Die Strategie des neusten Währungskrieges

Wenn an einem Tag ein Begriff auf den Frontseiten aller wichtigen Medien auftaucht, dann weiss man als erstes: Hier sind Experten am Werk, die genau wissen, was sie tun. Das heisst allerdings nicht, dass wir es auch wissen. Im Gegenteil: Die Gefahr ist besonders gross, einem beabsichtigten, irreführenden Eindruck zum Opfer zu fallen. Das ist die grosse Kunst der politischen Begriffe. Wir sollen, um nur ein Beispiel zu nennen, «Kollateralschäden» hören und dabei die verblutenden Frauen und verstümmelten Kinder nicht sehen. (Mehr zur Kunst der politischen Begriffe 1)

Der Begriff des Tages ist also der drohende «Währungskrieg». Zunächst: Währungskrieg herrscht schon seit einiger Zeit, spätestens seit der Griechenland- und Euro-Krise, in schwächerer Intensität aber schon vorher.

Wenn jetzt von den Chefs der Bretton-Woods-Institutionen, Robert Zoellick (Weltbank) und Dominique Strauss-Kahn (Int. Währungsfonds IWF) der Währungskrieg erklärt wird, dann ist dies folglich nicht eine Feststellung über den Zustand des weltweiten Finanzsystems, sondern Ausdruck einer Absicht. Was können die beiden wollen, dass sie ausgerechnet jetzt den Begriff lancieren?

Krieg ist ein ausserordentlicher Zustand, der ausserordentliche Massnahmen erfordert, in der Regel jenseits der Grenze geltender Regeln. Man darf also davon ausgehen, dass sie etwas wollen, das sie unter regulären Bedingungen nicht erhalten würden. Sondervollmachten? Ein finanzielles Ermächtigungsgesetz? Die Gelegenheit wäre günstig. Am nächsten Wochenende findet die Jahresversammlung des IWF statt. Die Traktanden liegen fest, die Delegationen sind vorbereitet. Da käme die Erklärung eines Währungskrieges doch sehr passend, um noch etwas reinzudrücken, das die Teilnehmer auf dem linken Bein erwischt. Wenn es um eine seriöse Aufarbeitung des «Währungskrieges» gegangen wäre, hätte man diesen Krieg früher erklären können und müssen. Aber das wird wohl kaum die Absicht gewesen sein.


Wer ist denn eigentlich der Absender dieser Kriegserklärung? Zoellick und Strauss-Kahn sind zwar recht hoch gestellt in der internationalen Hierarchie, aber doch nicht hoch genug, einen Krieg anzuzetteln. Wenn sie es trotzdem tun, dann im Auftrag ihrer Dienstherren, der US-amerikanischen Finanzoligarchie. Dass es sich um eine gezielte Platzierung des Begriffs handelt, zeigt schon die Tatsache, dass sie beide denselben Begriff gebrauchten. Man hätte auch von «Spannungen», «Interessenskonflikten» oder einfach von «Problemen» sprechen können. Hat man aber nicht!


Diese Finanzoligarchie, die Herren über den Dollar, führen schon seit geraumer Zeit einen Währungskrieg, der, wenn er nicht mit legalen Mitteln zu gewinnen ist, auch mit echten Bomben geführt wird. Der Irak zum Beispiel, erdreistete sich, Öl gegen Euro anstatt der OPEC-Monopolwährung Dollar zu verkaufen. (Der Iran übrigens auch.) Das letzte Scharmützel dieses versteckten Währungskrieges war die Griechenlandkrise, ausgelöst durch eine Herunterstufung der griechischen Anleihen durch angloamerikanische Rating-Agenturen. Sie drückten den berühmten roten Knopf, den sie mit ebenso guten Gründen auch bei sieben anderen Ländern hätten drücken können, u.a. auch bei den USA. Die Griechenlandkrise und die darauffolgende Eurokrise lenkten von den Problemen des Dollars ab, die Investoren bevorzugten wieder den Dollar gegenüber dem Euro und der Wertzerfall des Greenback konnte kurzfristig gestoppt werden. Die Antwort der Europäer, ein teurer Schutzschirm und ein rigoroser Sparkurs, lenkten die Aufmerksamkeit dann wieder auf die Schwierigkeiten des Dollars. Und die sind enorm. Das Problem der Amerikaner besteht darin, dass sie ihre astronomischen Defizite mit Anleihen finanzieren müssen, die niemand mehr kaufen will, weil ihr Wertzusammenbruch bevorsteht. Natürlich darf der Rest der Finanzwelt nicht laut sagen, dass der Dollar nichts mehr wert ist, weil sie damit ihre eigenen Dollaranleihen (allein China besitzt welche im Wert von rund zwei Billionen) entwerten würden.
Deshalb wurde der Währungskrieg bis jetzt unter der Wahrnehmungsschwelle geführt. Niemand sollte ahnen, dass Ungeheuerliches im Gange war.


Wenn jetzt also zwei Sprachrohre der Amerikaner den Währungskrieg offiziell eröffnen, kann man zweierlei ableiten:
• Die Amerikaner sind in so grosser Bedrängnis, dass ihre «legalen» Mittel erschöpft sind.
• Sie brauchen, wenn sie einigermassen heil über die Runden kommen wollen, die Unterstützung von Verbündeten.
Möglicherweise steht sogar die Einführung einer neuen Weltwährung, eines Korbs verschiedener Währungen als globaler Recheneinheit zur Diskussion.
Das ist nicht abwegig. Erstens haben die BRIC-Länder (Brasilien, Russland, Indien und China) an ihrer letzten Gipfelkonferenz, über das die westlichen Medien kaum ein Wort verloren (die USA waren nicht einmal als Beobachter eingeladen), darüber gesprochen. Und zweitens beginnt schon die Privatwirtschaft, sich nach den neuen Herren zu orientieren. Am 20. August platzierte das uramerikanische Unternehmen McDonalds eine erste Anleihe über 200 Mio. Yuan (29 Mio. Dollar) 2
Das ist fast nichts, aber es ist ein bedeutsamer Anfang.

Was könnten die mittelfristigen Ziele der amerikanischen Finanzoligarchie sein? Da beginnt natürlich die blanke Spekulation, nicht zuletzt auch deshalb, weil die Entwicklung der Finanzmärkte seit Ausbruch der Krise gezeigt hat, dass auf normale Indikatoren kein Verlass mehr ist und mit Vernunft allein das Verhalten bedrängter und korrupter Finanzhaie nicht vorherzusagen ist.
Wenn ich der Strategieverantwortliche der der US-Finanzoligarchie wäre, würde ich Folgendes vorschlagen.
• Keil zwischen die Gegner treiben, d.h. zwischen alle Besitzer von substanziellen Dollar-Reserven
• Eine falsche Front eröffnen, z.B. über ein Wachstumspaket mit internationaler Beteiligung diskutieren, das eh nichts nützen wird, zum Beispiel im Rahmen des IWF, dem die Mittel dazu fehlen, es sei denn, sie würden gewaltig aufgestockt.
• Einen Überraschungscoup landen und eine «Lösung» für das Problem der Gegner präsentieren, die vor allem mir nützt.

Mehr kann ich Ihnen im Moment leider nicht sagen. Es herrscht schliesslich Währungskrieg und damit erhöhte Geheimhaltung.

1: http://www.zeitpunkt.ch/index.php?id=5&tx_ttnews[tt_news]=39&tx_ttnews[backPid]=6&cHash=5bc6bc49f2


2. http://www.businessweek.com/news/2010-08-20/mcdonald-s-yuan-bonds-set-benchmark-for-china-credit-markets.html
08. Oktober 2010
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