Landfrauen zeigen Widerstand

In der schweizerischen Landwirtschaft wird alles dem Betriebsergebnis untergeordnet – selbst das persönliche Wohlbefinden der für den Hof Verantwortlichen, insbesondere der Bäuerinnen. Und doch ist es die hartnäckige Arbeit der Landfrauen, die auf dem Bauernhof eine entscheidende Rolle spielt.
 
Wenn es heute in der Schweiz überhaupt noch eine Landwirtschaft gibt, dann weil das Gesetz die Übertragung eines Bauernhofs von einer Generation zur anderen zu günstigen Bedingungen für die Erben regelt. In den allermeisten Fällen ist es der Sohn des Hofbesitzers, der den Betrieb erbt, vorausgesetzt er verfügt über eine Ausbildung als Landwirt.

 
Vom Nachteil, als Frau geboren zu sein
 
Bei Schwestern und Brüdern des Alleinerben bewirkt diese Tatsache oft ein tiefes Empfinden von Ungerechtigkeit, das sich vor allem bei der Übernahme des Hofs einstellt. Allerdings „ist das nicht einfach ein Gefühl, sondern Wirklichkeit“, betont Christine Bühler, Präsidentin des schweizerischen Landfrauenverbandes. Sie berichtet von einem Seminar, das im letzten Winter vom Geographischen Institut der Universität Bern veranstaltet wurde. Dort wurde nachgewiesen, dass in der Schweiz, in Deutschland und auch in Österreich die schönen grossen Bauernhöfe von den Söhnen übernommen werden, die kleineren, schlechter gelegenen und wenig rentablen Betriebe indessen von den Töchtern. In der traditionellen Landwirtschaft werden die Frauen nur als „Krampferinnen“ ernst genommen.

 
Belastende Bedingungen
 
Aufgrund der wirtschaftlichen Situation sind die Frauen in der Landwirtschaft oft gezwungen, einem Nebenerwerb nachzugehen, um ihrer Familie ein anständiges Leben zu ermöglichen und die Ausbildung der Kinder mit zu finanzieren. Damit tragen sie eine dreifache Last auf ihren Schultern, sagt Christine Bühler. Sie sind für ihre Familie da, helfen im Betrieb – in 75% aller Fälle sind es die Ehefrauen welche für die Buchhaltung des Betriebs besorgt sind – und sie gehen dazu noch einer Arbeit nach. Im Bericht des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) stellt man fest, dass die Landfrauen überdurchschnittlich unter gesundheitlichen Problemen zu leiden haben. Es sind nicht nur Rücken- und Nierenschäden, sondern in vielen Fällen auch schwere psychische Erkrankungen zu verzeichnen.
(Vgl. www.Bundespublikationen.admin.ch).

 
Betriebsertrag
 
Zum Bericht des BLW stellt Christine Bühler fest, dass er sich hinsichtlich des Einkommens nur auf den Betriebsertrag, das Nebenerwerbseinkommen und das Familieneinkommen bezieht. In dieser Statistik wird das persönliche Einkommen der Ehefrau aufgrund auswärtiger Arbeit nirgends aufgeführt, sondern einfach dem Nebenerwerbseinkommen zugeschlagen. Denn unter dem Nebenerwerbseinkommen versteht man in erster Linie die Nebeneinkünfte des Bauern, wenn er während der Wintermonate zum Beispiel als Chauffeur arbeitet. Sogar in der offiziellen Landwirtschaftsstatistik hat der Nebenerwerb der Landfrau keinen eigenständigen Wert. Christine Bühler weist allerdings darauf hin, dass seit 2002 das Nebenerwerbseinkommen in der Landwirtschaft ansteigt, wie dies auch im Bericht ausgewiesen wird. Betrug 2002 das durchschnittliche Nebenerwerbseinkommen noch 19‘725 CHF, so stieg es auf 24‘711 CHF im Jahr 2009 an, was einer Erhöhung um 5,2% entspricht. Aufschlussreich ist es auch, dass sich die durchschnittlichen ausserlandwirtschaftlichen Einkommen in den verschiedenen Zonen ähnlich sind: im Mittelland 26‘565 CHF, im Hügelgebiet (Emmental) 27‘049 CHF und in der Bergregion 24‘711 CHF.
 
Schliesslich bedauert die Präsidentin des Landfrauenverbandes, dass sich landwirtschaftliche Statistiken und Prognosen immer auf die rentabelsten Betriebe beziehen.  Wenn der durchschnittliche Betriebsertrag bezogen auf eine arbeitende Person pro Jahr 39‘297 CHF beträgt, so lautet das tiefste Einkommen  14‘769 und das höchste 65‘757 CHF (in den Jahren 2007 – 2009). Wenn das BLW, so erläutert Christine Bühler weiter, sich nur auf die ertragreichsten Betriebe stützt, entstehen damit allzu optimistische Statistiken. „Die übrigen Betriebe sind von der Statistik vergessen, sie werden verschwinden.“

 
Forderungen
 
Die Lebensbedingungen der Landfrauen sind einem reichen Land, wie es die Schweiz darstellt, unwürdig. Sie müssen rasch verbessert werden. Aber wie? Für Christine Bühler hat die Verbesserung der sozialen Sicherheit erste Priorität. Eine Landfrau muss eine eigenständige AHV-Rente erhalten und dies bedeutet, dass sie – im Sinne eines Obligatoriums - eigenständige Beiträge an die AHV entrichtet. Der landwirtschaftliche Betrieb muss der Landfrau einen Lohn entrichten oder sie teilt sich den Betriebsertrag mit dem Bauern auf der Basis eines Vertrags. Im Fall einer Scheidung ist die Landfrau stark benachteiligt. Der Mann ist nicht verpflichtet, den Hof zu teilen, sondern nur die gemeinsam erworbenen Güter. Damit kann die Frau nach der Scheidung mit leeren Händen dastehen. Christine Bühler berichtet von einer Landfrau, die über ihren Nebenerwerb 100‘000 Franken zusammengespart hatte. Damit wurde ein Traktor angeschafft. Als es 10 Jahre später zur Scheidung kam, war der Traktor amortisiert und die Frau erhielt keinen Franken mehr. So etwas kann auch mit anderen „gemeinsam“ erworbenen Gütern passieren. „Das Fraueneinkommen schmilzt dann wie der Schnee in der Frühlingssonne“, stellt Christine Bühler fest.
 
Ein weiteres Problem sind gemäss der Landfrauen-Präsidentin die in der Landwirtschaft zur Mode gewordenen Leasing-Verträge. An einer Landwirtschaftsmesse unterschreibt ein Bauer, nachdem er ein paar Gläser getrunken hat, einen Vertrag. Damit wird die Familie während Jahren belastet. Die Unterschrift der Landfrau unter solche Leasing-Verträge - z.B. für einen Mähdrescher dauert das Leasing 10 Jahre - ist zwingend. Denn die ganze Familie ist von einer solchen Verpflichtung betroffen.  Wann werden wohl diese berechtigten Forderungen erfüllt werden? 

Quelle: Mediendienst «Hälfte» www.haelfte.ch