Scheiternde Sanktionen
G7 einigen sich auf Preisdeckel für russisches Öl. Beobachter warnen, Moskau könne den Export nach Europa einstellen. Konkurrenzprojekt zu Chinas Neuer Seidenstraße geplant.
Die G7-Staaten haben auf ihrem Gipfeltreffen in Elmau im Grundsatz einen Preisdeckel für russisches Erdöl und Erdgas beschlossen und setzen damit einen großen Teil ihrer Energieversorgung aufs Spiel. Der Preisdeckel soll der westlichen Embargopolitik gegen Russland, die bislang mehr oder weniger gescheitert ist, zum Erfolg verhelfen, indem er Moskaus Exporteinnahmen drastisch reduziert und dem dramatischen Anstieg der Energiepreise im Westen ein Ende setzt.
Experten bezweifeln, dass sich dies technisch bewerkstelligen lässt. Als möglich gilt zudem, dass Russland mit der Einstellung seiner Öl- und Gasexporte reagiert. Europas Versorgung bräche dann zusammen.
Ein Importverbot für russisches Gold, das die G7 ebenfalls vorbereiten, wird laut Einschätzung eines Experten „nichts ändern“; es sei „reine Symbolpolitik“. Die G7 haben in Elmau außerdem beschlossen, mit einer riesigen Infrastrukturinitiative Chinas Neuer Seidenstraße das Wasser abzugraben. Dies hatten sie schon vor einem Jahr angekündigt; geschehen ist nichts. In der Klimapolitik haben die G7 in Elmau begonnen, sich Ausnahmen von den Beschlüssen der Glasgower Klimakonferenz zu genehmigen.
Mit neuen Sanktionsplänen reagieren die G7 darauf, dass ihre Embargopolitik gegenüber russischen Energieträgern bisher nicht zum Erfolg führt, ihnen selbst allerdings empfindlich schadet. So haben der Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem Bezug russischen Erdöls sowie der Beschluss der EU, ab nächstem Jahr nur noch den Import russischen Erdöls via Pipeline zuzulassen, nicht zu einem Rückgang von Moskaus Einnahmen aus dem Ölverkauf geführt – im Gegenteil: Russland hat seine Öllieferungen nach Asien stark gesteigert und in den ersten 100 Tagen seit Kriegsbeginn mehr an der Ausfuhr von Öl und Gas verdient als im Vorjahreszeitraum.
Die westlichen Staaten aber leiden erkennbar unter den massiv gestiegenen Öl- und Gaspreisen, die nicht zuletzt die Inflation in die Höhe treiben; erste Proteste aus der Bevölkerung werden laut. Bestrebungen, mehr Öl auf dem Weltmarkt verfügbar zu machen, führen zu nichts; Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate etwa weigern sich trotz heftigen US-Drucks, mehr Öl zu fördern.
Vom Westen verursachte Probleme kommen noch hinzu: Der Krieg in Libyen etwa, der immer wieder aufflammt, seit der Westen das Land im Jahr 2011 in Schutt und Asche gebombt hat, hat die Ölproduktion dort soeben einmal mehr zum Erliegen gebracht. Lieferungen aus Iran und Venezuela fallen sanktionsbedingt aus.
Realisiert werden soll der Preisdeckel mit Hilfe von Schiffsversicherern, denen die G7 untersagen wollen, Öltransporte zu versichern, wenn der Rohstoff für einen höheren als den von ihnen festgesetzten Preis verkauft wird. Unklar ist, wie dies funktionieren soll: Versicherer haben keinen Einfluss auf den Verkaufspreis des Öls. Hinzu kommt, dass die traditionelle Dominanz europäischer Versicherer zu bröckeln beginnt: Russische Schiffe werden inzwischen vorwiegend von der Russian National Reinsurance Company (RNRC) versichert.
Quelle: German Foreign Policy: Scheiternde Sanktionen, 28.6.22
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