NATO ist uneins über die Angebote an die Ukraine

Der Druck, Zusagen für Mitgliedschaft oder Sicherheitsgarantien bereits auf dem NATO-Gipfel in Vilnius zu tätigen, nimmt zu, schreibt German Foreign Policy
Veröffentlicht: 14. Jun 2023 - Zuletzt Aktualisiert: 14. Jun 2023

Das Parlament Litauens etwa hat am 6. April eine Resolution verabschiedet, die fordert, Kiew schon auf dem NATO-Gipfel am 11./12. Juli in Vilnius die Mitgliedschaft anzubieten. Der Präsident Polens, Andrzej Duda, hat am Montag vor Gesprächen in Paris mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz geäussert, die Ukraine wünsche «eine sehr konkrete Perspektive ... des Beitritts zur Nordatlantischen Allianz»; er hoffe, der NATO-Gipfel in Vilnius werde «eine gute Botschaft nach Kiew tragen ..., dass die zukünftige Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO klar sichtbar ist». Bereits am 4. Mai hatten die Sprecher der Parlamente Lettlands und Estlands, Edvards Smiltēns und Lauri Hussar, mitgeteilt, die baltischen Länder und Polen wollten eine gemeinsame Erklärung vorbereiten, die den NATO-Beitritt der Ukraine unterstützen solle, und zwar konkret mit Blick auf den bevorstehenden NATO-Gipfel in Vilnius.

Die NATO hatte bereits auf ihrem Gipfel im April 2008 in Bukarest Kiew prinzipiell die Beitrittsperspektive eröffnet und diesen Beschluss nie wiederrufen, ihn vielmehr immer wieder bekräftigt. 

Ablehnend gegenüber einem konkreten NATO-Beitritt der Ukraine hat sich nicht nur Ungarn geäussert, das bereits den Beitritt Finnlands und Schwedens gebremst hat und mit Kiew in einem schweren Konflikt bezüglich der ungarischsprachigen Minderheit in der Südwestukraine steckt. Die bislang offenste Stellungnahme gegen eine Aufnahme der Ukraine in die NATO haben, wenn auch nicht in der Öffentlichkeit, die Vereinigten Staaten abgegeben.

Nach der Frankfurter Allgemeinen Zeitung habe US-Präsident Joe Biden «im direkten Gespräch» mit Duda «zwei rote Linien gezogen»: Zum einen würden die Vereinigten Staaten «nicht noch mehr Truppen an die Ostflanke schicken»; zum anderen dürfe die Ukraine «nicht der Allianz beitreten». Ersatzweise soll die Ukraine von den westlichen Staaten Sicherheitsgarantien erhalten. Wie diese genau aussehen sollen, ist unsicher und war unter anderem Gegenstand der Gespräche, die Macron, Duda und Scholz am Montagabend in Paris führten. Demnach soll die Ukraine einerseits in die Lage versetzt werden, sich im Falle eines erneuten russischen Angriffs mit modernstem Kriegsgerät und speziell trainierten Streitkräften selbst zu verteidigen. Dazu müssten NATO-Mitglieder sie nicht nur mit Waffen beliefern, ihre Soldaten ausbilden sowie deren Fähigkeiten in gemeinsamen Kriegsübungen perfektionieren. 

Der Druck, derlei Zusagen bereits auf dem NATO-Gipfel in Vilnius zu tätigen, nimmt zu; Präsident Macron fordert eine schnelle Einigung auf «greifbare und glaubwürdige Sicherheitsgarantien». Rasmussen urteilt, der Konflikt bringe die bislang noch gewahrte Geschlossenheit der NATO in Gefahr.