Chapeau für Andreas Diethelm, «Hofsänger»

Singen für eine artgerechte Haltung der Stadtmenschen

Am Anfang der wunderbaren Idee stand ein Ärger: Warum sind drei Viertel der Zürcher Innenhöfe mit Autos verstellt? Aber dann hatte der Zürcher Biologe, Journalist und passionierte Chorsänger Andreas Diethelm eine klingende Antwort: Man könnte doch die Innenhöfe mit Chorgesang beleben. Sein Chor hatte zwar bei Geburtstagen auch schon mal einen Hinterhof mit einem Ständchen besungen. Aber daraus eine richtige Aktion zu machen, das hatte noch nie jemand versucht.
Also machte Andreas Diethelm die Zürcher Chöre ausfindig, hängte sich ans Telefon und rannte offene Türen ein. Raus aus den Kirchen und Konzertsäälen, rein in den Alltag und zu den Menschen, war das Motto. Bei der ersten Durchführung vor zehn Jahren sangen die Chöre noch ohne Ankündigung in den Höfen. Zwei Jahre später gab es bereits ein Programm: Liebeslieder, Volksweisen, jazzige Melodien, Kunstlieder – das ganze Spektrum. Das Echo war ziemlich überwältigend.

Die Leute sassen mit Tränen in den Augen an den Fenstern, kleine Grillparties wurden gefeiert und viele Chöre erhielten plötzlich wieder Zulauf. Über 200 Chöre, von Schulklassen über ambitionierte Ensembles bis zu Seniorengruppen – sogar aus dem Ausland – haben sich schon beteiligt. Aber nicht ganz überall ist der Hofgesang gern gehört. In Zürichs teuerstem Innenhof am exklusiven Mythenquai seien Chöre «total unerwünscht», meinte der zuständige Hausmeister, selber ein Chorsänger.
«Wir sind alle für die Freilandhaltung von Hühnern», sagt Andreas Diethelm, «aber bei uns selber machen wir unverständliche Kompromisse.» Parkplätze im Hof seien halt immer noch rentabler als Sandhaufen, Gemüsebeete, Obstbäume und lauschige Sitzplätze. Doch das Problem vor dem Bildschirm aussitzen und zuwarten, bis das Auslaufmodell Auto aus den Höfen verschwindet, ist Andreas Diethelms Sache nicht. Hat der Hofgesang bleibende Veränderungen ausgelöst? Der Initiant ist zurückhaltend, hat aber ein paar vorher-nachher-Fotos. Auch da muss dranbleiben, wer Nachhaltiges bewirken will.
Die Idee ist übrigens nicht patentiert. Alles, was es braucht, ist eine mittlere Stadt, ein paar Chöre und drei, vier Leute, die die Sache an die Hand nehmen. Wir würden nur zu gerne weitere Chapeaux verteilen.  

           
www.hofgesang.ch
21. August 2016
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