Autoritäre Reflexe in der Coronakrise

Corona bestätigt die traditionellen Vorurteile gegenüber autoritären Rechten: Die Krankheit ist fremd, bedrohlich und stammt aus dem Ausland.

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Der deutsche Philosoph und Autor Philipp Hübl befürchtet, dass die Coronakrise den autoritären Rechten wieder einen Nährboden bieten könnte. Infektionsängste und Ekelgefühle lösten ins uns allen reflexartige Abgrenzungswünsche aus. Um diese Krise solidarisch zu bewältigen, müssten wir daher ganz bewusst gegensteuern, sagt Hübl in einem Gespräch dem Webzine Nicolai.

Zwischen dem Virus und rechtem Denken besteht ein noch tieferer und gefährlicher Zusammenhang: Seit Jahrtausenden werten Menschen die Mitglieder anderer Gruppen oder Stämme ab, indem sie sie als infektiös und ekelhaft darstellen.

Infektionsängste machen Menschen anfällig für Rassismus und andere Formen von Fremdenfeindlichkeit, wie die Studien des Psychologieprofessors Mark Schaller von der University of British Columbia (Kanada) und des Sozialpsychologen Justin H. Park von der Universität Bristol (England) zeigen: «Es konnten viele provokative Implikationen (Zusammenhänge) gezeigt werden: Für die Erfahrung von Ekel, für Extraversion und soziale Interaktion, für Fremdenfeindlichkeit und andere Vorurteile und für die Ursprünge kultureller Unterschiede», so Schaller.

Schon die Nazis hetzten mit der geschürten Angst vor Seuchen gegen Juden. Sie verstärkten die Infektions-Abscheu der Bevölkerung gegen sie, um so den systematischen Massenmord vorzubereiten. Joseph Goebbels Narrative der «Parasiten» und «Bazillen» sind so abscheulich, dass man sie gar nicht verwenden will. Doch diese Angstbilder waren schon Jahrzehnte im Umlauf und wurden nicht von den Nationalsozialisten erfunden. Aber sie wurden durch deren Propaganda erweitert und systematisiert. Auch wenn es sich um einen Extremfall der Geschichte handelt, muss man in Zeiten von Pandemiekrisen gegenüber solchen Reflexen besonders vorsichtig sein. Sieht man doch in der jetzigen Zeit vermehrt wieder unschöne Narrative wie: «Covidioten» oder «Corona-Leugner», die genau solchen Reflexen Nahrung geben könnten.

Einige sehen die Coronakrise als historische Chance für eine Phase des Gemeinwohls und des Miteinanders. Ja, es gibt auch viele schöne Beispiele der spontanen Solidarität: Einkaufshilfen für Senioren, Hilfe bei der Kinderbetreuung, Organisieren von Online-Veranstaltungen und viele mehr. Doch ein durch Zwänge von aussen entstandener Kollektivismus ist immer ein zweischneidiges Schwert.

14. August 2020
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