Gebt den Frauen das Geld - und sie werden die Welt verändern!
Ein Plädoyer – für eine ganz andere Politik in der Dritten Welt
Ein sehr frisches Buch, von Sabine Kuegler in einer Sprache geschrieben, die alle verstehen. Ganz besonders eindrucksvoll bei der Lektüre: Es kommen die Modeworte und die übliche Modesemantik der Entwicklungspolitik nicht ein einziges Mal vor. Was für eine Erholung: An keiner Stelle das Modewort Nachhaltigkeit, keine Gender-Fragen, keine Empowerments und Capacity Building Turnübungen.
Die Autorin schreibt, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Sie kommt aus einer Kindheit, die sie schon früh mit der ganz anderen Welt zusammenbringt: Dem ländlichen Milieu. Sie verrät nicht, mit welcher Missionsgesellschaft (was ich vermute) oder Organisation sie nach West Papua zu dem Stamm der Fayu gekommen ist. Ich vermute, es war eine Kirche, weil die kirchlichen Missionen den Ehrgeiz bewahrt haben, sich den einfachen, ärmlichen, manchmal Hunger-Bedingungen der Menschen in den abgerissenen Dörfern anzuschmiegen und sich nicht immer wie die Tarifkönige aus Europa auf die Ansprüche des westlichen Luxus versteift haben.
Ob sie Geschichten aus Indien, Kenya oder anderen ärmeren Regionen hört, im Grunde sei es überall wie bei dem Stamm der Danuwa Rai in Nepal (wo die Autorin geboren ist) oder wie bei den Fayu in West-Papua (wo sie bis zum Alter von 17 Jahren gelebt hat und ihre Prägung bekommen hat): „Die Männer palavern, die Frauen rackern sich ab. Wenn die Männer einmal ein wenig Geld in die Hände bekommen, so denken die meisten als Erstes an sich selbst“. Die Männer beginnen fast alle ihre Sätze mit „ich“. Die Frauen zumal in den armen Ländern denken immer und beginnen ihre Sätze mit „wir“.
Sie belegt das alles mit ganz konkreten Beispielen und sehr einfühlsamen Bildern. Diese Frau macht offenbar alles richtig, weil ihre Eltern schon alles richtig gemacht haben. Die Autorin macht keine Evaluationen oder Studien, sie geht nicht als Konsultant höchstbezahlt und damit schon wieder schwer abgehoben durch diese Länder.
Und sie schreibt wirklich so, dass man wieder Mut bekommt. Sie hat als Jugendliche erlebt, wie die Fayu ihren Männerwahn ablegten. Warum? Die Eltern haben dort als Vorbild gelebt, sie wurden beobachtet. Hass und Rache wurden aufgegeben.
Die Fayu konnten vor der gegenseitigen Ausrottung bewahrt werden (es waren nur noch 400 im Stamm) nicht durch Worte, sondern durch das Vorbild Ihrer Eltern. „Auf einen Mann, der seine Frau und seine Kinder nicht schlug, waren sie noch niemals gestossen – genauso wenig wie auf eine Frau, die selbstbewusst ihre eigene Meinung vertrat“.
Das Buch ist eine flammende Programm- und Unterstützerschrift für die Grameen Bank von Mohammed Yunus. Das hat die Autorin so überzeugt, dass sie nicht müde wird, das auch für einige afrikanische Länder anzuempfehlen.
Sie beweist neben Ihrer überwältigenden Begeisterung auch nüchternen Realitätssinn. Es gibt den – wie sie es nennt –„afrikanischen Faktor“ (um das Wort „Mentalität“ zu vermeiden, was an Gene und damit Nichtänderbarkeit erinnert). Das ist die kulturelle Besonderheit des Kontinents. Das bedeutet, man darf die Erfolge oder Misserfolge der Mikrokreditprozesse nicht so messen wie in Lateinamerika und Asien. Afrika hat schwer an magischen Vorstellungen, Geistern in der Natur, Verhexungen usw zu leiden, die sich nicht so schnell abbauen, wie wir das möchten.
Und sie beschreibt ein Hauptübel auf dem Weg zu effektiven ökonomischen Bedingungen in afrikanischen Gesellschaften. Sobald nämlich das Mitglied einer Familie es zu einem bescheidenen Einkommen geschafft hat, ist es verpflichtet, auch den anderen Familienangehörigen, die schlechter gestellt sind oder manchmal einfach faul sind, unter die Arme zu greifen. Diese „condition africaine“ kann den Drang des Einzelnen durchaus hemmen. Dazu kommt noch, dass man als Europäer nicht einmal ahnt, wie gross eine Familie in Afrika werden kann, wenn einer das grosse Los gezogen hat und aus Europa mit Geldern und Geschenken zurückkommt.
Das Kapitel über die Grameen Revolution und den grossen Professor Mohammed Yunus gehört mit zu dem besten, was ich bisher über diese Microkredit Bewegung gelesen habe. Yunus hatte den Mut, alle etablierten Theorien der Ökonomie und Methoden der Kreditvergabe“ über Bord zu schmeissen. Gewöhnlich nennt man so etwas eine Revolution. Und es war auch eine Revolution.
Das Buch will diese Revolution ausweiten. Immer hat die Autorin Recht, wenn sie – ohne einen feministischen Ton zu teilen – darauf verweist, dass diese Revolution mit den Frauen besser zu machen sei als mit den Männern. Dieser Überzeugung ist auch Yunus. Mohammed Yunus wurde beim Evangelischen Kirchentag in Köln 2007 gefragt, was denn schief und schlecht laufe mit den Männern, dass die bei diesen elementaren Gesellschaftsfragen in den Dritte Welt-Ländern so versagten. Darauf antwortete Yunus so ähnlich wie Sabine Kuegler das in ihrem Buch tut: „Nothing is wrong with men, but women are better“.
Sympathisch, dass die Autorin nicht ein Buch für die eigene Organisation gemacht hat, sondern diese Mikrokredit-Bewegung anheizen will, bei der es in Asien, Lateinamerika und nun auch in Afrika den Völkern und Menschen besser gehen kann, wenn man – wie es der Titel sagt – “den Frauen das Geld gibt!”
Sabine Kuegler: Gebt den Frauen das Geld. Sandmann Verlag 2007. 189 S. Geb. Fr. 30.–//Euro 16,95
Rupert Neudeck (*1939) ist promovierter Theologe und Journalist. 1979 gründete er das deutsche Not-Ärzte-Komitee Cap Anamur, das 11500 Boots-Flüchtlinge aus dem südchinesischen Meer rettete. Der mit vielen Preisen geehrte Neudeck ist heute Vorsitzender der Grünhelme.
Die Autorin schreibt, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Sie kommt aus einer Kindheit, die sie schon früh mit der ganz anderen Welt zusammenbringt: Dem ländlichen Milieu. Sie verrät nicht, mit welcher Missionsgesellschaft (was ich vermute) oder Organisation sie nach West Papua zu dem Stamm der Fayu gekommen ist. Ich vermute, es war eine Kirche, weil die kirchlichen Missionen den Ehrgeiz bewahrt haben, sich den einfachen, ärmlichen, manchmal Hunger-Bedingungen der Menschen in den abgerissenen Dörfern anzuschmiegen und sich nicht immer wie die Tarifkönige aus Europa auf die Ansprüche des westlichen Luxus versteift haben.
Ob sie Geschichten aus Indien, Kenya oder anderen ärmeren Regionen hört, im Grunde sei es überall wie bei dem Stamm der Danuwa Rai in Nepal (wo die Autorin geboren ist) oder wie bei den Fayu in West-Papua (wo sie bis zum Alter von 17 Jahren gelebt hat und ihre Prägung bekommen hat): „Die Männer palavern, die Frauen rackern sich ab. Wenn die Männer einmal ein wenig Geld in die Hände bekommen, so denken die meisten als Erstes an sich selbst“. Die Männer beginnen fast alle ihre Sätze mit „ich“. Die Frauen zumal in den armen Ländern denken immer und beginnen ihre Sätze mit „wir“.
Sie belegt das alles mit ganz konkreten Beispielen und sehr einfühlsamen Bildern. Diese Frau macht offenbar alles richtig, weil ihre Eltern schon alles richtig gemacht haben. Die Autorin macht keine Evaluationen oder Studien, sie geht nicht als Konsultant höchstbezahlt und damit schon wieder schwer abgehoben durch diese Länder.
Und sie schreibt wirklich so, dass man wieder Mut bekommt. Sie hat als Jugendliche erlebt, wie die Fayu ihren Männerwahn ablegten. Warum? Die Eltern haben dort als Vorbild gelebt, sie wurden beobachtet. Hass und Rache wurden aufgegeben.
Die Fayu konnten vor der gegenseitigen Ausrottung bewahrt werden (es waren nur noch 400 im Stamm) nicht durch Worte, sondern durch das Vorbild Ihrer Eltern. „Auf einen Mann, der seine Frau und seine Kinder nicht schlug, waren sie noch niemals gestossen – genauso wenig wie auf eine Frau, die selbstbewusst ihre eigene Meinung vertrat“.
Das Buch ist eine flammende Programm- und Unterstützerschrift für die Grameen Bank von Mohammed Yunus. Das hat die Autorin so überzeugt, dass sie nicht müde wird, das auch für einige afrikanische Länder anzuempfehlen.
Sie beweist neben Ihrer überwältigenden Begeisterung auch nüchternen Realitätssinn. Es gibt den – wie sie es nennt –„afrikanischen Faktor“ (um das Wort „Mentalität“ zu vermeiden, was an Gene und damit Nichtänderbarkeit erinnert). Das ist die kulturelle Besonderheit des Kontinents. Das bedeutet, man darf die Erfolge oder Misserfolge der Mikrokreditprozesse nicht so messen wie in Lateinamerika und Asien. Afrika hat schwer an magischen Vorstellungen, Geistern in der Natur, Verhexungen usw zu leiden, die sich nicht so schnell abbauen, wie wir das möchten.
Und sie beschreibt ein Hauptübel auf dem Weg zu effektiven ökonomischen Bedingungen in afrikanischen Gesellschaften. Sobald nämlich das Mitglied einer Familie es zu einem bescheidenen Einkommen geschafft hat, ist es verpflichtet, auch den anderen Familienangehörigen, die schlechter gestellt sind oder manchmal einfach faul sind, unter die Arme zu greifen. Diese „condition africaine“ kann den Drang des Einzelnen durchaus hemmen. Dazu kommt noch, dass man als Europäer nicht einmal ahnt, wie gross eine Familie in Afrika werden kann, wenn einer das grosse Los gezogen hat und aus Europa mit Geldern und Geschenken zurückkommt.
Das Kapitel über die Grameen Revolution und den grossen Professor Mohammed Yunus gehört mit zu dem besten, was ich bisher über diese Microkredit Bewegung gelesen habe. Yunus hatte den Mut, alle etablierten Theorien der Ökonomie und Methoden der Kreditvergabe“ über Bord zu schmeissen. Gewöhnlich nennt man so etwas eine Revolution. Und es war auch eine Revolution.
Das Buch will diese Revolution ausweiten. Immer hat die Autorin Recht, wenn sie – ohne einen feministischen Ton zu teilen – darauf verweist, dass diese Revolution mit den Frauen besser zu machen sei als mit den Männern. Dieser Überzeugung ist auch Yunus. Mohammed Yunus wurde beim Evangelischen Kirchentag in Köln 2007 gefragt, was denn schief und schlecht laufe mit den Männern, dass die bei diesen elementaren Gesellschaftsfragen in den Dritte Welt-Ländern so versagten. Darauf antwortete Yunus so ähnlich wie Sabine Kuegler das in ihrem Buch tut: „Nothing is wrong with men, but women are better“.
Sympathisch, dass die Autorin nicht ein Buch für die eigene Organisation gemacht hat, sondern diese Mikrokredit-Bewegung anheizen will, bei der es in Asien, Lateinamerika und nun auch in Afrika den Völkern und Menschen besser gehen kann, wenn man – wie es der Titel sagt – “den Frauen das Geld gibt!”
Sabine Kuegler: Gebt den Frauen das Geld. Sandmann Verlag 2007. 189 S. Geb. Fr. 30.–//Euro 16,95
Rupert Neudeck (*1939) ist promovierter Theologe und Journalist. 1979 gründete er das deutsche Not-Ärzte-Komitee Cap Anamur, das 11500 Boots-Flüchtlinge aus dem südchinesischen Meer rettete. Der mit vielen Preisen geehrte Neudeck ist heute Vorsitzender der Grünhelme.
06. November 2007
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