1914/2014: Der «Auslöser» ist gefunden
In diesem Jahr suchen die Feuilletons ebenso regelmässig wie verzweifelt Parallelen zwischen dem aktuellen Weltgeschehen und jenem vor dem Ersten Weltkrieg. Man zitiert Finanzkrisen, Globalisierungskrisen, multipolare Weltordnungen, Kulturkämpfe und Kämpfe um die Weltherrschaft. So weit alles gut, doch da fehlte bis heute immer etwas, nämlich der „Auslöser“. Genau den haben wir jetzt aber endlich gefunden, und zwar kam es so:
Die Fussball-WM nahm ihren Lauf, auch die Gruppenspiele waren spannend, es gab viele Tore und natürlich auch viele Fehlentscheide. Aber wer das Schiri-Bashing kultiviert, schadet dem Fussball an sich, d.h. letztlich sich selber, und gute Teams gewinnen auch gegen schlechte Schiedsrichter. Selber schuld, wenn man auf ungeahndete Schwalben und solche Sachen angewiesen ist. Wie auch immer: Plötzlich fiel der Gastgeber Brasilien wegen einem fragwürdigen Goal aus dem Wettbewerb und schon war der Teufel los. Auch die zwischenzeitlich ausgebremsten sozialen Unruhen nahmen wieder ihren Lauf und eines Tages lag Josef Blatter erstochen in seiner Hotelbadewanne. Ein mysteriöser Killer hatte einmal mehr ganze Arbeit geleistet; kein Mensch wusste, was wirklich geschehen war. Aber klar hatten sofort alle ihre Motive parat; jeder wollte Verschwörer gesehen haben, einige tippten sogar auf Femen und Pussy Riot. Aber das war Unsinn, denn zu solchen Morden sind Frauen unfähig. Die Statistiken lassen keine Zweifel zu: Das kriminelle Geschlecht ist der Mann. Glaubwürdiger redeten jene, welche einen „Selbstmordauftrag“ ins Feld führten. Alexander Lukaschenko, Hugo Chávez und Robert Mugabe hatten Blatter gesagt, nur wenn er im Amt sterbe, komme er um den Galgen herum. Und in Zürich hatten sie das künftige FIFA-Museum kurzerhand in Korruptionsmuseum umgetauft, ein riesiges Blatter-Denkmal neben den Eingang gestellt und eine permanente Sonderausstellung zum Thema „Die Walliser, der kriminelle Stamm“ eingerichtet. (Die Walliser hatten sie sogar mitfinanziert, denn sie fühlten sich geehrt. Bei ihnen ist ein Gauner nämlich ein Held.)
Die schweizerischen Sportjournalisten schrieben und schrien, das alles ändere natürlich nichts daran, dass die Schweiz WM-Favorit bleibe, und tatsächlich legten der heilige Ottmar und seine balkanischen Jünger einen (Zitter-)Sieg nach dem anderen hin, „kompakt“, „fokussiert“, mit „Schangsen“ am Laufmeter. Die notorischen Nörgeler hatten total zu Unrecht darauf hingewiesen, dass ein Teil von Ottmars beschränktem Spielermaterial wohl in den grossen Ligen unter Vertrag sei, aber meistens eben nur als zweite oder dritte Wahl. Auch das FIFA-Ranking sei nichts wert, sagten sie, denn es berücksichtige sämtliche Auswechslungsorgien (Testspiele), wo die einsatzhungrigen Jünger dann endlich mal zuschlagen können, während die „erste Wahl“ wegen des Verletzungsrisikos entweder gar nicht auftrete oder dann bloss als Schatten ihrer selbst. Und die Qualifikationsgruppe der Schweizer sei mit Abstand die leichteste gewesen, sagten die Nörgeler auch noch. Kurz und gut: Lauter typisch elitäre Fehlprognosen, und wenn sich das Muotatal mit dem Kosovo verbrüdert, steht die Welt sowieso kopf.
Zu Ottmars Siegeszug kam derjenige des Schweizer Fernsehens. Auch Bernhard Turnheer (im Gegensatz zu den besoffenen SVP-Bloggern schreiben wir alle Namen orthografisch korrekt) lief kurz vor seiner Pensionierung zur Form seines Lebens auf. Die Nörgeler hatten behauptet, Turnheer verzapfe nichts als seichten Quatsch, kenne etwa bloss die Spieler (oder die Pudel, wenn man sich auf die Frisuren abstützt), von denen jeweils ganz grosse Rückennummern sichtbar sind, verwechsle Manchester City mit Manchester United usw. Dass er trotzdem nie abgesetzt wurde, verdanke er dem Filz von nationalsozialdarwinistischen Schmalhirnen an der SRG-Zentrale. Die SRG sei folglich gar nicht „links“, sondern geradezu „rechtsextrem“, zumindest in der Sportsparte. Die SRG wies solche Kritiken natürlich „strikte“ zurück, aber hinter den Kulissen war klar: Nur mit muotatal-kosovarischem (inhaltlichem und sprachlichem) Schwachsinn konnten die Quoten gehalten werden und so durfte sich auch der Turnheer auf keinen Fall mehr bessern, im Gegenteil. Darum haben sie ihn dann bereits zur Halbzeit der WM auch zum besten Reporter aller Zeiten ernannt. Sein Gesellenstück ging etwa so: „Der gewesen sein müssende, gehabt sollend gewordene Ball hüpfte hüben hübschlich in das gedurft dürfend werden habende Tor“, und selbstverständlich wird dieser Satz dann ebenfalls im Korruptionsmuseum aufgehängt sein, mindestens so streng bewacht wie die „Mona Lisa“ im Louvre.
Die Ehrung von Turnheer erfolgte gerade noch rechtzeitig, denn die WM musste abgebrochen werden, eben weil der Dritte Weltkrieg ausbrach. Auch Didier Burkhalter, von dem zwar nur die SRG-Konsumenten wussten, dass er der „OSZE-Vorsitzende“ war, weil man ihnen das jeden Tag in ihre ach so vergesslichen Hirne presste, konnte ihn trotz seiner weltmännischen Eloquenz nicht verhindern. Er ist eben auch zu elitär, die Elite versteht das Volk oder mindestens das kriminelle Geschlecht nicht, und dieses wollte den Krieg „unbedingt“. Keiner wusste das besser als der „nichtelitäre Bruchlinienpilot“ und Kulturkämpfer Samuel Huntington. Sein Szenario aus den 90er-Jahren stimmte zwar nicht mehr ganz, denn als die Unruhen in Brasilien sämtliche Brandherde der Welt erfasst hatten, kam es zu einer „unheiligen“ Allianz der BRIC-Staaten. Zusammen mit den quasi über Nacht vereinten Afrikanern und Islamisten behaupteten sie, die Europäer hätten den Blatter ermordet, Platini und Beckenbauer seien schuld, sie seien korrupt und nicht Blatter und erst recht nicht die FIFA-Männer aus ihren Ländern. Es gehe letztlich doch nur darum, den aufstrebenden Mächten das Geschäft zu vermiesen und sich mit ethischem, verfassungsrechtlichem und ökologischem Palaver längst überholte Privilegien zu sichern. Also schlossen sie die europäischen Grenzen hermetisch für Rohstoffe, Billigwaren, IT-Dienstleistungen und Fluchtkapital und öffneten im Gegenzug sämtliche Schleusen für ihr Lumpenproletariat. Die Bündnispartner der Amerikaner gerieten ganz schön in Schieflage. Zwar wollte Obama auch für sie vorerst nichts unternehmen, aber als er von den Sponsoren des Mossad erpresst wurde, schritt er zur Tat und befahl den Japanern, über Peking, Shanghai und Hongkong je eine Atombombe abzuwerfen. Und so weiter bis zur Apokalypse: G7 adieu, BRIC adieu, Islamismus adieu, Schädelmetzger adieu. Selbst das alte Jerusalem verschwand.
Okay, Huntington lag falsch, auch Kübler wird falsch liegen, die Prognosen sind immer irgendwie falsch und damit auch unsere Parallelen 1914-2014. Wieder einmal Glück gehabt. Es lebe der unsterbliche Josef Blatter, und für Bernhard Turnheer kippen wir jetzt ein Bier. Er sagt dem Bier zwar Schnaps, aber was soll’s?
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