Plastikmüll auf Eis

Das Eis der Arktis ist mit großen Mengen Kunststoffabfällen durchsetzt. Das
schmelzende Meereis flutet nun den Ozean mit zusätzlichem Müll.


Der pazifische Müllstrudel mit seinen Millionen Tonnen
Kunststoffabfällen hat bereits traurige Berühmtheit erlangt. Doch der
Abfallteppich im Ozean mit der Größe Europas ist wohl nur die Spitze des
Plastikeisbergs in der Umwelt - im wahrsten Sinn des Wortes. Denn
offensichtlich stecken Billionen Kunststoffpartikel im arktischen Eis, das
eine Art Zwischenlager für die im Meer schwimmenden Überreste von
Einkaufstüten, Sandalen, Fischernetzen oder Trinkflaschen bildet. Zu diesem
Schluss kommen jedenfalls Rachel Obbard vom Dartmouth College und ihre
Kollegen: In jedem Kubikmeter Eis finden sich demnach hunderte
Plastikpartikel; im Schnitt liegen die Konzentrationen doppelt so hoch wie
im gleichen Volumen Wasser im pazifischen Müllstrudel.

Plastikstrandgut

Ein Großteil des Plastikmülls im Ozean stammt vom Land. Der Wind trägt ihn
auf das Meer hinaus, wo er sich dann in bestimmten Gebieten mit günstiger
Strömung sammelt.

Das Ausmaß hatte die Forscher überrascht, da in der Region selbst kaum
Plastikmüll hinzukommt. Stattdessen transportieren aber Meeresströmungen die
Abfälle aus weiter südlich gelegenen Regionen in die Arktis: In allen
Weltmeeren existiert eine Art Müllkreisel, in dem Kunststoffabfälle vom
Festland lange Zeit "gefangen" sind und vom Salzwasser und der
Sonneneinstrahlung angegriffen und zerkleinert werden. Viele Meeresökologen
hatten allerdings gerätselt, wo ein Großteil der Verschmutzungen verbleibt:
Von den knapp 300 Millionen Tonnen Kunststoff, die mittlerweile jährlich
produziert werden, endet nur ein Teil auf Deponien oder in
Müllverbrennungsanlagen - eine gewichtige Menge landet in der Umwelt. Neben
der Tiefsee könnte daher auch die Arktis eine entsprechende Senke sein.

Obbard und ihr Team hatten vier Eisbohrkerne aus der Arktis analysiert, die
sie während zweier Expeditionen 2005 und 2010 gezogen hatten: Sie schmolzen
das Eis, filterten das Wasser und sortierten händisch die aufgefangenen
Sedimente. Partikel, die von der Form und Farbe auf Kunststoffe schließen
ließen, wurden anschließend mit einem Infrarotspektrometer genauer bestimmt.
Mehr als die Hälfte der Überreste stammte aus Kunstseideprodukten, gefolgt
von Polyester und Nylon - sehr gebräuchlichen Werkstoffen. Im arktischen Eis
sind diese Abfälle zwar zeitweilig aus dem Verkehr gezogen, doch schwindet
die Meereisbedeckung in der Region kontinuierlich. Mehrjähriges und damit
sehr dauerhaftes, dickes Eis verliert zudem an Volumen, so dass die Partikel
mittlerweile wieder zunehmend in den biogeochemischen Kreislauf gelangen.
Die Forscher rechnen damit, dass dadurch in den nächsten Jahren Millionen
Tonnen Kunststoff erneut in die Umwelt gelangen. Das Plastikproblem erinnert
damit an Schadstoffe wie DDT und andere Substanzen, die mit Wind und
Meeresströmungen in die Region verfrachtet wurden, sich im Eis anreicherten
und nun erneut in die Nahrungskette gelangen.

Über die ökologischen Folgen der Mikroplastikflut sind sich die Experten
allerdings noch im Unklaren. Bekannt ist, dass verschiedene Organismen wie
Entenmuscheln oder Plankton die Partikel aufnehmen. Im Lauf der
Nahrungskette konzentrieren sich dann die Abbauprodukte im Körpergewebe und
beeinflussen dieses womöglich negativ. Zudem lagern sich weitere organische
Schadstoffe am Material an, die dann ebenfalls in den Stoffwechsel gelangen
und diesen unter Umständen beeinträchtigen. Die Forschung steht hier jedoch
erst am Anfang.




27. Mai 2014
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