Her mit dem langweiligen Banking!

Ein Plädoyer für ein Finanzsystem, das die Unternehmen finanziert, nicht auf Wetten beruht und Kapitalberge hortet – und eine Antwort auf den aktuellen FinCEN-Skandal.

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Ulrich Thielemann ist promovierter Ökonom, ehemaliger Vizedirektor des Instituts für Wirtschaftsethik der Universität St. Gallen und Gründer der MeM – Denkfabrik für Wirtschaftsethik – in Berlin. Er gilt als «kapitalismuskritisch» und analysiert seit Jahren die bedenklichen Entwicklungen an den Finanzmärkten.

Anfang September wurden die sogenannten FinCEN-Leaks öffentlich bekannt. Im Fokus dieses Skandals stehen vor allem US-Banken und die Deutsche Bank. In einer Fülle der geleakten Dokumente sind aber auch Schweizer Banken erwähnt – die UBS und Credit Suisse, die Raiffeisen und die Zürcher Kantonalbank sowie Filialen verschiedener Auslandsbanken in der Schweiz. Sie sollen über Jahre hinweg Geschäfte mit hochriskanten Kunden abgewickelt, Anti-Geldwäsche-Vorkehrungen umgangen und damit Korruption und Kriminalität ermöglicht haben. Sie akzeptierten mutmassliche Mafiosi, Millionenbetrüger und sanktionierte Oligarchen als Kunden und führten für diese Überweisungen in Milliardenhöhe aus, so das Ergebnis einer gemeinsamen Medienrecherche. Gemeldet haben die Banken diese Vorgänge nur sehr zögerlich, in einigen Fällen mit jahrelanger Verspätung.

 

Was bedeutet FinCEN?

Das Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN) untersteht dem US-Finanzministerium. Aufgabe der Organisation ist es, Überweisungen zu überwachen, um Geldwäsche, Terrorfinanzierung und andere Verbrechen zu bekämpfen. Veröffentlicht wurden die FinCEN-Files vom International Consortium of Investigative Journalists.

 

Kürzlich führte Deutschlandfunk Kultur aus Anlass der bekanntgewordenen Machenschaften ein Gespräch mit Ulrich Thielemann.

«Seit ungefähr 20 Jahren nehmen die kriminellen Machenschaften immer weiter zu, sie nehmen nicht ab. Die Deutsche Bank hat zwischen 2015 und 2017 – ich hab die Zahl vor mir – elf Milliarden an Strafzahlungen geleistet, meist natürlich Vergleiche, und ist überall dabei: Libor-Manipulationen, Offshore-, Panama Papers», bekrägtigt der Ökonom im Interview.

Thielemann stellt die Frage, ob die Banken diese illegalen – beschönigend «riskanten» – Geschäfte betreiben, weil der Aktienkurs eingebrochen ist und sie auf irgendeine Weise ihren Aktionären Renditen verschaffen wollen. Das könnte bedeuten, die legalen Geschäfte der Banken würden von den illegalen profitieren.

«Es gibt ja Leute, die sagen, die Deutsche Bank (…) ist eigentlich in der Nähe einer kriminellen Vereinigung. Da gibt es Mitarbeiter, die sagen, die Bank ist ausgerichtet darauf, dass die Mitarbeiter betrügen und dolose Handlungen ausführen. Wenn das dann rauskommt, wird immer gesagt, das sind Einzelfälle, das sind Roke employees», erklärt Thielemann.

Seiner Ansicht nach sind einerseits die Bonus- und Anreizsysteme genau darauf ausgerichtet, Umsätze um jeden Preis zu generieren, andererseits herrscht bei den Banken der Geist vor, alles mitzunehmen, was nur mitgenommen werden kann.

Die Versprechungen von Banken und Politik nach der Finanzkrise mit Lehman-Pleite und staatlichen Bankenrettungen hält Thielemann für nicht erfüllt: «Warum werden denn die Finanzinstitute nicht entsprechend reguliert, dass so was nicht passiert? Und da scheint mir, dass die Staaten darauf aus sind, Aussenhandelsbilanz-Überschüsse zu erzielen, das heisst, Kapital und Vermögen aufzubauen gegenüber dem Ausland. Wer am meisten Vermögen aufbaut, der ist der Gewinner im globalen Standortwettbewerb.» Die Banken, so Thielemann, helfen den Staaten dabei und fungieren als Aufbewahrungsboxen für diese Kapitalmengen. Das sei auch der Grund, weshalb weder reguliert noch staatlich die Boni limitiert werden.

Sein Fazit lautet dementsprechend: «Man sagt immer, wir hätten gerne wieder das langweilige Banking.» Seiner Meinung nach müssten die Bankgeschäfte deutlich zurückgefahren werden, denn das, was derzeit passiert, «sind reine Wetten, die riskant sind für uns alle, weil dann irgendwann wieder die Banken gerettet werden müssen.»