Wer geht stempeln – Grosskonzerne oder KMUs?

Am 13. Februar stimmen wir über die «Änderung des Bundesgesetzes über die Stempelabgaben» ab. Mit der Abschaffung der so genannten Stempelsteuer wollen Bundesrat und Parlament Unternehmen entlasten. Die Gegner der Vorlage befürchten, dass das Loch, das dadurch in der öffentlichen Kasse entsteht, auf Privatpersonen abgewälzt würde. Bei der Annahme der Vorlage würden jährlich 250 Millionen Franken Steuereinnahmen wegfallen.

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Wie oft im Abstimmungskampf steht es Aussage gegen Aussage. Die Befürworter der Vorlage «Abschaffung der Stempelsteuer» sind der Überzeugung, dass Hilfe für Unternehmen der gesamten Gesellschaft zu Gute kommt. «Geht es den KMU gut, geht es auch unserer Bevölkerung gut», sagt Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands und Mitte-Nationalrat. SP-Politikerin Jaqueline Badran ist jedoch vom Gegenteil überzeugt: «Wer die Wirtschaft stärken will, stärkt das Einkommen der Leute.» 

Damit ist der eigentliche Knackpunkt der Debatte umrissen: Mit der Abschaffung der so genannten Stempelsteuer sollen Unternehmen entlastet werden. Argumentiert wird unter anderem mit der «coronagebeutelten» Situation der KMUs, die nun Hilfe nötig hätten. Die Stempelsteuer fällt jedoch nur an, wenn Unternehmen neu gegründet werden oder ihr Eigenkapital erhöhen – zum Beispiel, wenn sie Aktien herausgeben. Davon sind allerdings nur grössere Unternehmen betroffen, denn die Stempelsteuer wird nur auf Eigenkapital von mehr als einer Million Franken erhoben. So sind es insgesamt nur 0,3 Prozent aller Unternehmen in der Schweiz, die diese Abgabe überhaupt bezahlen. Im Jahr 2020 waren dies 2286 Unternehmen – wobei die Hälfte der Summe auf die 55 grössten davon entfiel.  

Das Corona-Argument ist also fehl am Platz, wie auch Badran betont: «Um Schulden aus der Vergangenheit abzuwickeln, gibt niemand einem Unternehmen Eigenkapital.» Die Branchen, die wirklich unter der Covid-Krise litten, zum Beispiel im Gastro-Bereich, seien in erster Linie darauf angewiesen, dass die Bürgerinnen und Bürger genug Geld in der Tasche hätten.

Und genau hier liegt eine grosse Befürchtung. Die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage gehen davon aus, dass im Falle einer Annahme Privatpersonen höhere Einkommens- oder Mehrwertsteuern aufgebrummt oder Prämienverbilligungen gestrichen würden. Denn durch den Ausfall der Abgaben, die die Unternehmen heute über die Stempelsteuer leisten, würden laut Schätzung des Bundesrates jährlich 250 Millionen Franken in der öffentlichen Kasse fehlen.

Diese Befürchtung ist nicht aus der Luft gegriffen. Denn während die Steuern für Unternehmen in den letzten zwanzig Jahren stetig abgebaut wurden, wurde die Mehrwertsteuer immer wieder erhöht. «Es werden einseitig nur Arbeit und Konsum belastet», kritisiert Badran in einem Erklär-Video zur Stempelsteuer. Tatsächlich beträgt die Mehrwertsteuer in der Schweiz zurzeit 7.7%, während die Stempelabgabe sich nur auf ein Prozent des Unternehmenskapitals beschränkt.

Dennoch ist der Bundesrat der Meinung, die Stempelsteuer würde die Wirtschaft und die Standortaktivität der Schweiz schwächen. Durch die Abschaffung der Stempelsteuer könnten die Unternehmen Kosten sparen, was sich positiv auf den Wachstum auswirken und Arbeitsplätze schaffen würde. Auch das Parlament sowie die SVP, die GLP, die Mitte und Wirtschaftsverbände unterstützen die Vorlage.

Die SP, die Grünen, die EVP und Gewerkschaften haben das Referendum gegen die Vorlage ergriffen. «Während wir auf jedes Gipfeli und auf jedes Bier Mehrwertsteuer bezahlen, werden Grosskonzerne und die Finanzindustrie Stück für Stück von allen Steuerabgaben befreit», so Badran. Die Bevorteilung von Unternehmen habe unser ganzes Wirtschaftssystem aus dem Gleichgewicht gebracht.