Das Ziel findet dich

Die neue CD des Zürcher Künstlers Pierroz

Im Februar erschien das Album «Finissage» von Pierroz, dem abgründigsten Künstler der aktuellen Schweizer Pop- und Rockszene. Jedes seiner Stücke ein Ritt mit dem Teufel, ein Tritt in den Hintern oder ein Schritt über die Schwelle ins Bodenlose. Schwermütig, verletzlich, zwischen graumelierter Schweizer Verklemmtheit und blutbeschmierter Mundartsprache. Nebel, der schwer über den Bahngeleisen hängt, scheint einem in den Gehörgang zu kriechen und lässt den Kopf kreisen zu den tiefgehenden Beats. Oder ist es der Rauch des Feuers, das der Irrenhäusler aus Stück Nr. 5 in seiner Blockwohnung entzündet hat? 




«Nicht Jäger, nicht Wild, Pfeil bist du, und das Ziel wird dich schon finden», philosophiert Pierroz. Seine Texte sind mit einer Art Jazz-Blues-Punk unterlegt – die Instrumente spielt er alle selber: Saxofone, Trompeten und Flöten, Kontrabass, eine alte schwarze Hammond und ganze Arsenale von Gitarren. Aufgenommen und gemixt hat er die zwölf Lieder in seiner Dachkammer und in einem Zürcher Keller. Pierroz findet Worte sowohl für Szenen aus dem Zürcher Stadtalltag («s‘brot isch härt und nöd frisch; was d‘häsch das bisch»), wie auch für Schauerballaden, die ans Sennentuntschi erinnern («wie sie als dunkle schtärn am himmel lacht; zmitz i dere hungrige nacht; mich mit schwarz uufgrissnem Aug erchännt, s‘isch d anschelina, mini anschelina»); verstreut finden sich auch Momente des Schalks und gar der Hoffnung («he knirps, ich kapier keis wort; nimm de nuggi zum muul us; wenn öppis säge wotsch; nur s‘glänze vo dine auge chan i verstah»).

Die dunkel-existentiellen Hörstücke von Pierroz sind vielleicht nicht geeignet als Loungemusik beim Apéro mit den Nachbarn (ausser die haben Sinn für schrägen Humor); die beeindruckend bedrückenden Wortmalereien und die Ehrlichkeit des Werks lassen aber die Schuppen vor unseren Augen wegbrösmeln und in der skandalös nackten Realität dahinter brechen einzelne Sonnenstrahlen durch die Wolken.




Bemerkenswert an der CD sind auch die Texte von R. Güntensperger im beiliegenden Booklet. Ein Auszug: «Lustlos geistert ein Fetzen Zeitung vom Winde verweht übers weite Parkrasengrün, derweil die Vögel zeitlos Zwischenansagen zwitschern. Sie werden uns die Welt retten. Wort lass nach! Bessere Zeilen machen Liebe, Glaube, Hoffnung, bessere Zahlen schreibt der LGH-Konzern. Zur Zeit glaube ich. Ich glaube wahnsinnig langsam ans übererfüllte Gehirn meiner Zeitgenossen der grössten Zeitgeschichte der grössten Menschheit aller Zeiten. Morgen ist bestimmt wieder so ein Tag.»

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13. März 2015
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