Der Meinungskorridor wird enger…

Über die gegenseitige Abhängigkeit von Staat und Medien – zum Beispiel beim Thema Migration – und die Alternative der sozialen Dreigliederung.

Flüchtlingspolitik
Das Migrationsproblem ist in vielerlei Hinsicht ein Lieblingsthema der Politik: Es besteht weder die Möglichkeit, es zu lösen, noch der Wille, es lösen zu wollen Foto: Ahmed Akacha

Was Walter Lippmann schon 1922 in seinem Werk «Public Opinion» beobachtet hat, gilt nach wie vor: Staatliches Handeln ist auch von der öffentlichen Meinung abhängig. Dies zwingt die Politiker dazu, komplexe politische Sachverhalte in verständlicher Form breit zu streuen. Der Staat, bzw. die in seinem Namen agierenden Politiker, müssen die öffentliche Meinung lenken. Nur so ist es ihm möglich, für ihre Entscheide das notwendige Mass an Zustimmung aus der Bevölkerung zu erhalten. Ein Mittel dies zu tun, ist auch die Lenkung des Bewusstseins der Menschen auf die Sündenböcke oder Opfer der herrschenden Migrationspolitik.

Dazu ist der Staat – will er seine Meinung nicht mit Terror durchsetzen – auf die Zusammenarbeit mit den Medien angewiesen. Sie dienen als Träger der vereinfachten Botschaften. Gleichzeitig können sie den Politikern mit kritischen Inhalten viele Steine in den Weg legen. Das Funktionieren des Systems Politik hängt in einer Demokratie unmittelbar von der Beziehung zwischen Medien und Staat ab. Deshalb scheut der Staat nicht nur nicht davor zurück, mittels Lizenzen und Gebühren auf die Medienlandschaft einzuwirken. Er nimmt durch komplexe und undurchsichtige Verstrickungen auf vielen Ebenen Einfluss auf die ideologischen Leitlinien der Medien.

Die Medien ihrerseits können es darum mit ihrer Kritik nicht allzu weit treiben. Sie sind für ihr Überleben auf das bestehende System angewiesen. Nicht nur finanziell, sondern vor allem auch ideologisch und strategisch. Wenn sich die öffentliche Meinung nicht mehr mit dem Staatshandeln in Einklang bringen lässt, drehen die Menschen dem System den Rücken zu. Dadurch würden jedoch die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Frage gestellt und eine zunehmende Verunsicherung der Bürger wäre die Folge, was niemand will. Das System gegenseitiger Abhängigkeiten ist komplex und lässt sich nicht auf Schlagworte wie Zensur reduzieren. Sehr umfassend beschrieben hat es Noam Chomsky in seinem berühmten Werk «Manufacturing Consent» aus dem Jahre 1988. Durch die zunehmende Amerikanisierung aller Lebensverhältnisse wird sich dieses Modell auch bei uns zunehmend bestätigen lassen.

Das Phänomen Corona hat die Symbiose zwischen Staat und Medien sehr deutlich gezeigt. Dank der behördlichen Propaganda und der kaum geäusserten journalistischen Kritik trug die Öffentlichkeit die behördlichen Massnahmen mit. Und dies, obwohl die Menschen in ihrer Freiheit und in ihrer Gesundheit massiv eingeschränkt worden waren. Es zeigte sich, dass die Abhängigkeit zwischen Staat und Medien derart fest etabliert ist, dass bei entscheidenden Themen nur noch eine mit den ideologischen Leitlinien vereinbare Haltung zugelassen wird.

Die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Medien und Staat ist jedoch zwingend, solange der Staat als Einheitsstaat funktioniert und das Wirtschafts- und Geistesleben bestimmt und finanziert. In diesen beiden Bereichen muss der Staat seine Eingriffe legitimeren. Damit ist Propaganda für ihn unerlässlich.

Die Aufgabe der Medien liegt darin, innerhalb der erlaubten öffentlichen Meinung ein Pro und Contra zuzulassen. Damit vermittelt das System dem Bürger die Illusion einer «demokratischen» Wahl. Diese bezieht sich jedoch in Wirklichkeit nur auf einen bestimmten Meinungskorridor. Die Medien dienen dazu diesen zu definieren und die Leitlinien abzustecken. Sie gelten damit zurecht als «systemrelevant».

Nur wenn der Staat sich aus Wirtschafts- und Geistesleben zurückziehen würde, könnte er seine Propaganda-Tätigkeit einstellen. Den Weg dazu weist die «Dreigliederung des sozialen Organismus. Die soziale Dreigliederung ist ein von Rudolf Steiner entworfenes, in den Jahren 1917–1922 skizzenhaft ausgearbeitetes Leitbild für eine moderne gesellschaftliche Ordnung. Sie beschreibt die Grundstruktur einer Gesellschaft, in der die Koordination der gesamtgesellschaftlichen Prozesse nicht zentral durch den Staat oder eine Führungselite erfolgt, sondern in der sich drei Bereiche des sozialen Lebens abbilden.

Diese lassen sich unterscheiden als: Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben. Sie lassen sich in Bezug aufeinander autonom den eigenen Funktionen zuordnen. Dies nannte Steiner eine Organische Gliederung, im Unterschied zu vielen modernen, technokratisch angestrebten Gesellschaftsmodellen.

Da der Staat in diesem Leitbild seinen Einfluss auf das Geistesleben (das heisst u.a Bildung und Medien) nicht ausüben kann und die Wirtschaft ebenfalls unabhängig vom Staat wird, hört die Möglichkeit einer Vereinnahmung dieser Bereiche auf.


 

Propaganda und das Problem der Migration

Beobachten lässt sich die Propagandamaschinerie des Staates auch am Beispiel der Migration. Das Migrationsproblem, wie es vielfach genannt wird, ist in vielerlei Hinsicht ein Lieblingsthema der Politik. Tatsächlich möchte weder das linke noch das rechte Spektrum auf die Ausschlachtung dieser Thematik verzichten. Das hängt jedoch nicht primär damit zusammen, dass sie ein bestimmtes Problem lösen möchte, sondern damit, dass sich Migranten ebenso gut als Opfer wie als Sündenböcke eignen.

Ein wesentlicher Teil des politischen Geschäfts ist Ablenkung oder die Adressierung von Problemen, die durch eine politische Herangehensweise nicht zu lösen sind. Das Thema Migration eignet sich, ähnlich wie Klimaschutz, deshalb so gut für diese Strategie, weil hier weder die Möglichkeit besteht, es zu lösen, noch der Wille, es lösen zu wollen.

Während ein Politiker das Migrationsthema emotional ausschlachten kann, darf er davon ausgehen, dass er kaum je an seinem Handeln gemessen wird. Ob er sich nun für eine härtere Gangart gegenüber Ausländern einsetzt oder eine schrankenlose Willkommenskultur empfiehlt, wer sollte ihn am eigenen Erfolg messen?

Daher ist in Wirklichkeit weder die rechte noch die linke Seite der Politik an einer Lösung des Problems interessiert. Es gelingt jedoch beiden Seiten, an diesem Thema gewisse Stereotypen auszubilden, was ihnen zwecks Wahlkampf und eigener Profilierung nützlich ist. Die Aufmerksamkeit der Bevölkerung kann auf «die Fremden, oder das Fremde» gelenkt werden, die dahinterliegenden Fragen entziehen sich ohnehin den meisten Menschen.

Während die rechte Seite sich durch eine härtere Gangart und konsequente Ausschaffung von «Scheinmigranten» zu profilieren versucht, ruft die linke Seite unreflektiert nach selbstloser Solidarität. Das zeigt jedoch nur, dass keine Seite an einer wirklichen Lösung der Probleme interessiert ist.

Während die linke Seite eine wachsende Solidaritätsindustrie aufbaut, ergeht sich die rechte Seite in der fortwährenden Diskreditierung der Ausländer. Beiden kommt die Randgruppe wie gerufen. Folglich zementiert diese Herangehensweise das Problem.

Wesentlich ist zu verstehen, dass die Politik aus sich selbst heraus kein Interesse an der Lösung der Migrationsfrage hat. Zu nützlich sind die Migranten für die Profilierung der eigenen Politik. Im Weiteren gilt es nachzuvollziehen, wie die Politik die Probleme fortwährend selbst erzeugt, die sie vorgibt lösen zu wollen. Es ist wichtig zu beobachten, wie die westliche Welt sowohl Migrationsursachen wie Integrationsprobleme selbst erzeugt.

Würde der Staat im Sinne der Dreigliederung darauf verzichten, Wirtschaftskriege zu führen, könnte er auch anfangen, die Ursachen von Wirtschaftsmigration zu bekämpfen. Damit wäre es auch eher möglich, mit der dann entstehenden Migration und den sich daraus ergebenden Problemen fertigzuwerden. Auf eine einseitige Opfer-Täter Wahrnehmung in Bezug auf Flüchtige ist aber auf jeden Fall zu verzichten. Die Frage lautet auch hier nicht: «Sind die Migranten Täter oder Opfer?», sondern vielmehr: Wer schafft Migration und vor allem, wer profitiert davon?


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