Die Mässigung wächst
Die französische Bewegung «Décroissance» hat auch in der Schweiz grossen Zulauf. Ernst Schmitter, einer der Initianten, erklärt die Ziele der Gruppierung.
Zeitpunkt: Décroissance aus Frankreich ist die weltweit mitgliederstärkste Bewegung, die sich explizit für die Redimensionierung der Wirtschaft einsetzt. Wie will sie dieses Ziel erreichen?
Ernst Schmitter: Zunächst: Décroissance ist nicht so organisiert, dass sich ohne weiteres Mitglieder zählen lassen. Zur Bewegung gehören viele Gruppen unter verschiedenen Namen. Gesicht der Bewegung in Frankreich ist die Monatszeitschrift «Décroissance» mit einer Auflage von 45 000 Exemplaren, in der die Diskussion über die Postwachstumsgesellschaft zur Hauptsache stattfindet und die einen grossen Einfluss ausübt.
Die Wachstumsrücknahme will Décroissance einerseits mit einer drastischen Umverteilung der Reichtümer erreichen, global aber auch national. Die weiteren Punkte sind eine markante Entschleunigung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen und schliesslich für den globalen Norden eine Reduktion des Produktions- und Konsumniveaus.
Wie sehen die konkreten Ansätze aus?
Décroissance arbeitet auf drei Ebenen: In der individuellen Lebenspraxis geht es ganz konkret darum, mit weniger Aufwand ein besseres Lebens zu gestalten. Dann unterstützen wir kollektive Experimente wie Vertragslandwirtschaft und neue Lebensformen. Und schliesslich setzen wir uns auch politisch dafür ein, den Wachstumszwang zu durchbrechen, z.B. durch einen Ersatz des unseligen Bruttosozialprodukts als Messgrösse für Wohlstand.
Warum thematisiert Décroissance die unheilvolle Zinsdynamik nicht? Immerhin bricht ohne Wachstum unser Geldsystem zusammen.
Wir sind froh, dass es Organisationen gibt, die sich dieser Thematik annehmen. Selbstverständlich haben Zinswirtschaft und Spekulation in einer Décroissance-Gesellschaft keinen Platz. Wir wollen aber zuerst den Mentalitätswandel schaffen, der die Abschaffung der Zinswirtschaft erst ermöglicht.
Décroissance Bern hat in letzter Zeit mit einer breit gestreuten schönen Zeitungsbeilage neue Mitglieder gewonnen. Wächst Décroissance bald auch in andere Regionen?
Décroissance ist in der Schweiz von Genf, Lausanne und Neuenburg nach Bern gekommen, wo seit rund einem Jahr eine Gruppe an der Arbeit ist. Zu unseren monatlichen Treffen kommen 20 bis 30 Personen. Nach Veröffentlichung der Mutmacher-Zeitung waren es 60. Gruppen könnten bald auch in Zürich, Basel und Luzern entstehen. Aber das ist nicht organisiertes Wachstum, sondern Graswurzel-Dynamik. Viele Menschen erkennen, dass es so nicht weitergehen kann und werden selber aktiv.
Das Gespräch führte Christoph Pfluger.
Décroissance-Bern trifft sich einmal im Monat im Polit-Forum des Käfigturms um 19.30 Uhr zu einer «Vollversammlung», zu der jedermann willkommen ist. Die Daten sind langfristig angekündigt auf der Seite «Agenda» der Website.
Die Zeitung «Décroissance, die Mutmacherin» wurde Ende 2010 in einer Auflage von weiter über 100 000 Exemplaren gestreut und wird von Décroissance Bern gratis per Post verschickt. Sie ist ausserdem als Download verfügbar. Interessant!
www.decroissance-bern.ch
Mehr zum Thema «Wachstumsfalle» im neuen Zeitpunkt 112 «Downsizing»:
http://www.zeitpunkt.ch/archiv/2011/112-downsizing-wege-aus-der-wachstumsfalle.html
Ernst Schmitter: Zunächst: Décroissance ist nicht so organisiert, dass sich ohne weiteres Mitglieder zählen lassen. Zur Bewegung gehören viele Gruppen unter verschiedenen Namen. Gesicht der Bewegung in Frankreich ist die Monatszeitschrift «Décroissance» mit einer Auflage von 45 000 Exemplaren, in der die Diskussion über die Postwachstumsgesellschaft zur Hauptsache stattfindet und die einen grossen Einfluss ausübt.
Die Wachstumsrücknahme will Décroissance einerseits mit einer drastischen Umverteilung der Reichtümer erreichen, global aber auch national. Die weiteren Punkte sind eine markante Entschleunigung unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen und schliesslich für den globalen Norden eine Reduktion des Produktions- und Konsumniveaus.
Wie sehen die konkreten Ansätze aus?
Décroissance arbeitet auf drei Ebenen: In der individuellen Lebenspraxis geht es ganz konkret darum, mit weniger Aufwand ein besseres Lebens zu gestalten. Dann unterstützen wir kollektive Experimente wie Vertragslandwirtschaft und neue Lebensformen. Und schliesslich setzen wir uns auch politisch dafür ein, den Wachstumszwang zu durchbrechen, z.B. durch einen Ersatz des unseligen Bruttosozialprodukts als Messgrösse für Wohlstand.
Warum thematisiert Décroissance die unheilvolle Zinsdynamik nicht? Immerhin bricht ohne Wachstum unser Geldsystem zusammen.
Wir sind froh, dass es Organisationen gibt, die sich dieser Thematik annehmen. Selbstverständlich haben Zinswirtschaft und Spekulation in einer Décroissance-Gesellschaft keinen Platz. Wir wollen aber zuerst den Mentalitätswandel schaffen, der die Abschaffung der Zinswirtschaft erst ermöglicht.
Décroissance Bern hat in letzter Zeit mit einer breit gestreuten schönen Zeitungsbeilage neue Mitglieder gewonnen. Wächst Décroissance bald auch in andere Regionen?
Décroissance ist in der Schweiz von Genf, Lausanne und Neuenburg nach Bern gekommen, wo seit rund einem Jahr eine Gruppe an der Arbeit ist. Zu unseren monatlichen Treffen kommen 20 bis 30 Personen. Nach Veröffentlichung der Mutmacher-Zeitung waren es 60. Gruppen könnten bald auch in Zürich, Basel und Luzern entstehen. Aber das ist nicht organisiertes Wachstum, sondern Graswurzel-Dynamik. Viele Menschen erkennen, dass es so nicht weitergehen kann und werden selber aktiv.
Das Gespräch führte Christoph Pfluger.
Décroissance-Bern trifft sich einmal im Monat im Polit-Forum des Käfigturms um 19.30 Uhr zu einer «Vollversammlung», zu der jedermann willkommen ist. Die Daten sind langfristig angekündigt auf der Seite «Agenda» der Website.
Die Zeitung «Décroissance, die Mutmacherin» wurde Ende 2010 in einer Auflage von weiter über 100 000 Exemplaren gestreut und wird von Décroissance Bern gratis per Post verschickt. Sie ist ausserdem als Download verfügbar. Interessant!
www.decroissance-bern.ch
Mehr zum Thema «Wachstumsfalle» im neuen Zeitpunkt 112 «Downsizing»:
http://www.zeitpunkt.ch/archiv/2011/112-downsizing-wege-aus-der-wachstumsfalle.html
04. März 2011
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Christoph Pfluger
Christoph Pfluger ist seit 1992 der Herausgeber des Zeitpunkt. "Als Herausgeber einer Zeitschrift, deren Abobeitrag von den Leserinnen und Lesern frei bestimmt wird, erfahre ich täglich die Kraft der Selbstbestimmung. Und als Journalist, der visionären Projekten und mutigen Menschen nachspürt weiss ich: Es gibt viel mehr positive Kräfte im Land als uns die Massenmedien glauben lassen".
032 621 81 11
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