandersetzen würde.  

_____________

Richard David Precht: Jäger, Hirten, Kritiker – Eine Utopie für die digitale Gesellschaft. Goldmann, 2018. 288 S., CHF 27.90.     

20. November 2018
von: