Kann man als Nichtjude das Judentum verstehen?
Der Solothurner Wolfgang Salzmann schrieb eine Art Gesamtschau des Judentums.
Ein Interview mit dem Autor
Ein Interview mit dem Autor
Zeitpunkt: Wolfgang Salzmann, unter dem Titel Ihres Buches steht: «Versuch einer Gesamtschau des Judentums aus nichtjüdischer Sicht». Drohte dieser Versuch auch mal zu scheitern und was haben Sie dagegen unternommen?
Wolfgang Salzmann: Der Anspruch, eine Gesamtschau des Judentums vorzulegen, war extrem herausfordernd, weil es etwas derartig Umfassendes, soweit ersichtlich, noch gar nicht gab, insbesondere noch dazu aus der Feder eines Nichtjuden. Der Stoff war immens. Es kamen schon immer wieder Momente, wo man am Gelingen zweifelte, insbesondere auch bei der Behandlung von heiklen Themen wie jüdische Intelligenz oder jüdischer Einfluss. Ich habe dann einige Tage ausgesetzt und alsdann die Arbeit am Buch wieder aufgenommen. Dazu hat mich auch meine Ehefrau immer wieder ermutigt.
Ganz bewusst betonen Sie die nichtjüdische Perspektive, und doch hat man irgendeine. Die als Katholik, Forscher oder Anwalt?
Bücher von Nichtjuden über Juden oder das Judentum sind sehr selten. Der nicht-jüdische Blickwinkel eröffnet andere Perspektiven und kann deshalb sehr interessant und aufschlussreich sein. Beispielsweise kann ich als Katholik die unselige Haltung der christlichen Kirche während Jahrhunderten den Juden gegenüber und die unrühmliche Rolle des Vatikans im Zweiten Weltkrieg unbefangener kommentieren, als dies ein jüdischer Autor könnte.
Als Forscher dürfte der Ansatzpunkt zwischen jüdischem und nichtjüdischem Autor nicht grundverschieden sein.
Soweit möglich wollte ich nicht einfach Tatsachen darlegen, sondern den Ursachen nachgehen. Ein Beispiel: Wie konnte es in einem Kulturland zum größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte kommen? In meinem Buch zeige ich akribisch auf wie das Naziregime die Juden zuerst entrechtlichte und dann entmenschlichte und auf die Stufe von Ungeziefer herabwürdigte, was schlussendlich im Holocaust mündete.
Und aus der Sicht ihres Berufes?
Der Beruf des Anwalts hat wohl keinen wesentlich Einfluss auf die Gestaltung des Buches gehabt; vielleicht wurden einige “Tatsachen” etwas mehr in Frage gestellt als sonst üblich.
Man darf annehmen, dass da und dort kritische Reaktionen über Ihr Buch Sie konfrontieren werden, wie gehen Sie damit um?
Tatsächlich ist dies für mich ein Problem, da ich relativ dünnhäutig bin. Wie ich damit umgehen werde, kann ich jetzt noch nicht beurteilen. Was ich einzig sagen kann ist, dass ich dieses Buch nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben habe und – im Sinne einer Gesamtschau und der Wahrhaftigkeit verpflichtet – auch heiklen Themen nicht ausgewichen bin. Damit sind zwangsläufig verschiedene Angriffsflächen gegeben. Wenn man bei aller Objektivität Tabuthemen behandelt, ist man vor Angriffen mit der Antisemitismuskeule nie gefeit, obgleich der Leser des Buches unschwer erkennen wird, dass ein solcher Vorwurf ungerechtfertigt ist. Strenge christliche Kreise werden diverse Passagen finden, die ihnen wenig Freude bereiten und die Deutschen mögen an der Darstellung der deutschen Kollektivschuld keinen Gefallen finden. Was ich mir sehr erhoffe ist, dass der Leser das ganze Buch liest und würdigt und nicht einzelne Passagen aus dem Zusammenhang reißt und kritisiert.
Mit welchen Kriterien gingen Sie mit dem Quellenmaterial für die Verwendung um? Sammeln von Informationen ist ja das eine, die Selektion das andere, wie gingen Sie vor?
Wie gesagt, habe ich ein umfassendes Archiv angelegt und das Material systematisch nach Themen in Ordnern abgelegt, die im Großen und Ganzen den einzelnen Kapiteln des Buches entsprechen. In gleicher Weise habe ich die umfangreiche Bibliographie bearbeitet, indem ich Zitate oder Zusammenfassungen interessanter Stellen in den Themenordner eingliederte.
Welche Leserschaft möchten Sie mit dem Buch ansprechen?
Ich habe festgestellt und eine kleine Umfrage im weiteren Bekanntenkreis hat bestätigt, dass das Thema Judentum interessiert, aber von vielen Klischees und Vorurteilen überschattet ist. Das Buch richtet sich deshalb an eine Leserschaft, die bereit ist, sich anhand einer umfassenden Information mit dem Judentum auseinanderzusetzen und sich ein eigenes Urteil über dieses außergewöhnliche Volk zu bilden. Das Buch ist nicht wissenschaftlich, sondern flüssig geschrieben und mit vielen Anekdoten versehen, so dass der vertiefte Blick in die faszinierende Welt des Judentums nie langweilig werden sollte.
Mussten Sie während der Recherche und des Verfassens gewisse Meinungen korrigieren?
Nein, im Gegenteil. Vieles hat sich bestätigt, so, wie vorhin erwähnt, der gedankenlose Umgang mit jüdischen Klischees und Vorurteilen oder die rasche Zurhandnahme der Antisemitismuskeule. Wer beispielsweise Israel bzw. dessen Politik kritisiert, wird rasch in die antisemitische Ecke gestellt, womit jede Diskussion zum vorneherein abgeblockt wird.
Noch immer ist es ein heißes Eisen, die aktuelle Tagespolitik der israelischen Staates zu kommentieren und zu kritisieren. Wagen Sie es?
Ja, ich nehme auch zu diesem heiklen Punkt und der teils unwürdigen Behandlung der Palästinenser Stellung. Im Buch werden aber auch die enormen Schwierigkeiten, mit denen sich die israelische Regierung intern konfrontiert sieht, beschrieben, die ein gewisses Verständnis für die Position von Netanjahu nahelegen. Die Regierung steht unter gewaltigem Druck der Ultraorthodoxen und der Siedler, die immer einflussreicher werden und unverhüllt ein Großisrael anstreben. Dies kann jedoch keine Option sein, sondern nur eine echte Zweistaaten-Lösung wird Frieden im Nahen Osten bringen.
Sie sehen die Hauptverantwortung beim Staat Israel?
Dazu sollte Israel als der weitaus stärkere Part Hand bieten bzw. die Initiative ergreifen und nicht jede Unbotmäßigkeit der Palästinenser zum willkommenen Anlass nehmen, weitere Siedlungen zu errichten und faits accomplis zu schaffen. Es wäre zu wünschen, dass die Juden der Diaspora vermehrt Druck auf die israelische Regierung ausübten, damit endlich echte Friedensgespräche zustande kommen.
____________
Wolfgang Salzmann: Das Judentum – Faszination & Mysterium.Versuch einer Gesamtschau des Judentums aus nichtjüdischer Sicht. Rothus-Verlag. 496S. Fr. 52.90/€ 30.98
Wolfgang Salzmann: Der Anspruch, eine Gesamtschau des Judentums vorzulegen, war extrem herausfordernd, weil es etwas derartig Umfassendes, soweit ersichtlich, noch gar nicht gab, insbesondere noch dazu aus der Feder eines Nichtjuden. Der Stoff war immens. Es kamen schon immer wieder Momente, wo man am Gelingen zweifelte, insbesondere auch bei der Behandlung von heiklen Themen wie jüdische Intelligenz oder jüdischer Einfluss. Ich habe dann einige Tage ausgesetzt und alsdann die Arbeit am Buch wieder aufgenommen. Dazu hat mich auch meine Ehefrau immer wieder ermutigt.
Ganz bewusst betonen Sie die nichtjüdische Perspektive, und doch hat man irgendeine. Die als Katholik, Forscher oder Anwalt?
Bücher von Nichtjuden über Juden oder das Judentum sind sehr selten. Der nicht-jüdische Blickwinkel eröffnet andere Perspektiven und kann deshalb sehr interessant und aufschlussreich sein. Beispielsweise kann ich als Katholik die unselige Haltung der christlichen Kirche während Jahrhunderten den Juden gegenüber und die unrühmliche Rolle des Vatikans im Zweiten Weltkrieg unbefangener kommentieren, als dies ein jüdischer Autor könnte.
Als Forscher dürfte der Ansatzpunkt zwischen jüdischem und nichtjüdischem Autor nicht grundverschieden sein.
Soweit möglich wollte ich nicht einfach Tatsachen darlegen, sondern den Ursachen nachgehen. Ein Beispiel: Wie konnte es in einem Kulturland zum größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte kommen? In meinem Buch zeige ich akribisch auf wie das Naziregime die Juden zuerst entrechtlichte und dann entmenschlichte und auf die Stufe von Ungeziefer herabwürdigte, was schlussendlich im Holocaust mündete.
Und aus der Sicht ihres Berufes?
Der Beruf des Anwalts hat wohl keinen wesentlich Einfluss auf die Gestaltung des Buches gehabt; vielleicht wurden einige “Tatsachen” etwas mehr in Frage gestellt als sonst üblich.
Man darf annehmen, dass da und dort kritische Reaktionen über Ihr Buch Sie konfrontieren werden, wie gehen Sie damit um?
Tatsächlich ist dies für mich ein Problem, da ich relativ dünnhäutig bin. Wie ich damit umgehen werde, kann ich jetzt noch nicht beurteilen. Was ich einzig sagen kann ist, dass ich dieses Buch nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben habe und – im Sinne einer Gesamtschau und der Wahrhaftigkeit verpflichtet – auch heiklen Themen nicht ausgewichen bin. Damit sind zwangsläufig verschiedene Angriffsflächen gegeben. Wenn man bei aller Objektivität Tabuthemen behandelt, ist man vor Angriffen mit der Antisemitismuskeule nie gefeit, obgleich der Leser des Buches unschwer erkennen wird, dass ein solcher Vorwurf ungerechtfertigt ist. Strenge christliche Kreise werden diverse Passagen finden, die ihnen wenig Freude bereiten und die Deutschen mögen an der Darstellung der deutschen Kollektivschuld keinen Gefallen finden. Was ich mir sehr erhoffe ist, dass der Leser das ganze Buch liest und würdigt und nicht einzelne Passagen aus dem Zusammenhang reißt und kritisiert.
Mit welchen Kriterien gingen Sie mit dem Quellenmaterial für die Verwendung um? Sammeln von Informationen ist ja das eine, die Selektion das andere, wie gingen Sie vor?
Wie gesagt, habe ich ein umfassendes Archiv angelegt und das Material systematisch nach Themen in Ordnern abgelegt, die im Großen und Ganzen den einzelnen Kapiteln des Buches entsprechen. In gleicher Weise habe ich die umfangreiche Bibliographie bearbeitet, indem ich Zitate oder Zusammenfassungen interessanter Stellen in den Themenordner eingliederte.
Welche Leserschaft möchten Sie mit dem Buch ansprechen?
Ich habe festgestellt und eine kleine Umfrage im weiteren Bekanntenkreis hat bestätigt, dass das Thema Judentum interessiert, aber von vielen Klischees und Vorurteilen überschattet ist. Das Buch richtet sich deshalb an eine Leserschaft, die bereit ist, sich anhand einer umfassenden Information mit dem Judentum auseinanderzusetzen und sich ein eigenes Urteil über dieses außergewöhnliche Volk zu bilden. Das Buch ist nicht wissenschaftlich, sondern flüssig geschrieben und mit vielen Anekdoten versehen, so dass der vertiefte Blick in die faszinierende Welt des Judentums nie langweilig werden sollte.
Mussten Sie während der Recherche und des Verfassens gewisse Meinungen korrigieren?
Nein, im Gegenteil. Vieles hat sich bestätigt, so, wie vorhin erwähnt, der gedankenlose Umgang mit jüdischen Klischees und Vorurteilen oder die rasche Zurhandnahme der Antisemitismuskeule. Wer beispielsweise Israel bzw. dessen Politik kritisiert, wird rasch in die antisemitische Ecke gestellt, womit jede Diskussion zum vorneherein abgeblockt wird.
Noch immer ist es ein heißes Eisen, die aktuelle Tagespolitik der israelischen Staates zu kommentieren und zu kritisieren. Wagen Sie es?
Ja, ich nehme auch zu diesem heiklen Punkt und der teils unwürdigen Behandlung der Palästinenser Stellung. Im Buch werden aber auch die enormen Schwierigkeiten, mit denen sich die israelische Regierung intern konfrontiert sieht, beschrieben, die ein gewisses Verständnis für die Position von Netanjahu nahelegen. Die Regierung steht unter gewaltigem Druck der Ultraorthodoxen und der Siedler, die immer einflussreicher werden und unverhüllt ein Großisrael anstreben. Dies kann jedoch keine Option sein, sondern nur eine echte Zweistaaten-Lösung wird Frieden im Nahen Osten bringen.
Sie sehen die Hauptverantwortung beim Staat Israel?
Dazu sollte Israel als der weitaus stärkere Part Hand bieten bzw. die Initiative ergreifen und nicht jede Unbotmäßigkeit der Palästinenser zum willkommenen Anlass nehmen, weitere Siedlungen zu errichten und faits accomplis zu schaffen. Es wäre zu wünschen, dass die Juden der Diaspora vermehrt Druck auf die israelische Regierung ausübten, damit endlich echte Friedensgespräche zustande kommen.
____________
Wolfgang Salzmann: Das Judentum – Faszination & Mysterium.Versuch einer Gesamtschau des Judentums aus nichtjüdischer Sicht. Rothus-Verlag. 496S. Fr. 52.90/€ 30.98
30. November 2014
von:
von:
- Anmelden oder Registieren um Kommentare verfassen zu können