Nur noch «Cashless» ans Festival?
Viele Schweizer Festivals setzen auf bargeldlose Zahlungssysteme. Dagegen ist nichts einzuwenden – solange weiterhin auch Bargeld akzeptiert wird. Doch bei einigen Veranstaltungen bringt man seine Scheine vergebens mit: Den Hotdog und das kühle Bier gibt es nur gegen eine digitale Transaktion.
Die Festivalsaison in der Schweiz ist in vollem Gange. In allen Regionen pilgern die Menschen an Open-Airs und geniessen Kulturveranstaltungen unter freiem Himmel. Die Zertifikatspflicht wurde in die Sommerpause geschickt und somit ist die grösste Hürde aus dem Weg geräumt. Dennoch brodelt es unter der Festivalsonne; vielerorts werden nur noch digitale Zahlungsmittel akzeptiert.
Argumentiert wird mit besseren Zutrittskontrollen, weniger Diebstählen und kürzere Warteschlangen vor den Foodtrucks. Zudem sind Open-Air-Gänger konsumfreudiger, wenn bequem mit der Karte oder per Handy bezahlt werden kann. Einige haben den Eventchip eingeführt, der nur für den Anlass gültig ist und vorab mit Geld aufgeladen wird. Die Kehrseite davon: Das Restgeld wird von den Besuchern nicht immer zurückgefordert. Ein Gewinn für den Veranstalter, denn das vergessene Geld fliesst nach Ablauf einer Frist in sein Kässeli.
Der eigentliche Knackpunkt liegt aber woanders: Bargeld wird teilweise als Zahlungsmittel ausgeschlossen. Jüngst löste das Luzerner Stadtfest eine Welle der Empörung aus, weil das OK auf «Cashfree» setzen wollte. Vor allem in den sozialen Medien kochte das Thema hoch; einige Besucher fühlten sich diskriminiert. Schliesslich ruderte das Stadtfest zurück und bot beide Bezahlungsmöglichkeiten an.
Auch das Gurtenfestival, das Zürich Openair und Seasidefestival setzen auf Cashless. Das Open-Air-Kino Zürichhorn (Allianz Cinema) wollte mitziehen, geriet jedoch unter Beschuss. Nach einer fadenscheinigen Ausrede krebste der Organisator zurück und lässt nun auch Bargeld zu. Fairerweise muss an dieser Stelle gesagt werden, dass bereits vor der Corona-Krise viele Veranstaltungen bargeldlose Bezahlsysteme eingeführt haben, wie etwa das Open-Air St. Gallen oder Frauenfeld. Was vor Corona als praktisch und innovativ galt, ist jetzt nicht mehr tolerierbar.
Woran liegt es, dass die Emotionen hochkochen, wenn es ums Bargeld geht? Vermutlich hat es ein stückweit damit zu tun, dass der «coronagebeutelte» Mensch sensibel auf Diskriminierungen reagiert. Dazu kommt, dass mit zunehmender Digitalisierung die Anonymität und Freiheit gefährdet ist. Eine reine digitale Geldkultur geht mit einer digitalen Identität einher.
Zur Abrundung noch ein weiteres absurdes Beispiel der Digitalisierung: Wer am Bahnhof Luzern pinkeln muss, kann sein Münz in der Hosentasche stecken lassen. Wie die Luzerner Zeitung berichtet, darf dort niemand mehr ohne ein digitales Portemonnaie Wasser lassen.
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