Europa auf dem Weg zum Imperium
Ähnliche Probleme wie das heutige Europa hatten schon die alten Römer. Die Lösung war damals die Alleinherrschaft von Kaiser Augustus. Droht uns dasselbe Schicksal?
Im alten Rom erkennt der belgische Historiker David Engels Kräfte, die auch im gegenwärtigen Europa wirken: Reformstau, der bewusste Verzicht auf Kinder sowie die schrankenlose Verherrlichung des Individuums und der persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten, denen die Familie als Archetyp kultureller Solidarität zum Opfer fällt.
Da die europäischen Eliten heute weder den Mut noch die Macht besitzen, adäquate und langfristige Reformen in Gang zu setzen, wird Europa seine Probleme – wie der spätrepublikanische römische Senat – mit offenen Augen in homöopathischen Dosen behandeln, so lange, bis es zu spät ist und in 30 Jahren nicht nur der wirtschaftliche, sondern auch der ideelle Bankrott Europas Tatsache ist. Für Engels sind die Analogien zwischen dem Europa der Brüsseler Eurokraten und der römischen Senatsoligarchie klar: Sie führen zum Imperium.
Wo liegen die Grenzen der Toleranz? Sollen wir dem Kosovaren, der seine Tochter mit dem Tod bedroht, weil sie sich nicht seinem archaischen Machtanspruch als Familienoberhaupt beugt, mildernde Umstände gewähren? Oder soll ihn doch das Schweizer Gesetz mit aller Kraft treffen? In Europa mit seiner Schuldkultur gegenüber jedem und allem herrscht heute eine fast uneingeschränkte Toleranz. Gleichzeitig schwindet in Zeiten, in denen das Christentum nach Belieben beschimpft werden darf, während die Islamkritik zur Straftat wird, die Identifizierung mit der eigenen Kultur. Der europäische Kulturmasochismus stuft heute das Fremde gegenüber dem Eigenen höher ein. Als Folge breitet sich bei den Verlierern dieser Entwicklung zu einem europäischen Pluralismus und dem Verschwinden einer europäischen Leitkultur Fremdenfeindlichkeit aus.
David Engels spricht vom allmählichen Verlust des Gefühls für die gesunde Mitte, der Idealisierung des wie auch immer gearteten Anderen und der Diktatur des politisch Korrekten. Dies alles führt seiner Meinung nach eher zur Aufrechterhaltung des Status quo als zu dessen dynamischer Weiterentwicklung. Ein Phänomen, das man nicht zuletzt auch in der Verwaltung und jedem Konzern ab einer gewissen Grösse beobachten kann.
Im spätrepublikanischen Rom mündete der Gegensatz zwischen der verarmten Volksmasse und einer sich jeder demokratischen Kontrolle entziehenden und nur auf die eigenen Vorteile bedachten Oligarchie in eine Dauerkrise. Erst Augustus stellte mit der Monarchie wieder eine Ordnung her. Dabei liess er sich regelmässig plebiszitär legitimieren und gewann ausreichend Spielraum zu langfristigen Planungen. Um weiteren Bürgerkriegen vorzubeugen, gestand er den technokratischen Eliten ein gewisses Mass an Macht und Autonomie zu.
Als Kritiker Europas ist David Engels ein Bruder im Geiste Leopold Kohrs, des Philosophen des Kleinen und eines der originellsten Kritiker aller grossen Einheiten. Schon 1941 schlug er eine Aufteilung aller europäischen Grossmächte in ihre ursprünglichen historischen Landschaften als einzige mögliche Friedens- und Einigungsbasis einer Paneuropäischen Union vor.
So weit geht Engels nicht. Aber er zeichnet ein Szenario, an dessen Ende die EU als autoritärer «Superstaat» steht, wie ihn die Briten befürchten, und der sich immer mehr in die Belange der Mitgliedsstaaten einmischt.
Im Zeitalter, in dem ganze Staaten bereits von Brüsseler Statthaltern regiert werden, nur noch rund ein Viertel der Europäer ihren Regierungen und Parlamenten vertraut und ein Finanzinstitut wie JP Morgan offen den Abbau demokratischer Grundrechte fordert, ist der Weg dahin nicht mehr weit. Laut Umfragen rufen schon heute fast die Hälfte der Engländer und Franzosen sowie zwei Drittel der Portugiesen und Ungarn nach einem «starken Mann», der sich nicht um demokratische Institutionen schert.
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David Engels: Auf dem Weg ins Imperium – Die Krise der Europäischen Union und der Untergang der römischen Republik. Historische Parallelen. Europa-Verlag Berlin.
Leopold Kohr: Das Ende der Grossen – Zurück zum menschlichen Mass. Leopold Kohr Akademie, Neukirchen.
Da die europäischen Eliten heute weder den Mut noch die Macht besitzen, adäquate und langfristige Reformen in Gang zu setzen, wird Europa seine Probleme – wie der spätrepublikanische römische Senat – mit offenen Augen in homöopathischen Dosen behandeln, so lange, bis es zu spät ist und in 30 Jahren nicht nur der wirtschaftliche, sondern auch der ideelle Bankrott Europas Tatsache ist. Für Engels sind die Analogien zwischen dem Europa der Brüsseler Eurokraten und der römischen Senatsoligarchie klar: Sie führen zum Imperium.
Wo liegen die Grenzen der Toleranz? Sollen wir dem Kosovaren, der seine Tochter mit dem Tod bedroht, weil sie sich nicht seinem archaischen Machtanspruch als Familienoberhaupt beugt, mildernde Umstände gewähren? Oder soll ihn doch das Schweizer Gesetz mit aller Kraft treffen? In Europa mit seiner Schuldkultur gegenüber jedem und allem herrscht heute eine fast uneingeschränkte Toleranz. Gleichzeitig schwindet in Zeiten, in denen das Christentum nach Belieben beschimpft werden darf, während die Islamkritik zur Straftat wird, die Identifizierung mit der eigenen Kultur. Der europäische Kulturmasochismus stuft heute das Fremde gegenüber dem Eigenen höher ein. Als Folge breitet sich bei den Verlierern dieser Entwicklung zu einem europäischen Pluralismus und dem Verschwinden einer europäischen Leitkultur Fremdenfeindlichkeit aus.
David Engels spricht vom allmählichen Verlust des Gefühls für die gesunde Mitte, der Idealisierung des wie auch immer gearteten Anderen und der Diktatur des politisch Korrekten. Dies alles führt seiner Meinung nach eher zur Aufrechterhaltung des Status quo als zu dessen dynamischer Weiterentwicklung. Ein Phänomen, das man nicht zuletzt auch in der Verwaltung und jedem Konzern ab einer gewissen Grösse beobachten kann.
Im spätrepublikanischen Rom mündete der Gegensatz zwischen der verarmten Volksmasse und einer sich jeder demokratischen Kontrolle entziehenden und nur auf die eigenen Vorteile bedachten Oligarchie in eine Dauerkrise. Erst Augustus stellte mit der Monarchie wieder eine Ordnung her. Dabei liess er sich regelmässig plebiszitär legitimieren und gewann ausreichend Spielraum zu langfristigen Planungen. Um weiteren Bürgerkriegen vorzubeugen, gestand er den technokratischen Eliten ein gewisses Mass an Macht und Autonomie zu.
Als Kritiker Europas ist David Engels ein Bruder im Geiste Leopold Kohrs, des Philosophen des Kleinen und eines der originellsten Kritiker aller grossen Einheiten. Schon 1941 schlug er eine Aufteilung aller europäischen Grossmächte in ihre ursprünglichen historischen Landschaften als einzige mögliche Friedens- und Einigungsbasis einer Paneuropäischen Union vor.
So weit geht Engels nicht. Aber er zeichnet ein Szenario, an dessen Ende die EU als autoritärer «Superstaat» steht, wie ihn die Briten befürchten, und der sich immer mehr in die Belange der Mitgliedsstaaten einmischt.
Im Zeitalter, in dem ganze Staaten bereits von Brüsseler Statthaltern regiert werden, nur noch rund ein Viertel der Europäer ihren Regierungen und Parlamenten vertraut und ein Finanzinstitut wie JP Morgan offen den Abbau demokratischer Grundrechte fordert, ist der Weg dahin nicht mehr weit. Laut Umfragen rufen schon heute fast die Hälfte der Engländer und Franzosen sowie zwei Drittel der Portugiesen und Ungarn nach einem «starken Mann», der sich nicht um demokratische Institutionen schert.
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David Engels: Auf dem Weg ins Imperium – Die Krise der Europäischen Union und der Untergang der römischen Republik. Historische Parallelen. Europa-Verlag Berlin.
Leopold Kohr: Das Ende der Grossen – Zurück zum menschlichen Mass. Leopold Kohr Akademie, Neukirchen.
26. Februar 2015
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