Irgendwie schon tot, die Dörfer von heute: geschlossene Geschäfte mit verdorrten Blumen im Schaufenster, vielleicht ein paar Alte, die einander von ihren Krankheiten erzählen, eine Migros, ein Coop mit Möchtegern-Geländewagen auf dem Parkplatz. Das Leben ist entweder vorbei oder hat noch gar nicht begonnen.

Der Begriff der befreienden Stadtluft stammt zwar aus dem Mittelalter, als die Bürger der Städte eben frei und nicht Leibeigene waren. Aber er stimmt noch heute. In der Stadt kann ich sein, wer ich bin und leben wie ich möchte. Auf dem Land stehe ich unter ständiger Aufsicht. Hast du gesehen? Hast du gehört? Schau dir mal den an! Einander kennen ist ja gut und recht. Aber einander kontrollieren? So kann man nicht Mensch sein, bestenfalls vereinzeltes Herdentier. Dazu passt der Gestank, der von der Schweinezucht herüberweht. Die einen liegen im eigenen Dreck, die anderen suhlen sich in ihrer gedanklichen Enge.

Abends sitzen sie dann vor dem Fernseher, gaukeln sich mit «SF bi de Lüt» oder dem Musikantenstadel ein heiles Dorfleben vor, während sich die Blick-Leser in der Dorfbeiz von einer verlorenen Slawin Schnipo servieren lassen und die neueste Sau durchs Dorf treiben. Das ist Dorfkultur auf dem Niveau von Altersgymnastik mit einem Schuss Testosteron aus einer vergessenen Packung.

Da lobe ich mir den weiten Horizont der Stadt mit Hochkultur und Avantgarde, multikulti, intelligent, anregend, wo alle das Ihre finden und sich nicht verbiegen müssen. Ok, die Dichte ist manchmal schon stressig; aber das ist der Preis der Freiheit, die alle wollen. Sollen sie doch aufs Land, Moskau/SH einfach, wenn es ihnen nicht passt. Übrigens: Moskau ist ein Ortsteil von Ramsen im Kanton Schaffhausen. Es hat dort eine Imbissbude, eine Zollstation und drei Tankstellen – genügend Benzin, um sofort abzuhauen.     

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Der Autor schreibt unter einem Pseudonym.
Die Gegenposition finden Sie hier.

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