Umverteilung – die neue Büchse der Pandora

Der Wirtschaftswissenschaftler Thomas Piketty hat kürzlich ein weiteres Buch veröffentlicht. Wie bereits vor sechs Jahren werden seine detaillierten Analysen und seine Kapitalismuskritik erneut zu hitzigen Debatten führen.

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Er gilt als der französische «Rockstar der Wirtschaftswissenschaft» seit er akribisch Daten aus 27 Ländern über drei zurückliegende Jahrhunderte ausgewertet hat: Thomas Piketty.

Seine Schlussfolgerung in dem 2014 veröffentlichten Buch «Das Kapital des 21. Jahrhunderts» war, dass der Kapitalismus systemimmanent zu einer Verschärfung der Ungleichheit führt. Seine Analyse und seine Interpretation der Daten sorgten weltweit für Aufsehen. Damals fasste er seine Erkenntnisse auf 800 Seiten zusammen, kürzlich hat er ein weiteres Buch, «Kapital und Ideologie», nachgelegt – 1300 Seiten stark.

Mit dem Wirtschaftswissenschaftler traf sich der Autor und Regisseur Andreas von Westphalen zu einem ausführlichen Interview in Paris. Das Ergebnis des spannenden Gespräches ist jetzt bei Deutschlandfunk zu hören (und zu lesen).

So erläutert Piketty, warum die Umverteilungsdebatte von heute auf Ressentiments aus dem vorigen Jahrhundert stösst. Es sei die Art und Weise, in der Wirtschaftswissenschaftler wie Robert Lucas oder «versuchen, Eigentum und Ungleichheit als ein Thema zu sakralisieren, über das wir nicht sprechen können». Piketty sieht darin «eine Geisteshaltung, … die schon einmal existiert hat und die von der Angst gespeist wird, wenn man die Büchse der Pandora der Umverteilung öffnete, gäbe es kein Halten mehr und alles würde in allgemeinem Chaos enden».

Demgegenüber stehen laut Piketty eine Menge historischer Erfahrungen, die «zeigen, dass wir die historischen Ungleichheiten vollständig reduzieren können, ohne in allgemeines Chaos zu verfallen».

So ist seiner Ansicht nach die «Stärke der Ideologie des Eigentumskonservatismus im 19. Jahrhundert oder der Globalisierung heute, dass sie sich als einzige Alternative zu einer Art demokratischem Chaos präsentiert». Das sei die Herausforderung, der man sich stellen muss und die nicht einfach ist.

Im Weiteren weist der Wirtschaftswissenschaftler nach, dass Wirtschaftswachstum nicht zwingend zu einem höheren Wohlstand in der Gesellschaft führt. Er nennt das Beispiel USA, dort gebe es seit den 1990er-Jahren viel mehr Milliardäre als in den Jahrzehnten zuvor und eine viel stärkere Konzentration des Reichtums, aber das Wirtschaftswachstum hat sich in derselben Zeit halbiert.

Deshalb plädiert Piketty für Sondersteuern auf die höchsten Vermögen. Vorreiter sollte sie EU sein, und «wenn einige Länder nicht daran teilnehmen wollen, kann man sie nicht dazu zwingen, aber das sollte diejenigen der 27 nicht hindern, die vorankommen wollen. Ich hoffe auf Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, die zusammen 75 Prozent der Bevölkerung und des Bruttoinlandsprodukts der Eurozone ausmachen».

Das empfehlenswerte, informative Interview auf der Webseite von Deutschlandfunk:

15. Oktober 2020
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