Deutschland erklärt sich zum Klimavorreiter

Aber es steigert im Machtkampf gegen Russland den Verbrauch fossiler Energieträger und verfehlt seine Klimaziele, schreibt German Foreign Policy.
Veröffentlicht: 8. Nov 2022 - Zuletzt Aktualisiert: 9. Nov 2022

Wie unmittelbar vor Beginn der UN-Klimakonferenz in Sharm El Sheikh bekannt wurde, genügt die Reduzierung der Treibhausgasemissionen in Deutschland bisher nicht, um das für 2030 vorgesehene Einsparziel zu erreichen. Die Instrumente, die nötig wären, um in den kommenden acht Jahren aufzuholen, sind laut dem Expertenrat für Klimafragen nicht vorhanden.

Weil die Bundesregierung – anders als etwa die Regierung Japans – zudem auf russisches Erdgas verzichten will, werden die Laufzeiten deutscher Kohlekraftwerke verlängert. Die Flüssiggasinfrastruktur, die Berlin zudem errichtet, wird Kritikern zufolge die Nutzung von Erdgas voraussichtlich deutlich in die Zukunft strecken.
Außenministerin Annalena Baerbock behauptet vor der UN-Klimakonferenz in Sharm El Sheikh, man „wisse“ genau, was „zu tun“ sei: „schnellstmöglich raus aus fossiler Energie“. Ignoriert wird dies freilich von der Bundesregierung.

Die Bundesrepublik hat bereits in den vergangenen Jahren ihre klimapolitischen Ziele komplett verfehlt. Dies geht aus dem jüngsten Zweijahresgutachten des Expertenrates für Klimafragen hervor, das Ende der vergangenen Woche veröffentlicht wurde. Demnach sind die Treibhausgasemissionen in Deutschland zwar von 2000 bis 2021 um gut 26,6 Prozent gesunken. Doch reicht dies dem Expertenrat zufolge „bei weitem nicht aus, um die Klimaschutzziele für das Jahr 2030 zu erreichen“. …

Solle Deutschland bis 2030 bei der Emissionsminderung wieder im Plan sein, dann müsse man das Tempo im Vergleich zur Entwicklung von 2011 bis 2021 ab sofort „mehr als verdoppeln“, schreibt der Expertenrat. Im Verkehr sei nun sogar „eine 14-fache Erhöhung der durchschnittlichen Minderungsmenge pro Jahr notwendig“.

Dies zu erreichen ist unter den gegebenen politischen Verhältnissen offenkundig unmöglich. … Die Tatsache, dass Berlin dem Wirtschaftskrieg gegen Russland umfassend Priorität gegenüber dem Kampf gegen den Klimawandel einräumt, führt dazu, dass gewisse mittlerweile erreichte Fortschritte rückgängig gemacht werden; so steigt inzwischen der Anteil von Kohlekraftwerken an der deutschen Stromerzeugung wieder an.
Schon im ersten Halbjahr 2022 erreichte er 31,4 Prozent; in den ersten sechs Monaten 2021 hatte er noch bei 27,1 Prozent gelegen. Zugleich verlängert die Bundesregierung die Laufzeit von Kohlekraftwerken und nimmt bereits stillgelegte Kohlekraftwerke wieder in Betrieb.

Japan, das russisches Erdgas komplett von seinen Sanktionen ausgenommen und die Kaufverträge verlängert hat, wird von Moskau umstandslos weiterhin beliefert.

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