Bruchsichere Gläser aus der DDR liegen wieder im Trend 

Das Glas hat das Potenzial, Kunststoff fast komplett aus dem Einzelhandel zu verdrängen
Veröffentlicht: 3. Sep 2024 - Zuletzt Aktualisiert: 3. Sep 2024

Wer im deutschen Osten aufgewachsen ist, kennt die typische Form der «Superfest» oder «Ceverit» genannten Gläser, die von 1980 bis zur Wende in der DDR produziert wurden. «Superfest», weil sie wegen eines speziellen Herstellungsverfahrens kaum zerbrechen. Komplett unzerstörbar sind die Gläser nicht, aber viel bruchsicherer als herkömmliche Trinkgläser. Der volkseigene Betrieb (VEB) Sachsenglas Schwepnitz in der Lausitz stellte mehrere Formen her, auch Glaceschalen, Tee-, Saft- und Schnapsgläser, schreibt Daniela Gschweng auf INFOsperber.

Einige der äusserst haltbaren Gläser sind heute noch in Gebrauch. Am bekanntesten sind die dünnwandigen, stapelbaren 0,5-Liter-Biergläser, die britischen Pint-Gläsern ähneln. In der DDR-Gastronomie verhinderten Superfest-Gläser enorm viel Glasbruch. Heute sind sie gesuchte Kult-Objekte, aus Gründen der «Ostalgie» oder wegen ihres schlichten, zeitlosen Designs. Dass sie nicht mehr hergestellt werden, ist einigermassen verwunderlich. Grosse Haltbarkeit, lokal hergestellt, dazu ein schlichtes, praktisches Design – das sind eigentlich perfekte Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg. Dieser aber wollte sich nicht einstellen. Im Herbst 1990 wurde die Produktion eingestellt. 

Auf den grossen Messen, an denen Sachsenglas um Kunden warb, verkaufte der Betrieb kein einziges Glas. Wer verkauft schon ein Glas, das nicht kaputtgeht, wenn er Geld mit dem Verkauf von Gläsern verdient? An die Umwelt dachte damals noch kaum jemand. Das hat sich inzwischen geändert. Ein Berliner Unternehmen stellt das schwer zerbrechliche Glas nun wieder her. «Soulbottles» verkauft seit mehr als zehn Jahren bedruckte Glas-Trinkflaschen. «Soulmates», wie das Unternehmen seine Kunden nennt, können das Lifestyle-Produkt auch mit individuellen Aufdrucken bestellen.

Glas ist schwer und zerbrechlich. Flaschen aus «Ultraglas», wie die in Zusammenarbeit mit der Uni Bayreuth entwickelte Form von Superfest heisst, haben diese Nachteile nicht. Sie brechen nicht so leicht und seien dünner und leichter, schreibt Soulbottles auf der Crowdfunding-Site Kickstarter, wo das Unternehmen Geld für die neue Flaschengattung gesammelt hat. Die ersten Flaschen würden mit gewohntem Gewicht von 530 Gramm ausgeliefert, gab das Unternehmen Anfang August an. Dazu, wie viel leichter die neuen Superfest-Stabilflaschen sind, macht das Unternehmen noch keine genauen Angaben. 

Auch ein Unternehmer aus Sachsen forscht an der Fertigung stabiler Gläser nach dem Vorbild von Superfest. Der Ingenieur Michael Heidan hat eine Methode gefunden, das Härtungsverfahren zu vereinfachen, und bekam dafür einen Innovationspreis. Die Anwendung, die den Ausschlag gab: ebenfalls Wasserflaschen, die Heidans Frau verkauft. Das gehärtete Glas seiner Firma hätte das Potenzial, «Plastik fast komplett aus dem Lebensmitteleinzelhandel zu verdrängen». Sein erster Kundenauftrag drehte sich um Gläser für Kosmetika.


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