Mobilität steigert den Bevölkerungsdruck

Der aktuelle Hickhack um die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs und der Autobahnen zeigt einmal mehr: Die Beschleunigung des Verkehrs ist nicht die Lösung, sondern das Problem.
Ähnlich wie schnell bewegende Atome mehr Raum beanspruchen, braucht auch der mobile Mensch mehr Platz. Siedlungsdruck, Staus, Verengung und als Folge Fluchtverkehr sind die Konsequenzen. Darauf hat der österreichische Philosoph und Nationalökonom Leopold Kohr schon vor 40 Jahren in seinem wegweisenden Aufsatz «Geschwindigskeitsbedingte Bevölkerung» hingewiesen. Der Aufsatz wurde in Puerto Rico, wo er damals an der Universität lehrte, allen Beamten der Planungsbehörden als Pflichtlektüre aufgetragen. Die bestechende Logik Kohrs, dem Begründer der Philosophie der Kleinheit, hat bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren.

Die Planer sollten sich nicht mit der Lokomotion, also der Fortbewegung befassen, sondern mit der Motivation. Anstatt den Verkehr zu beschleunigen seien seine Gründe zu beseitigen, schreibt Kohr und fordert als Konsequenz eine «Zentralisierung im kleinen Massstab». In Muskelkraftdistanz zu seinem Wohnort soll der Mensch das Wichtigste finden, was er für das Leben braucht: Arbeit, Versorgung, Begegnung und Unterhaltung. Konkret bedeutet das lebenswerte Nachbarschaften und Quartiere mit Einkaufsmöglichkeiten, Werkstätten, Kneipen, öffentlichen Gärten. Die Städte sollen in Dörfer umgewandelt oder gleich abgeschrieben werden. Denn das Verkehrsproblem sei unlösbar, da der Platzbedarf mobiler Menschen im geometrischen Verhältnis zunehme: Eine Verdoppelung der Verkehrsleistung bedeutet eine Vervierfachung der Bevölkerungswirkung.

 
Leopold Kohrs Aufsatz «Geschwindigskeitsbedingte Bevölkerung» ist in seinem Sammelband «Probleme der Stadt» (2008, Otto Müller Verlag) enthalten und erscheint unter dem Titel «Je schneller, desto mehr» im nächsten Zeitpunkt mit dem Schwerpunktthema «Der Mensch braucht Nachbarschaft» Ende April.




Weitere spannenden Geschichten, Beispiele und interessante Essays zum Thema «Nachbarschaft» im nächsten Zeitpunkt Ende April.

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