Kürzer Arbeiten als Ausweg aus der Krise?

Wirtschaften in der Postwachstumsgesellschaft - Ein Kommentar anlässlich der Schließung der Papierfabrik M-real in Hallein bei Salzburg, der darüber hinausweist.

M-real hat gezeigt, wie abhängig Wirtschaften von global agierenden Konzernen geworden ist. Dabei ist jedoch kühler Kopf zu bewahren. Die 485 MitarbeiterInnen des zugesperrten Werks brauchen sofortige Hilfe in Form eines Sozialplans, des Angebots von Umschulungsmaßnahmen bzw. neuen Arbeitsstellen. Dass die Politik sich für die Rettung des Unternehmens einsetzt(e), ist verständlich. Dass sie dabei scheitert(e), auch. Konzerne, vormals große, sind keine Sozialeinrichtungen. Ihr Hauptziel ist es, Gewinne zu machen und Aktionäre zu „befriedigen“. Moralische Entrüstung kann vielleicht kurzfristig das Image, den Ruf eines Konzerns etwas in Mitleidenschaft ziehen, vor allem verschafft sie jedoch emotionale Entlastung. Doch das ist es dann auch schon gewesen.

Aus M-real lässt sich lernen, dass das Bild vom sozialen Unternehmertum eine trügerische Schimäre ist. Aufgabe der Politik muss es in langfristiger Perspektive daher sein, Konzernen international Rahmenbedingungen zu setzen, die das permanente Ausweichen auf „kostengünstigere“ Standorte erschweren. Das heißt: Statt Steuerdumping akkordierte Steuerpolitik, zumindest einmal auf EU-Ebene, dann auch global. Langfristig sind nur global umgesetzte soziale und ökologische Mindeststandards in der Lage, den destruktiven Standortwettbewerb zu beenden, um jene Unternehmen nicht länger zu „benachteiligen“, denen soziale Verantwortung wichtig ist.

M-real verweist wie das aktuelle Taumeln der Autobranche aber auch auf ein weiteres Phänomen, die Sättigung der Märkte. Die Wirtschaftskrise ist (auch) eine Sättigungskrise. Wir produzieren immer mehr, obwohl wir bereits so viel haben. Allein der private Papierverbrauch beträgt in Österreich über 200 kg pro Kopf und Jahr. Ironie am Rande: Mindestens ein Drittel davon entfällt auf Werbesendungen, also den Versuch, der Sättigung durch Weckung neuer Bedürfnisse entgegen zu wirken. Der globale Papierhunger ist ökologisch höchst problematisch – 270.000 Bäume werden weltweit pro Tag allein für Hygienepapier gefällt. Da machte es keinen Sinn, den Papierverbrauch noch weiter zu steigern, um Arbeitsplätze zu retten.

Notwendig ist ein Strukturwandel des Wirtschaftens hinein ins postfossile Zeitalter. Das erfordert eine doppelte Strategie. Zum einen Innovationen, die einen effizienteren Umgang mit Energie und Ressourcen ermöglichen, zum anderen die Hinterfragung des Wachstumspfades. Ankommen, Neuverteilen des Vorhandenen, Werte jenseits des Materiellen entdecken - dies wären neue Stichworte. Aus der gegenwärtigen Not der Kurzarbeit die Tugend einer neuen Vollarbeitszeit auf niedrigerem Niveau zu machen, hieße somit die Herausforderung. Denn die derzeitige Entwicklung ist paradox: Die einen arbeiten bis zum Umfallen, die anderen haben gar keine Arbeit. Neben einer gerechteren Einkommens- und Vermögensverteilung, die der so eben erschienene Armuts- und Reichtumsbericht des Österreichischen Sozialministeriums nahe legt, würde eine Neuverteilung der Arbeit in Verbindung mit mehr Bildung zu einem Schlüssel der Transformation in die Postwachstumsgesellschaft. Modelle dafür gibt es bereits: Etwa die vom Volkswirtschaftler Konrad Stopp vorgeschlagene „30-Stundenwoche im atmenden Unternehmen“ oder die von deutschen Statistikern durchgerechnete „Halbtagsgesellschaft“. Wagen wir den Versuch in neues Terrain!



Mag. Hans Holzinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Robert-Jungk Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg. T. 0662.873206 oder 0699.11370178  [email protected]. www.jungk-bibliothek.at
28. Januar 2009
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