Hollande in Not: Sex ist Weltmacht Nr. 1 auch im Land der Liebe

Die Götter müssen verrückt sein. Oder vielleicht sind wir die Verrückten, und die Götter schauen uns zu – bass erstaunt über die massive Dumpfheit des angeblichen Homo sapiens. Fällt uns denn wirklich nichts anderes ein? Da vollzieht ein so genannter linker Präsident eines europäischen Landes den krassesten Kurswechsel seiner Amtszeit, öffnet Tür und Tor für eine Globalisierungspolitik, die all seine sozialen Wahlversprechen unterhöhlt – und die Medien und Journalisten berichten zur besten Sendezeit fast ausschließlich über seine amourösen Eskapaden. Gemessen an der Sendezeit scheint die sexuelle Untreue des Präsidenten bei weitem interessanter zu sein als seine politische. Die zu befürchtenden Einschnitte im Sozialsystem treten zurück hinter der wohligen Empörung weltbewegender Fragen wie: Fuhr er wirklich mit dem Moped ins Bordell? Leidet oder freut sich jetzt seine Ehefrau, die einst für eine Geliebte verlassen wurde, von der er sich jetzt für eine neue Geliebte trennte? Und vor allem: was finden eigentlich all diese Frauen an dem Mann so sexy?

Die Götter dürfte die Aufregung bekannt vorkommen: Die Geschichten des treulosen Zeus und seiner eifersüchtigen Gattin Hera waren auch in der Antike das geeignete Opium, das trefflich von einer unattraktiven Realität ablenken konnte. Wen kümmerte der Krieg gegen Sparta, wenn man mit Zeus´ frechen Eroberungen mitfiebern konnte! Die PR-Agenten des griechischen Pantheons wussten es ebenso wie die der französischen Regierung: Sexualität ist die Weltmacht Nummer Eins, weit vor USA, NATO oder anderen Machtsystemen der Menschen.
Merkwürdig ist eigentlich nur, dass das immer noch funktioniert und wir nach all den Jahrtausenden immer noch so vorhersehbar auf immer dieselben Informationen reagieren. Leben wir, was die Liebe angeht, immer noch im Neandertal? Offensichtlich.
"Die progressiv-dynamische Turnschuh-Generation unserer Zeit schmückt sich mit Superelektronik und galaktischen Frisuren, im Herzen aber träumen sie dieselben Märchenträume wie unsere Omas. Schneller sind die Autos geworden und die Wandlungen der Mode, aber nicht das wirkliche Nachdenken über die Fragen der Liebe", schrieb Dieter Duhm im Klassiker "Der unerlöste Eros".


Nachdenken in der Liebe? Ja, warum nicht. Stellen wir uns doch mal vor – nur mal zur Probe – wir Frauen hätten uns von unserer Naivität verabschiedet. Also – gleiche Szene – gleiche Affäre in einer Welt des erotischen Wissens: Ségolène Royal, Präsidentengattin, Politikerin und Mutter seiner vier Kinder, wäre ganz entspannt geblieben. Sie hätte gewusst, dass ihr Mann sich auch mal zu anderen Frauen hingezogen fühlt. Warum sollte sie sich durch etwas beleidigt fühlen, was jeder gern mal täte – sie selbst eingeschlossen? Sie weiß, er wird nach einer Weile wieder heimkehren, schließlich verbindet sie viel. Sie kennt ihre eigenen Vorzüge ganz genau und wünscht der neuen Geliebten neidlos und von Herzen eine erfüllende Zeit an der Seite ihres Gatten. Falls die Liebe zu ihm aber erloschen sein sollte, lässt sie ihn ziehen und wünscht sie ihnen viel Glück – ebenfalls ganz entspannt.
Häme, Gehässigkeit, Spott und Mitleid in den Medien? Keine Spur, das bringt keine Auflagen mehr. In einer Welt des Wissens über die Liebe ist die Öffentlichkeit autonom genug, sich die erotischen Highlights im eigenen Leben zu kreieren. Den öffentlichen Personen schaut man lieber bei der Politik auf die Finger als in der Liebe. Oha – und da wird so langsam klar, warum das Nachdenken im Bereich von Sexualität und Liebe seit Jahrtausenden verpönt ist. Merke: Dummheit in der Liebe und erotische Dauer-Nicht-Erfüllung machen auch in Demokratien aus Menschen Untertanen. Fazit: Wer nicht will, dass die Neoliberalismus und Machtpolitik uns restlos überfahren, helfe mit, das Wissen in der Liebe zu vermehren – auch im eigenen Leben.
Leila Dregger
http://terranovavoice.tamera.org


"Als Rosa Luxemburg und Josefine Mutzenbacher einmal zusammen im Fahrstuhl stecken blieben" heisst ein Theaterstück, das Janni Hentrich und Leila Dregger vor 14 Jahren für einen Frauenkongress geschrieben und aufgeführt haben. Politisches Engagement trifft käuflichen Sex.
Vor kurzem haben es die beiden es aus purem Übermut noch einmal aufgeführt, in Tamera, und der Filmemacher Ludwig Schramm hat es aufgezeichnet und auf Youtube gestellt. Es dauert eine knappe halbe Stunde und ist die Begegnung zweier Frauen-Archetypen, die in ihrer Gegensätzlichkeit letztlich viel Gemeinsames finden.

http://youtu.be/d1DtaSm-iSY
03. Februar 2014
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