Manfred Max-Neef: Vom Krawattenträger zur Barfussökonomie

Menschen, die sich von ihrem Gewissen leiten lassen, faszinieren uns zu Recht. Weitere Porträts finden Sie in unserer Zeitpunkt-Printausgabe "Die letzte Instanz".

Ein deutschstämmiger Chilene machte Karriere im Shell-Konzern – für Konzernkritiker das Herz der Finsternis. Bis er erkannte, «dass ich einer Berufsgruppe angehöre, die den Fortbestand einer gesunden Biosphäre unmittelbar gefährdet.» Als Ökonomieprofessor, der angehenden Managern effizientes Wirtschaften beibrachte, fühlte er, «dass mir etwas fehlte»: Einblicke in die andere Seite der globalen Realität. Manfred Max-Neef lebte für Jahre in den Slums der Grossstädte, unter armen Kleinbauern und in indianischen Gemeinschaften. Dort erkannt er, «dass sämtliche Wirtschaftstheorien, die ich kannte, absolut wertlos sind, wenn man der Armut ins Gesicht schaut.» Max-Neef entdeckte, wie arme Menschen unter widrigsten Bedingungen ihre Probleme lösten: solidarisch.



Das Stichwort «Barfussökonomie» ist seitdem eng mit seinem Namen verbunden. Gemeint ist kein bestimmtes Konzept, sondern die Anpassung an die jeweilige Realität. «Grosse Probleme kann man nur mit vielen kleinen Lösungen lösen. Dann kann auch die Kreativität der Menschen vor Ort genutzt werden, die wissen, was sie brauchen.» Max-Neef formulierte seine Hypothese vom Kipp-Punkt, die Erkenntnis, dass wirtschaftliches Wachstum ab einem gewissen Grad die Lebensqualität verringert. Die «Downsizing»-Bewegung und die potenzialorientierte Entwicklungshilfe verdanken ihm wichtige Impulse. Manfred Max-Neef ist heute Professor der Universidad Austral und Mitglied des World Future Council.