Ist ein Leben ohne Smartphone lebenswert?
Wer über «Digitalfasten» bisher nur nachgedacht hat, könnte es jetzt in die Tat umsetzten – es ist Fastenzeit. Für Viele – auch Nichtgläubige – eine Gelegenheit, eingespielte Gewohnheiten unter die Lupe zu nehmen und vielleicht etwas zu verändern.
So viel voraus: Technik fasziniert mich. Ein neuer Laptop wird erst mal aufgeschraubt und sein Innenleben studiert, Software so lange modelliert, bis sie mir gefällt. Und selbstverständlich sind meine Geräte stets «state of the art».
Doch dann passierte es. Ich bezog mitsamt meinem elektronischen Equipment ein neues Haus, weitab von der Zivilisation. Alles war schnell angeschlossen und funktionierte bestens, nur mein Mobiltelefon nicht. Kein Netz! Nichts, nirgends im Haus auch nur das geringste Funksignal. Völlig verzweifelt raste ich mit dem verflixten Ding vor die Haustür, auf die Strasse – die Augen auf jene kleine Stelle im Display gerichtet, die die Verbindung zur Welt signalisiert: Fünf verdammte Balken, von denen wenigstens einer aufleuchten sollte.
Es leuchtete nichts auf, das Teil war so gut wie tot. Fotos von dem schönen neuen Haus konnte ich machen, das war aber auch alles. «Wir haben hier sehr schlechten Empfang», versicherte mir die neue Nachbarin, als sie mich verzweifelt, mit in die Höhe gestrecktem Handy auf der Strasse umherirren sah. Ach! Na gut, dann bin ich wenigstens nicht allein mit dem Problem.
Schnell waren Familie, Freunde und Arbeitskollegen informiert: «Ich bin nur noch per Festnetz erreichbar.» Die Jahre gingen ins Land, meinen Mobilvertrag hatte ich längst gekündigt.
Den technischen Fortschritt der mobilen Telefonie konnte ich von da an nur noch in Aktion erleben, wenn ich mein ländliches Ambiente verliess und mit der Bahn in die nächste Stadt fuhr. Es war schwer zu übersehen, dass fast alle gebannt auf ihre kleinen Apparate starrten, mit den Fingerspitzen darüber huschten und per Knopf im Ohr auch akustisch in anderen Sphären schwebten. Von ihrer tatsächlichen Umgebung, ihrem physischen Aufenthaltsort, nahmen sie kaum Notiz. Das wirkte nicht sehr verlockend auf mich.
Eines Tages klingelte zu Hause mein Festnetztelefon. In der Küche dudelte das WLAN-Radio – ein Android-Gerät, mit dem ich sämtliche Apps nutzen kann, aber eben nicht telefonieren. Ich stellte es leise, denn der Anruf schien wichtig – eine Schweizer Vorwahl. Es gab neue Arbeit, aber dazu ich müsste regelmässig reisen. Keine schlechte Idee und kein schlechtes Angebot. Einiges galt es nun in meinem Leben umzustellen. Dazu gehörte selbstverständlich auch, dass ich wieder «an jedem Ort der Welt» erreichbar sein musste. Auf der Suche nach einem adäquaten Smartphone las ich die einschlägigen Seiten im Internet. Apple sollte es nicht sein, das Unternehmen spürt seine Nutzer zu systematisch aus und das Betriebssystem lässt zu wenig individuelle Anpassung zu. Also Android, das kleinere Übel. Schnell fand ich das technisch innovativste Teil von einem chinesischen Hersteller. Dessen Marketingstrategie besteht darin, sich und seine Geräte rar zu machen. Es gab eine Wartezeit, erst am 28. November konnte man das neueste Modell online ordern.
Dieses Datum, das ich nun sehnlichst und voller Vorfreude erwartete, fiel just auf einen Reisetag. Meinen Laptop im Rucksack, die Bestellseite «gebookmarkt», hatte ich nur einen Gedanken: Nach meiner Ankunft sofort das Smartphone kaufen.
Es war früh am Morgen, als ich Olten erreichte. Ich war müde, Liegewagen sind nicht wirklich zum Schlafen. Wenn man so richtig unausgeschlafen ist, ist man feinnervig, Sinneswahrnehmungen verändern sich, als könne man hinter die Dinge schauen. Ich stieg um in einen Regionalzug. Berufsverkehr, Menschen strömten zur Arbeit, keiner würdigte sein Gegenüber eines Blickes. Alle starrten gebannt auf ihre kleine Display-Welt, einer trug sogar eine riesige Cyberbrille, ein Head-Mounted Display. Wo war ich gelandet? Es schien, als hätten diese Menschen ihr eigenes Gefängnis gezimmert. Ihr Verhalten hatte autistische Züge, keiner war bereit, ein freundliches Lächeln in Empfang zu nehmen, geschweige denn, es zu erwidern. Kein schöner Start in den Tag.
Die Fahrt dauerte nicht lange. Auf dem Weg vom Bahnhof zur Arbeit ging mir nur eine Frage durch den Kopf: «Willst Du das auch?» Klar könnte ich ein Smartphone «intelligenter» nutzen, mich nicht «beherrschen» lassen. Doch dann kam die rettende Idee: «Ich will überhaupt kein Smartphone haben, denn ich vermisse nichts!»
So bin ich weiterhin völlig vergnügt und entspannt unterwegs, auf Strassen, in der Bahn – und immer empfänglich für ein Lächeln.
Mehr zum Thema «mehr | weniger» im Zeitpunkt 148
Doch dann passierte es. Ich bezog mitsamt meinem elektronischen Equipment ein neues Haus, weitab von der Zivilisation. Alles war schnell angeschlossen und funktionierte bestens, nur mein Mobiltelefon nicht. Kein Netz! Nichts, nirgends im Haus auch nur das geringste Funksignal. Völlig verzweifelt raste ich mit dem verflixten Ding vor die Haustür, auf die Strasse – die Augen auf jene kleine Stelle im Display gerichtet, die die Verbindung zur Welt signalisiert: Fünf verdammte Balken, von denen wenigstens einer aufleuchten sollte.
Es leuchtete nichts auf, das Teil war so gut wie tot. Fotos von dem schönen neuen Haus konnte ich machen, das war aber auch alles. «Wir haben hier sehr schlechten Empfang», versicherte mir die neue Nachbarin, als sie mich verzweifelt, mit in die Höhe gestrecktem Handy auf der Strasse umherirren sah. Ach! Na gut, dann bin ich wenigstens nicht allein mit dem Problem.
Schnell waren Familie, Freunde und Arbeitskollegen informiert: «Ich bin nur noch per Festnetz erreichbar.» Die Jahre gingen ins Land, meinen Mobilvertrag hatte ich längst gekündigt.
Den technischen Fortschritt der mobilen Telefonie konnte ich von da an nur noch in Aktion erleben, wenn ich mein ländliches Ambiente verliess und mit der Bahn in die nächste Stadt fuhr. Es war schwer zu übersehen, dass fast alle gebannt auf ihre kleinen Apparate starrten, mit den Fingerspitzen darüber huschten und per Knopf im Ohr auch akustisch in anderen Sphären schwebten. Von ihrer tatsächlichen Umgebung, ihrem physischen Aufenthaltsort, nahmen sie kaum Notiz. Das wirkte nicht sehr verlockend auf mich.
Eines Tages klingelte zu Hause mein Festnetztelefon. In der Küche dudelte das WLAN-Radio – ein Android-Gerät, mit dem ich sämtliche Apps nutzen kann, aber eben nicht telefonieren. Ich stellte es leise, denn der Anruf schien wichtig – eine Schweizer Vorwahl. Es gab neue Arbeit, aber dazu ich müsste regelmässig reisen. Keine schlechte Idee und kein schlechtes Angebot. Einiges galt es nun in meinem Leben umzustellen. Dazu gehörte selbstverständlich auch, dass ich wieder «an jedem Ort der Welt» erreichbar sein musste. Auf der Suche nach einem adäquaten Smartphone las ich die einschlägigen Seiten im Internet. Apple sollte es nicht sein, das Unternehmen spürt seine Nutzer zu systematisch aus und das Betriebssystem lässt zu wenig individuelle Anpassung zu. Also Android, das kleinere Übel. Schnell fand ich das technisch innovativste Teil von einem chinesischen Hersteller. Dessen Marketingstrategie besteht darin, sich und seine Geräte rar zu machen. Es gab eine Wartezeit, erst am 28. November konnte man das neueste Modell online ordern.
Dieses Datum, das ich nun sehnlichst und voller Vorfreude erwartete, fiel just auf einen Reisetag. Meinen Laptop im Rucksack, die Bestellseite «gebookmarkt», hatte ich nur einen Gedanken: Nach meiner Ankunft sofort das Smartphone kaufen.
Es war früh am Morgen, als ich Olten erreichte. Ich war müde, Liegewagen sind nicht wirklich zum Schlafen. Wenn man so richtig unausgeschlafen ist, ist man feinnervig, Sinneswahrnehmungen verändern sich, als könne man hinter die Dinge schauen. Ich stieg um in einen Regionalzug. Berufsverkehr, Menschen strömten zur Arbeit, keiner würdigte sein Gegenüber eines Blickes. Alle starrten gebannt auf ihre kleine Display-Welt, einer trug sogar eine riesige Cyberbrille, ein Head-Mounted Display. Wo war ich gelandet? Es schien, als hätten diese Menschen ihr eigenes Gefängnis gezimmert. Ihr Verhalten hatte autistische Züge, keiner war bereit, ein freundliches Lächeln in Empfang zu nehmen, geschweige denn, es zu erwidern. Kein schöner Start in den Tag.
Die Fahrt dauerte nicht lange. Auf dem Weg vom Bahnhof zur Arbeit ging mir nur eine Frage durch den Kopf: «Willst Du das auch?» Klar könnte ich ein Smartphone «intelligenter» nutzen, mich nicht «beherrschen» lassen. Doch dann kam die rettende Idee: «Ich will überhaupt kein Smartphone haben, denn ich vermisse nichts!»
So bin ich weiterhin völlig vergnügt und entspannt unterwegs, auf Strassen, in der Bahn – und immer empfänglich für ein Lächeln.
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01. April 2017
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