Der Hochkultur der Kelten auf der Spur


Die Kelten werden von einem Teil der Wissenschaft nicht mehr als Barbaren, sondern als Kulturvolk betrachtet. Im Landesmuseum Zürich sind keltische Objekte zu sehen, die vor 150 Jahren bei La Tène (NE) gefunden wurden.


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1. Die Ausstellung
La TÈNE gab der JÜNGEREN EISENZEIT den Namen

Die Archäologen nannten die Ältere Eisenzeit (ab 800) in Europa „Hallstattzeit“ aufgrund der bearbeiteten Eisengegenstände aus den Fürstengräbern von Hallstatt in Österreich. Die zahlreichen und dank der Lagerung im Wasser erstaunlich gut erhaltenen Funde von La Tène am Neuenburgersee gaben der Jüngeren Eisenzeit (ab 450 v. Chr.) den Namen „La Tène-Zeit“. Eisenwaffen und Reste von Pfählen wurden dort  vor 150 Jahren gefunden. Die Funde erregten europaweit für Aufsehen, insbesondere Kaiser Napoléon II interessierte sich dafür. Die Pfähle wurden  zuerst für Überreste einer Pfahlbausiedlung gehalten. Insgesamt über 3000 Objekte kamen zum Vorschein. 2000 davon sind heute im Musée Laténium in Hauterive NE zu sehen, 800 im Museum Schwab Biel und 200 im Landesmuseum Zürich.

Kult und Bestattung
Die Historiker hielten den Ort später für ein Militärlager, deuteten die Pfähle als Reste von zwei grossen keltorömischen Holzbrücken, die nach der dendrochronologischen Untersuchung auf die Keltenzeit rückdatiert wurden. Als abgetrennte Schädel und Skelettteile, zum Teil mit Gewaltspuren, zum Vorschein kamen, bestätigte dies zuerst alte Vorurteile von Massakern oder Menschenopfern. Die Ausstellung des Museums Schwab neigt eher zur – erstaunlich ethnologisch-mythologischen - Erklärung der Abtrennung der Glieder, damit die Seele besser aus dem Körper entweichen konnte, und geht davon aus, dass La Tène ein Kult-, vielleicht ein Bestattungsplatz war.

Neue Untersuchung
In der Wanderausstellung „La Tène. Die Untersuchung. Die Fragen. Die Antworten“ hat das Museum Schwab Biel den archäologischen Forschungsstand zusammengetragen und stellt die Ergebnisse der anthropologischen Untersuchung der vor 150 Jahren in La Tène gefundenen Tier- und der C14-Radiokarbonanalyse der Menschenknochen vor.

Landesmuseum Zürich: bis 15. Februar 2009
Musée de la civilisation celtique Bibracte (F): April bis November 09


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2. Die Kelten
KUNSTFERTIGKEIT, SPIRITUALITÄT, EINFLUSS der FRAUEN

Die indogermanischen Stämme der Kelten wanderten und siedelten im Altertum vom Schwarzen Meer bis zu Atlantikküste und britischen Inseln und vom Alpenraum bis ins heutige Spanien und Norditalien. Ihre Nachkommen leben heute noch in Grossbritannien, Irland und der Bretagne, die überlieferte keltische Sprache ist noch da: In Irland ist Gälisch Landessprache, in Schottland am Verschwinden, ebenso wie das Walisisch in Wales und das Bretonisch in der Bretagne. Sogar in der Schweiz finden wir nicht wenig Keltisches in Ortsnamen und in der Sprache: Das Wort „Bänne“ etwa kommt von keltisch „Benna“ (Wagen).

Rechtfertigung der Kolonialpolitik
Lange galten die Kelten als kriegerische, Menschen opfernde Barbaren. heute kennt der aufgeschlossenere Teil der Archäologie ein differenzierteres Bild: Die griechischen und römischen Geschichtsschreiber (und später auch die Nazis) verbreiteten Klischees, Übertreibungen und ihre eigenen Projektionen. Damit rechtfertigen sie laut der unter Historikern heute verbreiteten Überzeugung die römische Kolonialpolitik gegenüber den Kelten und deren Willen, die „unzivilisierten Wilden“ zu dominieren und nach dem hellenistisch-römischen Ideal zu formen.

Die Kelten selbst hatten vor ihrer „Eingemeindung“ ins römische Reich von 58 vor bis ins fünfte christliche Jahrhundert eine reiche mündliche Überlieferung und keine Schrift wie wir sie heute kennen sondern das weise und sinnreiche Ogham-Baumalphabeth.

Grosse Kunstfertigkeit
Archäologie und Frühgeschichte präsentieren uns heute das Bild eines Kulturvolks, das im Wesentlichen von Ackerbau und Viehzucht und später zunehmend in Städten lebte, gelegentlich auf Raubzug und Handel ausging und eine grosse Kunstfertigkeit entwickelte. Zahlreiche archäologische Funde wie Schmuck, Münzen, Geschirr und Waffen aus Metall, Keramik und anderen Materialien zeugen davon.

Astrologie und Märchen
Mit den Kelten- und Alemannen-Ausstellungen in den Metropolen Europas und „Gold der Helvetier“ in Zürich Anfang der 90-er Jahre begann sich dieser andere Blick auf die Geschichte der Kelten in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Hinweise auf eine zentralistische Verwaltung über grosse Räume hinweg wie sie die Römer kannten, gibt es nicht, trotzdem existierte bei den Kelten eine gemeinsame Kultur mit regionalen Eigenheiten.

Christianisierte keltische Märchen und Sagen (zum Beispiel Artussage) fanden Eingang ins europäische Kulturgut. Die keltischen Stämme kannten neben der Astrologie ganzheitliche Sonnen- und Mondkalender, die präzis auf Lichtverhältnisse und Jahreszeiten der Nordhalbkugel abgestimmt waren.

Patriarchalische Projektionen
Die Frauen hatten laut der Ethnopsychologie grossen Einfluss in Gesellschaft und Spiritualität, die patriarchalen Züge waren viel weniger ausgeprägt als in den hellenistischen und monotheistischen Kulturen. Archäologen und ein Teil der Ethnologen ignorieren (nicht nur bei den Kelten) Darstellungen und Symbole der weiblichen Einflüsse auf das öffentliche Leben  und projizieren patriarchale Strukturen in matrizentrische Gesellschaftsordnungen.

Weibliche spirituelle Figuren und das Mysterium der Geburt standen im Zentrum des gesellschaftlichen und spirituellen Lebens der Kelten, Sexualität wurde individuell, kollektiv und vor allem spirituell gepflegt und nicht unterdrückt. Funktionen wie Druide, Kriegerin, Heerführerin und Königin waren auch Frauen offen.

Welt der Ahnen und Geister
Gesellschaftliche und religiöse Bereiche trennte man in den vorpatriarchalen Gemeinschaften nicht so streng wie heute. Waldlichtungen, Hügel, heilige Haine und Steinformationen waren vor der Romanisierung die Naturtempel der Spiritualität und der gemeinsamen Riten der Kelten, die Verbindungen zur Welt der Ahnen und Geister. Diese Erkenntnisse der ethnologisch-mythologischen Forschung lehnen die meisten Archäologen, Ur- und Früh-Historiker allerdings als unwissenschaftliche Spekulationen ab.


Bücher zum Thema:
- Yves Schumacher: Steinkultbuch Schweiz – Ein Führer zu Kultsteinen und Steinkulten. Edition Amalia, Bern
- Fred Hageneder: Geist der Bäume - Eine ganzheitliche Sicht des unerkannten Wesens der Bäume. Neue Erde, Saarbrücken
- Carola Meier Seethaler: Ursprünge und Befreiungen - Eine dissidente Kulturtheorie (über patriarchale und matrizentrische Gesellschaften). Arche / Fischer Taschenbuch


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11. November 2008
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