Neu: Artikel zum Selberbasteln
Eine Aktion von „Zeitpunkt“ zur Stärkung der Eigenverantwortung des Lesers im Zuge allfälliger Sparmaßnahmen. (Roland Rottenfußer)
Dieses Artikel-Bauset enthält folgende Einzelteile:
1 x Haupttext (HAT)
3 x Zwischentitel (ZT)
1 x Vorspann (V)
1 x Unterüberschrift (UÜ)
1 x Überschrift (Ü)
Bauanleitung:
Schritt 1: Kopieren Sie das gesamte Material in eine leere Textdatei und speichern Sie.
Schritt 2: Fügen Sie die ZT 1 bis 3 an die den dafür vorgesehenen Stellen in HT ein. Lassen Sie dabei jeweils eine Zeile Abstand zum vorausgehenden und nachfolgenden Text.
Schritt 3: Montieren Sie V oberhalb von HT, formatieren Sie V mit „fett“ und schalten Sie eine Leerzeile Abstand zu HAT.
Schritt 4: Montieren Sie UT oberhalb von V, formatieren Sie UT mit Schriftgröße 14 und schalten Sie eine Leerzeile Abstand zu V
Schritt 5: Montieren Sie Ü oberhalb von UT, formatieren Sie Ü mit Schriftgröße 20 und schalten Sie eine Leerzeile Abstand zu UT
Schritt 6: Sehen Sie den ganzen Text auf Rechtschreib-, Grammatik- und Flüchtigkeitsfehler durch und beseitigen Sie jede Form stilistischer Unbeholfenheit.
Falls Schwierigkeiten bei der Durchführung dieser Anweisungen auftauchen sollten, wenden Sie sich gern an unsere Servicehotline: 0190-0038-487-837-483-059-938-293-938. Kosten: 7,5 SF/min.
HT:
Ich wollte ein Schränkchen kaufen, nur ein kleines Badezimmerschränkchen 30 x 60 cm aus Holz mit Trübglasfendster. Ich ging extra nicht zu Ikea, weil ich mich beim Zusammenschrauben der Möbel oft genug im Jungel der verwirr3enden Gebrauchsanleitungen verheddert habe. Ich ging in eine andere Handlelskette für wohnrauminnenausstattung, und da es sich nur um ein ganz kleines Schränkschen handelte, dachte ich, man würde mir die Endmontage ersparen. Da war ich schon in die fAlle gegangen. Die Verkäuferin kassierte erst die 60 Euro, dann sagte sie: Warten Sie bitte einen Moment und brachte mir aus dem Lager eine Kiste zurück, deren Format keineswegs mit dem des Kästchens identisch war, das im Ausstellungsraum an der Want hing.
„Was soll das?“, fragte ich. „Ich gebe Ihnen meine Geldscheine ja auch nicht in kleinen Papierfetzchen und verlange von Ihnen, dass Sie sie selber zusammenkleben. Die Verkäuferin lächelt übelregen wie man über die dumme Bemrkung eines Kindes lächelt und sagte dann routiniert, ohne die Endmontage durch den Kunden würden erheblich mehr Lager- und Arbeitskosten anfallen. Der Schrank könne sonst nie zu einem so niedrigen Preis abgegeben werden, wie er nun mir zuteil würde. Und ich beklagte mich auch nohc, anstatt dankbar dem ggenialen Geschäftskonzept zu huldigen! Ich murre zwar noch: „Das nächste Mal verkaufen Sie mir wahrscheinlich einen Baumstamm und eine Säge“ – aber in Wirklichkeit habe ich längst eingesehen, dass ich am kürzeren Hebel sitze.
(ZT 1)
Resigniert zog ich mit meinem Päckchen ab. Es war kaum schmäler als das zusammengebaute Kästchen, grübelte ich, als ich mit dem Auto nach Hause fuhr. Was konnte das für einen grßen Unterschied bei der Lagerung machen. Außerdem, wenn diese Regelung so sehr zugunsxten des Kunden war, wie kam es dann, dass immer die Besitzer und Gründer solcher Großhandelsketten Multimillardäre waren, während ich immer noch im unteren bis mittleren Einkommensbereich rumkrebste. „Mehr Eigenverantwortung, Roland!“, mahnte mcih eine Stimme aus meinem Unterbewusstsein, die von diversen Botschaften aus Psychoratgebern und politischen Sonntagsreden dort hinein geplfanzt worden war. Die Mode, lästige Arbeiten auf Kunden abzuwälten, war die Materialisierung der herrschenden Ideologie der Eigenverantworutnge. Wer andere zu Eigenverantwortung mahnt, sagt damit immer: ich selbst will weniger davon tragen. GEanu so machen es die Möbelgeschäfte. Denn wenn mir der Zusammenbau mal nicht gelingt, stehe erst mal ich da mit meinen Selbstzweifeln und der Aufgabe, Helfer zu organisieren. Selbst wenn ich das Päckchen dann zurückschicken kann, sit es immer noch ein Haufen Verwaltungsaufwand, der an mir hängen bleibt.
Und warum muss ich eigentlich in immer mehr Rstaurants den kellner spielen. Bei McDonals weiß man das ja. Da geht man schon gar nicht rein. Aber bei unverdächtig wirkenden Ausflugscafes, Kniepen und Kleinrestaurants. Man sitzt und sitzt, keine Bedineung. Bis eimen ein überlegen wirkender Mann am Nachbartisch gönnerhaft zuraunt: „Hier ist Selbstbedienung. Wussten Sie das etwa nicht? Na da können Sie warten, bis Sie schwarz werden.“ Also stapfe ich genervt, aber tapfer ins Restaurantinnere und stelle mich ganz hinten an einer unübersehbaren Schlange an. Als ich zum Zug komme, stelle ich fest, dass der Preis gar nicht so wahnsinnig niedrig ist, dass es gerechtfertigt wäre, dass ich eine halbe Stunde meiner Ziet hier in stickiger Küchenluft anstehe. IN einer halben Stunde könnte ich selbst als Geringverdiener 10 Euro verdienen. Der Preis der Käsespätzle ist aber höchstens um 50 Cent niedriger als in anderen Kneipen. Wenn überhaupt.
(ZT 2)
Überhaupt Käsespätzle. Meist handelt es sich nicht um echten Käse, der sich zwischen den Spatzten zu Fäden zieht, sondern um eine käsige Sahnesoße, die die Spatzen in einen diffusen, ausdrucklosen Brei verwandetl. Dazu statt der der leckeren, feuchten, in der Pfanne dunkelbraun gebratenen Zwiebeln Röstzwiebeln aus der Dose, hart, kratzig und natürlich kalt. Wahrscheinlich hat ein Betriebswirt ausgerechnet, dass die Sahnesoße und die die Fertigzwiebeln pro Teller Käsespätzle 5 Cent Einsparungen ergeben. Das addiert sich bei mehreren 1000 Tellern pro Jahr auf einen beträchtlichen Betrag, vor allem wenn man solche Operationen bei allen angebotenen Speisen durchführt. Dort mal das Kuchenstück um 1 cm dünner machen. Dort den Anteil des Schaums an der Latte Macchiato auf Kosten der Flüssigkeit erhöhen. Bei Apfelsaftschorlen nur 0,2 Liter Apfelsaft, aber 0,3 Liter Mineralwasser verwenden (weil der Saft teurer ist). Oder überhaupt gleich 0,4 Liter-Gläser verwenden, anstatt 0,5 Liter, wie es fürher üblich war. Selbstverständlich alles, ohne dass es billiger wird.
Es gibt Joghurts, bei denen der Kunde Neutraljoghurt und Fruchcoctail selbst mischen muss, weil die das in de Fabrik offenbar nicht hinkrieten. IN Konzerten wird man immer häufiger aufgefordert, selber zu singen. Es ist grotesk. Wenn ich ein Fahrrad kaufen will, bin ich erst mal überrascht, dass es recht billig ist, nur 300 Euro. Dann fragt die Verkäuferin in aller Seelenruhe, ob ich denn zu meinem Fahrrad auch noch ein Lciht wünsche. Selbstverständlich will ich ein Licht. Das ist nicht nur Vorschrift, es hilft tatsächlich, nicht nachts von Autofahrern aufs Korn genommen zu werden. „Dann sind es noch mal 70 Euro extra. Und wüsnchen Sie eventuell auch noch einen Sattel?“ … Nach einem ausgedehnten Frage- und Anwortspiel erhalte ich dann eine Rechnung über 545 Euro. „Aber der Preis auf dem Schild ist nur 300 Euro“. „Jaja“, sagt die Verkäuferin mit einem nunmehr sehr bestimmten, spitzen Tonfall. „Aber der Preis versteht sich selbstverständlich vor Montage.“ Aha.
Überall das gleiche Spiel: Gehst du zum Optiker sind die Preise für Gestelle kommod. Willst Du allerdings eni Produkt haben, das Du tatsächlich auf die Nase setzen kannst und das den ursprünglihc intendierten zweck erfüllt, dir das Sehen zu ermöglichen, zahlst du gut das Dreifache oder Vierfache. Ein Fahrkartenschalter ist ein Relikt aus den goldenen 70ern. Du must dich mit den Dialogmenüs der Automatenungetüme rumschlagen. Und wehe, Du kommst mal nicht zurecht und steigst trotzdem ein: du bist ein Verbrecher. Rufst du wo an, darfst du nicht erwarten, tatsächlich einen Menschen am anderen Ende der Leitung anzutreffen. Erst mal grenzt ein Automat den ungefähren Sinnzusammenhang deines Anrufs ein: „Handelt es sich um eine Anfrage wegen Störungen im Betriebsablauf, drücken Sie bitte die 1“.
(ZT 3)
Es gibt einen gemeinsamen Nenner bei all diesen Alltagsbeobachtungen: Anbieter von Waren und Dienstleistungen scheinen Tag und Nacht über Möglichkeiten nachzugrübeln, wie sie ihren Kunden so wenig Leistung wie möglich geben können. Ganze Stäbe von Sparkommissaren und Manipulationsexperten werden offenbar dafür bezahlt, darüber nachzudenken, wie sie dich und mcih über den Tisch ziehen können. Um ein eventuelles Abwandern der Kunden zu verhindern, hat man sich entschlossen, durch brancheninterne Absprachen dafür zu sorgen, dass der Kunde nirgendwo mehr einen Anbieter findet, der ihn gut behandelt. Die Tarnung, also der Versuch, Einsparmaßnahmen hinter betulichen Beteurungen zu verbergen, dass alles nur zum Wohle des kUnden geschieht, wird auch zunehmend fallen gelassen. Immer häufiger wird dem Kunden frech ins Gesicht gesagt, dass man zwar durchaus weiß, dass man dem Kunden Unannehmlichkeiten bereitet, dass dieser aber ruhig mal versuchen solle, dagegen anzugehen. Die gesetzlichen Vorschriften diesbezüglich sind immer schon unter Dach und Fach. Und sie sind immer zugunsten des Großhändlers.
Wie mir scheint, wäre aber zu große Wehleidigket auf Seiten der Kunden fehl am Platz. Eigentlich ist es nur die Retourkutsche für ein Verhalten, das wir kUnden schon seit jeher an den Tag legen: Die versuchen und für unser Geld so wenig Leistung wie möglich zu bringen – Na und? Wir versuchen ja auch, so wenig Geld wie möglich auszugeben. Haben wir uns schon mal darüber Gedanken gemacht, ob Lieferanten und Händler überhaupt leben können, wenn sie ihre Waren zu einem Preis abgeben, der so niedrig ist, dass wir uns nach dem Kauf als „Schnäppchenjäger“ selbst beweihräuchern? Wie geht es den Kaffeepflückern in Afrika, die deinen Schnäppchekaffee pflücken? Der Kunde ist in seiner überwiegenden Mehrheit sozial blind. Es interessiert ihn einfach einen SCHeißdreck, wie es dem Händler geht. „Der Kunde ist König“ – habsten Sie sich mal überlegt, wie sich das für den Händler anfühlt? Wenn wir König sind, was ist denn dann er? Unteran? Diener? Sklave? Wer ist das schon gern. Deshalb jetzt der Aufstand der Händler und Hersteller gegen den angemaßten König. „Wenn wir zusammenhalten“, haben die sich gedacht, „dann kriegen wir den schon klein. Der soll Möbel zusammenschrauben, sich vor Automaten den Kopf zerbrechen und Colas auf schwankenden Tabletten durch die Sitzreihen tragen.“ Von wegen König, der Kunde ist Sklave. Er hat es bloß in seiner überwiegenden Mehrheit noch nicht gemerkt.
Als Autor frage ich mich natürlich: Wenn das der Trend ist, warum werde ich so blöd sein und meine Artikel dem Leser immer so gut und ausgefeilt wie möglich zu präsentieren? Bin ich etwa der letzte Idiot, dem tatsächlich etwas daran liegt, Qualität zu liefern und zufriedene Kunden zu haben? Damit ist jetzt schluss. Dieser Artikel ist der erste Schritt meines Plans, mit dem ich den Leser zu mehr Eigenverantwortung erziehen will (und mir selbst Arbeit zu erspracne. Es geht nämlich viel schneller, wenn man die ganzen Vehler hier nicht ausbessert, sondern stehen lässt). Wenn Sie das für eine Unverschämtheit halten, dann muss ich Sie fragen, warum Sie es sich von den anderen Herstellern und Händlern gefallen lassen. Und falls Sie diesen Artikel lustig finden, frage ich mich, warum Sie McDonals, Ikea, die Bahn und andere gr0ße Rationalisierer (auf Ihre Kosten) ernst nehmen.
ZT1: Möbelkauf des Grauens
ZT2: Einsparungen bei Kässpatzen
ZT3: Rachefeldzug der Anbieter gegen die Kunden
V:
Kellnern bei McDonals, Schrauben für Ikea, Fahrkartenziehen am Automaten, Dialogmenüs enträtseln am Päckchenautomaten – „Crowdsourcing“, das Abwälzen kleiner Routinearbeiten auf dne fügsamen Pöbel – boomt. Tat für Tag werden uns Minuten gestohlen, die sich über die Wochen zu Stunden über die Jahre zu gewaltigen Arbeitsleistungen summieren, die wir umsonsxt f+r die betreffenden Fimen erbringen. Es stellt sich die bange Frage: Tun die überhaupt noch irgendwas selbst? Und wie lange lassen wir uns da eingtlnlcih noch geafllen?
UÜ:
Wie Unternehmen ihre eigenen Aufgaben auf den Endverbraucher abwälzen
Ü:
Der Kunde ist Sklave
von:
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