Vier Szenarien für eine Welt in Unordnung

Der Glaube in die westlichen Demokratien schwindet bei der jüngeren Generation — im Westen
Veröffentlicht: 27. Oct 2022 - Zuletzt Aktualisiert: 27. Oct 2022

Die Weltordnung, wie wir sie bislang kannten, ist Geschichte. Eine zunehmende Abkehr von Demokratie und Globalisierung, kein Plan im Umgang mit China und die Verschärfung von Konflikten stehen an. Das jedenfalls schreibt David Bach, Professor für Strategie und politische Ökonomie am Schweizer International Institute for Management Development (IMD) in einem Artikel für The Conversation. Insgesamt vier Szenarien für die kommenden Jahre seien absehbar und möglich, so der Ökonom. Wir bringen Auszüge.

«Wir leben in einer Zeit tiefer geopolitischer Gräben und außerordentlicher wirtschaftlicher Unsicherheit, die in Xis Äußerungen zum Ausdruck kommt. Die Welt kehrt eindeutig nicht zu einem Status quo zurück, wie er vor dem COVID bestand. Vielmehr hat eine Kombination von Kräften die bisherige Weltordnung auf den Kopf gestellt und eine Periode tiefgreifender Unordnung eingeläutet.

Ich möchte vier dieser Kräfte betrachten - die Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und China, Russlands Krieg in der Ukraine, Populismus und Inflation - um einige politisch-wirtschaftliche Szenarien für die nächsten zwei bis fünf Jahre zu entwerfen. Jede Liste der destabilisierenden globalen Kräfte ist zwangsläufig unvollständig. Ich werde den Klimawandel oder den Verlust der Artenvielfalt (die wohl größten Herausforderungen für die Menschheit), ein mögliches Wiederaufleben von COVID, die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz und anderen disruptiven Technologien oder die Rolle von Schurkenregimen von Iran bis Nordkorea nicht berücksichtigen.

Stattdessen konzentriere ich mich auf die Bereiche, von denen ich glaube, dass sie in den nächsten Jahren die größten Auswirkungen auf die globale Wirtschaft haben werden - vor allem wegen ihrer erwarteten Wechselwirkungen.

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Berlin betrachtete russisches Gas als billiger und nachhaltiger als Alternativen. Die stärkere Abhängigkeit entsprach auch einer fünf Jahrzehnte alten Doktrin der deutschen Außenpolitik gegenüber der Sowjetunion/Russland, die sich "Wandel durch Handel" nennt. Im Nachhinein betrachtet ist es zwar gefährlich naiv, aber eine ähnliche Philosophie prägte bis vor kurzem die US-Politik gegenüber China und schuf Abhängigkeiten, die sich nicht wesentlich unterscheiden.

2. Die Beziehungen zwischen den USA und China
Vier Jahrzehnte lang, seit der bahnbrechenden China-Reise des damaligen US-Präsidenten Richard Nixon im Jahr 1972, bemühten sich die USA um bessere Beziehungen zu Peking durch eine engere wirtschaftliche Integration. Die Dinge begannen sich während der zweiten Amtszeit von Barack Obama zu ändern, als Reaktion auf Xi Jinpings muskulöses Auftreten im In- und Ausland, bevor es dann mit Donald Trumps Handelskrieg zum Bruch kam.

Wenn überhaupt, dann hat die Regierung Biden den Wechsel von der Kooperation zur Konfrontation durch verstärkte Sicherheitsallianzen in der Region mit Ländern wie Australien, Exportkontrollen für fortschrittliche Technologien wie Mikroprozessoren und de facto-Verteidigungsverpflichtungen gegenüber Taiwan beschleunigt.
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Auch die Wähler in den westlichen Demokratien misstrauen der Globalisierung zunehmend. Angetrieben durch die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit sagte eine Mehrheit in 28 führenden Volkswirtschaften dem Marktforschungsunternehmen Edelman im Jahr 2017, dass "die Globalisierung uns in die falsche Richtung führt". Erschreckenderweise stellte Edelman 2019 fest, dass nur 18 % der Befragten in den Industrieländern bestätigten, dass "das System für mich funktioniert", wobei 34 % unsicher waren und 48 % erklärten, dass das System sie im Stich lässt.

Parallel dazu hat die Unterstützung für die Demokratie nachgelassen, insbesondere unter jungen Menschen. Die Politikwissenschaftler Yascha Mounk und Roberto Stefan Foa von den Universitäten John Hopkins und Cambridge stellten 2017 fest, dass 75 % der in den 1930er Jahren geborenen Amerikaner der Meinung waren, dass es "wichtig ist, in einer Demokratie zu leben", während es bei den Millennials nur 28 % waren.»[...]