Die Macht der Zahlen hinterfragt

In einem öffentlichen Fachgespräch hat das Zentrum für Technikfolgen-Abschätzung TA-SWISS seine neueste Studie vorgestellt. Sie befasst sich mit dem zunehmenden Einsatz von Indikatoren, die verwendet werden, um gesellschaftliche Erscheinungen zu erheben und zu steuern. Die lebhafte Diskussion, die sich unter Fachleuten aus den Bereichen Statistik, Bildungs forschung, Gesundheit und Finanzen und mit Anwendern aus der Politik entspann, unterstreicht die Aktualität des Themas.

Zensuren und Rangierungen sind nicht nur in Schule und Ausbildung ein Thema, sondern vermögen mitunter ganze Volkswirtschaften ins Trudeln zu bringen: Nachdem die Rating-Agentur Fitch die Kreditwürdigkeit von Griechenland und Spanien herabgestuft hatte, sackte der Euro weiter ab, und unter den Währungshütern kam Hektik auf.


In der öffentlichen Wahrnehmung finden Zahlen und Ranglisten grosse Aufmerksamkeit: Was mit Messdaten unterlegt ist, gilt als objektiv und glaubwürdig. Längst werden nicht mehr bloss physikalische Erscheinungen wie Niederschlagsmenge oder Temperatur erhoben. Auch gesellschaftliche Phänomene werden quantifiziert, und ganze Indikatoren systeme werden zu Modellen der Realität zusammengefügt.

TA-SWISS hat sich in seiner neuesten Studie mit Indikatoren und den damit operierenden Entscheidungssystemen auseinander gesetzt. Durchgeführt wurde die Untersuchung vom Büro für Politikstudien INTERFACE, das die Thematik anhand der beiden Fallbeispiele Bildung und Nachhaltigkeit auslotete.

Fallstricke, die es zu vermeiden gilt
In seiner Präsentation zeigte Stefan Rieder vom Büro für Politikstudien INTERFACE auf, welche Vorteile von Indikatoren gezogen werden können. So vermögen sie vielschichtige Zusammenhänge relativ einfach abzubilden und zu vermitteln. Indikatoren können aber auch dazu dienen, Sachverhalte zu verschleiern, etwa wenn der Entstehungszusammen hang der Indikatoren verschwiegen wird. Diese Zweischneidigkeit ist denn auch einer ihrer grundlegenden Wesenszüge. Dass möglichst vollständig über die jeweiligen Indikatoren informiert wird und beispielsweise auch allfällige Mängel zur Sprache kommen, ist daher ein Muss. Als besonders wichtig erachtet es der Politologe, dass der Bezugsrahmen von Indikatoren geklärt wird: Wenn sie verwendet werden sollen, um zu überprüfen, ob bestimmte Zielgrössen erreicht werden (Controlling), müssen sie andere Voraussetzungen erfüllen, als wenn es darum geht, eine Entwicklung zu verfolgen (Monitoring) oder die Auswirkungen bestimmter Interventionen und Massnahmen zu erheben (Evaluation).

Die Aufmerksamkeit für Gütekriterien schärfen
In der Schweiz bekennt sich die öffentliche Statistik seit langem zu den in der Studie von TA-SWISS formulierten Gütekriterien für Indikatoren. Dennoch herrschte im Fachpublikum Einigkeit darüber, dass die Diskussion um die korrekte Planung, Erhebung und Verwen dung von Indikatoren in weitere Kreise getragen werden muss: Daten werden nicht nur von geschulten Statistikfachleuten erhoben, auch die Anwenderinnen und Anwender sollten über das Rüstzeug verfügen, um Indikatoren in ihrer Aussagekraft kritisch zu hinterfragen. Hervorgehoben wurde auch die grosse Bedeutung der Kommunikation: Wenn Daten öffentlich sind, kann nie ausgeschlossen werden, dass Dritte sich ihrer auf zweckgefärbte Art bedienen, um der eigenen Argumentation Nachdruck zu verleihen. Die Möglichkeiten eines allfälligen Missbrauchs gilt es, schon frühzeitig in die Kommunikationsplanung einzubeziehen.

Neue Publikationen:

Studie: Messen, werten, steuern. Indikatoren – Entstehung und Nutzung in der Politik. Ruth Feller-Länzlinger, Stefan Rieder, Martin Biebricher, Karl Weber. TA-SWISS (Hrsg.). Bern 2010. (pdf)

Kurzfassung (pdf): Total vermessen. Zählen, berechnen und steuern in der Wissensgesellschaft. Kurzfassung der Studie von TA-SWISS, «Messen, werten, steuern. Indikatoren – Entstehung und Nutzung in der Politik.», TA-SWISS (Hrsg.). Bern 2010.

http://ta-swiss.ch/d/index.html
16. Juni 2010
von: