Ohne Verzicht wird es nicht gehen

Zum neuen Buch «Ausgepowert – Chancen am Ende des Ölzeitalter»

«Marcel Hänggi denkt dort weiter, wo wir Wissenschaftler mit dem Denken Aufhören», sagte Dieter Imboden, Präsident des Forschungsrats des Schweizerischen Nationalfonds, anlässlich der Vernissage meines ersten Buchs, «Wir Schwätzer im Treibhaus». Mit dem neuen Buch versuche ich, dort weiter zu denken, wo mein letztes aufhörte.

Dass das Zeitalter der fossilen Energie sich seinem Ende entgegen neigt - oder neigen müsste, sollen die schlimmsten ökologischen Folgen abgewendet werden –, ist heute allgemein anerkannt. Die traditionell optimistische Internationale Energieagentur schrieb im November 2010, das Fördermaximum des konventionellen Erdöls sei überschritten. Das Ende der billigen Energie kann verheerende Folgen haben. Oder es kann eine Chance sein.

Im Zentrum jeder Energiedebatte, die sich nicht auf das Technische beschränkt, müsste heute die Frage stehe, wie eine Gesellschaft aussehen könnte, die mit weniger – und anderer – Energie auskommt, als wir es im 20. Jahrhundert kannten. Wir können angesichts der Energieprobleme nicht einfach die Glühbrinen rausschrauben, Sparlampen reindrehen und weiter machen wie bisher.

Die gegenwärtige Energiedebatte dreht sich um alternative Formen der Energiebereitstellung; um Potenziale, CO2-Bilanzen und Vor- und Nachteile von Sonne und Wind, Öl und Atom. Könnte Energie nur «sauber» bereit gestellt werden, lautet die meist unausgesprochene Annahme dahinter, gäbe es kein Energieproblem. Aber Energie prägt eine Gesellschaft auch unabhängig davon, wie sie bereit gestellt wird. Energieanwendung ist ökologisch wie sozial immer relevant. Energie beeinflusst, wie wir uns ernähren, wie wir uns in Raum und Zeit bewegen, wie wir konsumieren und wie wir produzieren.

Solange die Energiedebatte die gesellschaftlichen Auswirkungen des Energiekonsums ausser Acht lässt, verpasst sie es, über alternative Wege zu sprechen, die eine Gesellschaft gehen könnte. Sie verpasst die Frage, die im Kern aller Politik stehen müsste: In was für einer Welt wollen wir leben?


 
Marcel Hänggi: Ausgepowert – Chancen am Ende des Ölzeitalter. Rotpunkt-Verlag, 2011. Ca. 380 S. Circa Fr. 40.-/ Euro 28.-.

Zum Buch: http://www.mhaenggi.ch/Ausgepowert/Ausgepowert_index.html

Die Vernissage findet statt am 18. April 2011, 19.30 Uhr, in der Kanzleiturnhalle in Zürich. Gast ist der grüne Aargauer Nationalrat und Ständeratskandidat Geri Müller, Präsident der Schweizerischen Energie-Stiftung. Moderation: Markus Hofmann, NZZ.