schmelzkäse

Keiner sprach, beide assen, nichts schmeckte wie erwartet

Schmelzkäse
heute mal was wirklich leckeres... Foto: Pexels

schmelzkäse war am billigsten.

er ersetzte die butter, war nahrhaft, durchaus lecker und reichte ein paar tage.

sie war im zweiten semester und keinesfalls wohlhabend.

wenn, dann waren ein hübsches kleid, ein paar hohe hacken und ein lippenstift dinge, für die sie geld ausgeben mochte.

an der uni tauchte sie nicht allzu häufig auf, ständig kam ihr das leben dazwischen.

diesmal hielt es schon seit geraumer zeit hof in gestalt eines hochgewachsenen künstlers mit schwarzem zauselbart und wilder mähne.

der hatte sich angewöhnt, bei ihr nicht nur zu übernachten.

das war einfach am praktischsten, zumal über den winter, denn in seinem atelierzimmer, vierter stock, altbau, stand ein grosser kohleofen, in ihrem häuschen hingegen eine gasheizung.

dieser lange dünne mann hatte eine eigenartig selbstsichere art und offensichtlich nicht die geringsten zweifel, dass es für sie köstlich bequem sein musste, nicht in seinem kalten atelier sondern bei sich selbst bleiben zu dürfen.

und ein gast war ein bedürftiges wesen. ein hungerarmer künstler zumal. dass er sich unbedingt wie zuhause fühlen wollte, war schon klar.

ständig stand also die frage im raum, wer das bier im pub und wer die pommes an der bude bezahlen würde.

und wer den einkauf für den restlichen bedarf.

schmelzkäse war in dieser hinsicht ideal.

nach und nach beschlich sie jedoch das gefühl, dass sie mit ihrem mageren budget ohne besonderen dank das alltägliche leben von zwei erwachsenen bestritt.

das gefiel ihr immer weniger.

eines tages erwischte sie sich dabei, wie sie grimmig ihren einzig wirklich wertvollen schmuck – einen ring – gründlich in den untiefen ihrer behausung versteckte ... wie konnte man sicher sein, dass nach dem geld nicht noch der schmuck verschwand?

sie beschloss, ihr studium wieder genauer in den blick zu nehmen, und auch er besann sich der künste.

beide hatten vor, am nächsten morgen gleichzeitig aus dem haus zu gehen.

sie verabschiedeten sich in unterschiedliche richtungen, wild entschlossen und voller tatendrang kam sie an der uni an.

es war die zeit der studentenunruhen, der demos, der streiks.

handys und internet gab es nicht, und so stand sie unvorbereitet vor verschlossenen türen.

das schwarze brett verkündete streik für den ganzen tag.

entmutigt und plötzlich luftleer stieg sie in ihr kleines auto.

was nun?

ah! sturmfreie bude – das war doch jetzt was!

ein ganzer tag nur für sich und irgendwelche ausgefuchste ideen.

unterwegs hielt sie am feinkostlädchen.

heute mal kein schmelzkäse. heute mal was wirklich kostbar leckeres.

oh! fleischsalat, krabben, kalbsleberwurst, brie!

ja, bitte, von allem genau eine portion, bitte, nein, lieber etwas weniger, ja, so ist es recht, danke.

beglückt und in seliger erwartung schloss sie ihre haustür auf.

am tisch sass der maler.

vor sich leckere köstlichkeiten.

ein klitzekleines glas honig, zwei brötchen, ein croissant, etwas schinken, eine scheibe roastbeef, ja, sogar einen piccolo.

und butter!

entschlossen wortlos nahm sie ihm gegenüber platz.

keiner sprach, beide assen, nichts schmeckte wie erwartet.

eine sichtbare grenze verlief über den tisch.

es dauerte ein weilchen, dann mussten sie lachen.

eine viertel scheibe schinken, zwei teelöffel fleischsalat und ein schluck piccolo. ach ja, brie und honig wurden auch geteilt.

beide fanden sich in dieser groteske wieder, zeigten gallig sinn für humor.

allerdings war es der letzte heitere gemeinsame moment.

man trennte sich kurz danach, durchaus in freundschaft.

der ring tauchte erst bei ihrem auszug auf.

den hatte sie wohl auch vor sich selbst versteckt.

schon komisch.

04. Februar 2024
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