Frage zur Lage

Der Homo sapiens hat es weit gebracht. Er hat die Höhlen verlassen und Wolkenkratzer errichtet. Er baut Maschinen und Computer, die ihm die Arbeit abnehmen. Digitale Programme erleichtern sein Leben. In Kindergarten und Schule unterrichtet ihn Software, im Beruf unterstützen ihn Roboter, im Auto leitet ihn das satellitengesteuerte GPS, im Spital assistieren ihm Magnetresonanz- und Computertomograf, an der Börse erledigen Algorithmen Spekulationen, im Krieg töten Drohnen. Er bezieht Waren und Geld an Automaten, bucht Ferien im Internet, surft, mailt, skypt, chattet, twittert, zockt und hat Cybersex.
Der Homo sapiens will es noch weiter bringen. Seine Visionen sind zahlreich. Autos, Züge und Flugzeuge fahren ohne Chauffeur, virtuelles Geld tätigt Geschäfte, Workstations erschaffen digitale Kunst, Roboter führen Bewerbungsgespräche, operieren Patienten und betreuen Betagte. Das Unmögliche soll möglich werden. Ein im Hirn implantierter Chip lässt Blinde sehen und EDV-Kleidung Lahme gehen, gedankengesteuerte Prothesen ersetzen Gliedmassen, intelligente Häuser funktionieren selbständig, Roboter gewinnen Kriege, gigantische Rechner klonen Tiere und Menschen.
Der Homo sapiens kommuniziert vermehrt mit Smartphone, Laptop, PC und Roboter. Er kommuniziert ohne physisches menschliches Gegenüber. Das führt zu einer Entfremdung der Empfindung, die im digitalen Autismus gipfelt. Indem ich das Du abschaffe, verliere ich mich selbst. Ist der Homo sapiens womöglich ein Homo suizidens?
Ein lockeres Gespräch unter Nachbarn, eine lebhafte Diskussion unter Kollegen, eine ehrliche Aussprache unter Freunden, ein leidenschaftlicher Streit unter Liebenden – jetzt oder nie!
15. Juni 2017
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