Der Bundesrat soll angesichts des Grauens in Gaza die Stimme der Vernunft und Menschlichkeit erheben!

Die Schweiz muss sich nicht «für eine Seite» entscheiden, sondern sich als glaubwürdig neutrales Land angesichts des Wahnsinns des Krieges für Waffenstillstand und Frieden einsetzen, schreiben René und Elfie Roca in einem offenen Brief an den Bundesrat.

Gaza (Bild: rawpixel.com)

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte

Die NZZ publizierte am letzten Tag des Jahres 2024 auf der Frontseite einen Artikel zum Gaza-Krieg mit dem Titel «Letztes Spital muss Betrieb einstellen». Die Journalistin berichtet darin von Zuständen im nördlichen Gazastreifen, die jeden normal fühlenden Menschen erschaudern lassen und zutiefst erschüttern.

So wird berichtet, dass die israelische Armee die Evakuierung des Kamal-Adwan-Spitals angeordnet habe. Damit gebe es im Nord-Gaza kein funktionsfähiges Spital mehr. Das Spital war die letzte Anlaufstelle für Verwundete und Kranke. Damit werden, so die Journalistin, die «Lebensbedingungen Tag für Tag unerträglicher».

Laut Israels Armee handelte es sich beim Spital um eine «Hamas-Hochburg», dabei behauptete sie vor einem knappen Jahr, sie habe den gesamten Norden Gazas von der Hamas «befreit». Bei den Kämpfen in und um die Klinik sind auch fünf Spitalmitarbeiter getötet worden.

Israel liess sich in einen zermürbenden Krieg verstricken. Der Gegner, der mittels eines Tunnelsystems dezentral und flexibel agiert, kann niemals besiegen werden. Und das, obwohl die israelische Regierung alle Führungsmitglieder der Hamas niedermetzeln liess.

Israel hat nach wie vor den Charakter dieses Krieges wie auch die innere Struktur der Hamas nicht begriffen. Die rohe Gewalt auf beiden Seiten geht unvermindert weiter und nimmt immer schlimmere Ausmasse an. Die Menschenrechts-Pakte, sämtliche völkerrechtlichen Konventionen und das humanitäre Völkerrecht werden komplett ignoriert.

Die Lage ist schon lange prekär. Wie lange wollen wir noch zuschauen? Die Leidtragenden sind die Menschen im Gazastreifen. Dorthin kommen kaum noch Hilfslieferungen sowie keinerlei medizinische Versorgung.

90 Prozent der 2,2 Millionen Einwohner Gazas wurden im Krieg vertrieben und leben nun in Zelten. Satellitenaufnahmen zeigen in erschreckender Weise, dass mittlerweile fast der ganze Gaza-Streifen komplett zerstört wurde, die Landwirtschaft liegt am Boden, es kann nichts mehr angebaut werden.

Selbst in der sogenannten humanitären Zone im Süden des Küstenstreifens kommt es immer wieder zu Angriffen – und jetzt kommt noch die Winterkälte dazu. Allein in der vergangenen Woche sind sechs Kleinkinder an Unterkühlung gestorben.

Die NZZ berichtet: «Derzeit fallen die Temperaturen im Gazastreifen regelmässig auf unter zehn Grad in der Nacht, und es herrschen starke Winde und Regen. Hunderttausende müssen diese garstigen Bedingungen in notdürftig gebauten Zelten aushalten. Laut Angaben der Uno müssen mindesten eine Million Menschen den Winter ohne angemessene Unterkunft verbringen.»

Und weiter: «Laut dem Welternährungsprogramm wurden seit Beginn der israelischen Grossoffensive im nördlichen Gazastreifen am 6. Oktober [2024] bis Ende Dezember nur 3 von 101 beantragten Hilfslieferungen in das Gebiet bewilligt.

Die Stadt Beit Hanun war demnach während 75 Tagen komplett von Hilfslieferungen abgeschnitten.» Wieso stoppt Israel diese Hilfe? Für uns ist das ein weiterer klarer Beweis dafür, dass hier ein Völkermord grossen Stils geplant und nun durchgeführt wird.

Der beabsichtigte Völkermord wird von den offiziellen Aussagen von israelischen Regierungsmitgliedern bestätigt. «Ärzte ohne Grenzen» unterstreichen: «Der Angriff auf die Kamal-Adwan-Klinkt ähnelt einem Muster von wiederholten Attacken der israelischen Truppen auf die Gesundheitsinfrastruktur.»

Und dies immer mit der Ausrede, man verfolge und bekämpfe Terroristen. In Gaza spielt sich vor unseren Augen ein zweites Vietnam ab, ein Krieg ohne Fronten. Nach dem Vietnamkrieg deckten ausgewertete Quellen auf, dass das Massaker von My Lai kein Einzelfall war, sondern dass die US-Armee, angeleitet von den höchsten militärischen und politischen Stellen, einen systematischen Völkermord an der vietnamesischen Bevölkerung beging, wie jetzt die israelische Armee in Gaza.

Erfrorene Kleinkinder, die Aushungerung von Zivilisten, die gezielte Zerstörung von Häusern, Feldern und Infrastruktur und die bewusst verhinderte humanitäre Hilfe. Wie lange muss dieser Völkermord noch andauern, bis die Schweiz endlich ihre offizielle Stimme erhebt und aus ihrer diplomatischen Lethargie aufgerüttelt wird?

Wir dürfen so nicht ins neue Jahr gehen und zu solchen Gräueltaten schweigen. Das Verbot der Hamas durch das Schweizer Parlament ist das eine, aber wann folgen die deutliche Verurteilung Israels und der waffenliefernden USA?

Die Schweiz muss handeln! Als Depositarstaat der Genfer Konventionen besitzt sie mit dem IKRK als humanitäre Institution ein zwingendes Mandat einzugreifen. Kritisieren Sie als Bundesrat offen die israelische Regierung, auch wenn diese sogleich die Antisemitismus-Keule schwingt und versucht, jegliche vernünftige Diskussion zu zermalmen.

Die Geiseln kommen nur lebend zurück, wenn endlich ernsthaft verhandelt wird. Eine selbstbewusste Forderung der Schweiz im Rahmen der Uno, alle US-Waffenlieferungen an Israel sofort einzustellen und endlich die nötige umfassende humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung zuzulassen, würden bei der Weltöffentlichkeit bewirken, dass die Schweiz ihr ramponiertes Ansehen zurückgewinnen könnte.

Wir fordern Sie als Bundesrat inständig auf, sich unmissverständlich für den Frieden einzusetzen. Haben Sie den Mut aufzustehen und die Stimme der Vernunft und Menschlichkeit wieder klar und deutlich zu erheben, auch wenn Sie damit gegen den Strom der Mächtigen schwimmen.

Nehmen Sie sich ein Beispiel an Irland oder Südafrika, werden sie selber so zum Vorbild. Die Schweiz muss sich nicht «für eine Seite» entscheiden, sondern sich als glaubwürdig neutrales Land angesichts des Wahnsinns des Krieges für Waffenstillstand und Frieden einsetzen, jetzt!

Elfy und René Roca,
Oberrohrdorf-Staretschwil



 

René Roca ist Gründer und Direktor des «Forschungsinstitut direkte Demokratie» und Initiant der Neutralitäts-Initiative.