Eine wohlwollende, konstruktive Fundamentalkritik – das Buch «Corona in der Schweiz»

Auf dieses Buch von Prof. Dr. Konstantin Beck und Dr. Werner Widmer haben wir lange gewartet. Sie zeigen, was im Pandemiemanagement schief lief, und sie glauben an die Vernunft.

(Foto: pixabay)

Die Autoren machen das, was schon längst hätte getan werden müssen, nämlich den Versuch, das bisher Geschehene in einer sachlichen und objektiven Form darzustellen und neben der Gesundheit auch andere relevante Bereiche mit einzubeziehen. Schliesslich wird auch versucht, die bisherige Politik des Bundesrates in den einzelnen Phasen kritisch zu bewerten, das alles in einer neutralen und unpolitischen Form.

Die Autoren sind langjährige, profunde Kenner des Gesundheitswesens unseres Landes. Prof. Dr. oec. Publ. Konstantin Beck ist Versicherungsmathematiker, leitet von 2007 bis 2020 das CSS-Institut für empirische Gesundheitsökonomie in Luzern. Er lehrt an den Universitäten Luzern, Basel, Lugano und Lausanne, sowie an diversen Fachhochschulen. Dr. rer. pol Werner Widmer war Direktor der Schweiz. Pflegerinnenschule des Diakoniewerks Neumünster und von vier Spitälern, darunter des Universitätsspitals Zürich. Er ist Präsident der Krebsliga Zürich und hat einen Lehrauftrag (Spitalmanagement) an der Universität Luzern.

Sie konfrontieren amtliche mit kritischen Quellen, klopfen Datenbanken ab und versuchen, Panikmache von echter Bedrohung zu unterscheiden. Es geht ihnen nicht nur um Gesundheit; andere Bereiche, die durch Corona ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden, sind ebenfalls mit einbezogen. Und – besonders wichtig – nicht nur die vom Mainstream hochgejubelten Experten werden zitiert, sondern auch andere, die bis vor kurzem noch in hohem Ansehen gestanden haben, heute aber, infolge ihrer abweichenden Meinung zum Mainstream, völlig ignoriert werden, Prof. Dr. S. Bhakdi zum Beispiel, Dr. W. Wodarg und andere mehr.

Dass es den Autoren vor allem darum geht, zu informieren und zu einer sachlichen Diskussion beizutragen, zeigt nur schon die Tatsache, dass das Buch als PDF im Internet gratis heruntergeladen werden kann. Und es ist zu wünschen, dass es eine grosse Verbreitung findet und dazu beiträgt, dass bei aller Kritik auch eine sachliche Diskussion geführt werden kann.

Die Autoren erwähnen bereits im Vorwort, dass sie es gewohnt sind, das Gesundheitswesen als System zu verstehen, Gruppenverhalten mit mathematisch-statistischen Modellen zu beschreiben und die angewandte statistische Methodik zu hinterfragen. Sie stellen die Existenz von Corona nicht in Frage und sind sich bewusst, dass hinter allen Zahlen individuelle Krankheits-Erlebnisse, tragische Erfahrungen und persönliches Leid stehen. Aber sie versuchen, das ganze Geschehen in einen grösseren Kontext zu stellen und sich nicht nur auf die medizinischen Fragen zu konzentrieren, die ja immer noch sehr kontrovers abgehandelt werden.

Das ganze Geschehen wird im Buch unterteilt in drei Phasen, in die erste Welle bis zum 3. Juni, die Zwischenphase bis zum 02. Oktober und die zweite Welle ab dem 3. Oktober. Dass sich nach diesem Zeitpunkt die Gesamtsituation noch einmal verschlechtert hat, wird zum Teil noch thematisiert im Kapitel 10 (Aktualisierungen).

Die Autoren haben das Ganze mit gesundem Menschenverstand zu reflektieren versucht, was ihnen zweifelsfrei gelungen ist. Sie üben im Einzelfall auch Kritik. Z.B. wird die Frage aufgeworfen, weshalb die Eidg. Räte am 15. März 2020 die Sitzungen abgebrochen, sich freiwillig eine Zwangspause angeordnet und damit die Macht und die Verantwortung dem Bundesrat abgetreten hätten. Ihr Buch fusst auf Zeitungsmeldungen, Informationen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), auf im Netz abrufbare Studien, auf YouTube-Videos (soweit sie nicht gelöscht wurden) und auf Daten aus amtlichen und halbamtlichen Datenbanken.

Die Autoren bieten keine fertigen Lösungen, sondern möchten mit Ihren Ausführungen ihre Leser und Leserinnen zu eigenen Überlegungen anregen. Sie versuchen nicht zuletzt herauszufinden, wie wir mit dem Virus leben und wie diese und ähnliche Krisen mit weniger finanziellem und immateriellem Schaden bewältigt werden können.

„Es gibt viele Menschen, die den Überblick verloren haben und nicht mehr wissen, wem sie glauben sollen“. Damit liegen sie sicher richtig, und mit ihren Ausführungen versuchen sie, Grundlagen für die Unterscheidung zwischen Realität und „Fake“ zu liefern. Sie sagen denn auch: „Wenn das Buch den Leserinnen und Lesern verständliche und plausible Erklärungen bietet und Übersicht schafft, wenn es hilft, ihre Kompetenzen zur Orientierung in unsicheren Zeiten zu stärken und sie dadurch ermutigt werden, Eigenverantwortung wahrzunehmen, dann hat es seinen Zweck mehr als erfüllt“.

Im ersten Kapitel versuchen die Autoren eine „wohlwollende, konstruktive Fundamentalkritik“ an der Pandemiepolitik der Behörden zu formulieren. „Wohlwollend“, weil es unsachlich wäre, das Verhalten des Bundesrates im März 2020 auf dem Wissensstand vom Herbst 2020 rückwirkend anzugreifen, „konstruktiv“, weil sie dazu beitragen wollen, dass es in Zukunft besser gemacht werden kann.

Sie weisen darauf hin, dass möglicherweise schon ganz von Beginn weg die Berichterstattung in der Schweiz von den Vorkommnissen in Italien (negativ) beeinflusst wurde. Und ob der Bundesrat die Schweiz erfolgreich durch die Krise führe, könne nicht allein am physischen Massstab der Bevölkerung gemessen werden. Eine breitere Evaluation sei notwendig.

Es stelle sich jedoch die Frage, ob der physische Gesundheitszustand der Bevölkerung nicht auch mit weniger finanziellem Aufwand und weniger Beeinträchtigungen des psychischen und sozialen Gesundheitszustands und weniger grossen Kollateralschäden hätte geschützt werden können? Ein Punkt zweifellos, der auch in unseren Leitmedien abgehandelt werden sollte.

Dann stellen sie fest, dass in den Auftritten des Bundesrates Werte wie Freiheit, Eigenverantwortung und Verhältnismässigkeit vermisst würden. Und dass in seinen Verlautbarungen ein implizites Misstrauen gegenüber den Menschen in diesem Land, vorhanden sei, Und als Fazit die Aussage, dass das Verständnis von Gesundheit auf die Verhinderung einer bestimmten Form des Todes reduziert werde. Schliesslich wird die Frage gestellt, weshalb es zugelassen werde, dass sich einzelne Wissenschaftler weit über ihr Spezialgebiet hinaus öffentlich verlauten lassen dürfen. Diese Wissenschaftler hätten nicht nur gesagt, welche Schlussfolgerungen die Behörden zu ziehen hätten, sondern hätten ihre Schlussfolgerungen auch noch von Medien und Twitter verbreiten lassen.

Breite Erwähnung findet die Tatsache, dass sich das Parlament im März 2020 durch den Abbruch der Session freiwillig aufgab, ohne den Bundesrat mit dem Krisenmanagement zu beauftragen. Dieser Vorgang – in Europa einmalig – habe dem Bundesrat in die Hand gespielt und es ihm ermöglicht, das Heft in die Hand zu nehmen. Von einem grossen Teil der Bevölkerung sei das zwar begrüsst worden, aber es entspreche nicht dem eidgenössischen Selbstverständnis.

Das Volk sei in diesem Land der Souverän, nicht die Regierung. Es sei irritierend gewesen zu sehen, wie sich die Bevölkerung gegenüber den Behörden in unkritische Befehlsempfänger verwandelt habe. Weshalb habe sie sich freiwillig in die gleiche Abhängigkeit begeben, wie sie im Ausland zum grossen Teil schon in normalen Zeiten vorhanden sei?

Wissenschaftler, die mit ihren Resultaten deutlich vom Mainstream abweichen, hätten einen schweren Stand gehabt. Sie hätten sich plötzlich im riesigen Feld der unvermeidbaren Scharlatane wiedergefunden und ihre Ergebnisse seien von den Massenmedien verschwiegen oder mit Faktenchecks, die selbst auf dünner Beweislage basierten, an den Pranger gestellt worden. Das sei zu Beginn noch irgendwie verständlich gewesen.

Dass aber die grossen Medien sowie SRF noch nach Monaten wenig Meinungsfreiheit zuliessen, sei schon sehr irritierend. Mit den angeordneten Massnahmen habe der Bundesrat massiv in die individuelle Freiheit eingegriffen und die Bürger stark eingeschränkt. Es habe aber nirgendwo einen Hinweis gegeben, dass sich der Bundesrat bewusst sei, dass er damit die Grundrechte in diesem Land anritze.

Viel Raum wird der Frage der Verhältnismässigkeit gegeben. Ist diese auch in der Krise gewährt worden? Wurde das Verhältnis zwischen Schadenrisiko und dem Aufwand zur Reduktion, angesichts des enormen Kollateralschadens, gewahrt? Sie kommen dabei zum Schluss, dass – um verhältnismässig zu sein – Covid-19 gefährlicher und schlimmer sein müsste als alle Krankheiten, die wir bisher kennen. Und völlig zu Recht bleibt hier die Frage: Ist sie das?

Die Endlichkeit des individuellen Lebens: e­in Thema, das andernorts meistens ausgespart wurde. Ist die Vermeidung des Todes als gesundheitspolitisches Ziel geeignet? Der französische Philosoph André Compte-Sponville nennt es „un projet parfaitement absurde“. Selbst unter Einsatz aller Mittel und Ressourcen könne der Tod nicht vermieden werden. Ist es so, dass die heutige Generation den Tod nicht akzeptieren kann und gerade deshalb dabei ist, sich das Leben zu vermiesen?

Natürlich ist jeder Todesfall mit Trauer verbunden. Aber nicht jeder Todesfall ist eine Katastrophe. In jungen Jahren aus dem Leben gerissen zu werden sei tragischer als ein Tod im hohen Alter. Aber hinter der Angst, angesteckt zu werden oder hinter der Befürchtung, jemanden anzustecken, stecke die Angst vor dem Tod. Auf diese Weise habe das Virus – unabhängig von seiner tatsächlichen Gefährlichkeit – das Potential, den Menschen Angst zu machen vor den Menschen. Und das ist eine Beeinträchtigung des Zusammenlebens der Gesellschaft.

Wenn ein Mitglied der Covid-19 Taskforce sagt, jeder Covid-19 Tote sei einer zu viel, dann stelle sich doch die Frage, wieso das nicht auch für alle anderen Krankheiten gelte, die weit mehr Todesfälle zur Folge haben.

Grossen Raum erhalten die Themen „Skizzen einer idealen Pandemie-Politik“ und ein Schweizer Soll-Ist Vergleich. Für den „Durchschnittsleser“ vielleicht eher ein Nebenthema, hingegen sollte es Pflichtlektüre für Politiker und vor allem für die Behörden werden, die sich mit der Bewältigung einer Pandemie befassen. Hier gibt es noch tüchtig Luft nach oben.

Zur Gefährlichkeit von Covid-19 werden umfangreiche Statistiken aufgeführt. Sie zeigen, dass die Todesfälle zu 2/3 auf die Altersgruppe 80+ und zu rund 20% auf diejenige von 70 – 79 entfallen und dass in der Altersgruppe von 0 – 49 gesamthaft 11 (von damals total 1‘783) Todesfällen zu verzeichnen waren.

Diese Zahlen stehen in einem völligen Kontrast zur Anzahl der im selben Zeitraum Infizierten (BAG-Statistik). Von gesamthaft 54‘336 Infizierten entfielen 57%, also 31‘281 auf die Gruppe 0 – 49. Daraus wird denn auch sichtbar, dass Massnahmen, die für die gesamte Bevölkerung angeordnet wurden, nicht verhältnismässig waren und dass es durchaus auch eine Alternative hätte sein können, sich mehr auf den Schutz der „Alten“ zu konzentrieren und auf Eigenverantwortung zu setzen, auch wenn politische Kreise behaupten, dass diese Eigenverantwortung nicht ausreichend wahrgenommen worden sei.

Dass man noch im Sommer 2020 nichts Genaues über die Mortalitätsrate gewusst habe, hänge damit zusammen, dass Werte systematisch falsch erhoben worden seien. Man könne aber davon ausgehen, dass sich die Todesfallrate (auch Letalität, d.h. das Verhältnis zwischen Verstorbenen und Infizierten) irgendwo zwischen 0.2% und 0.5% bewege. Und das wiederum ergibt eine Mortalität (Verhältnis zwischen Verstorbenen und der Gesamtbevölkerung) von 0.02%, bei einer gesamten Todesfallrate von ca. 0.8%.

Sehr lesenswert ist auch das Kapitel über die „astronomisch“ falschen Prognosen, die sowohl über den Verlauf im Ausland wie auch über den Verlauf im Inland abgegeben wurden. Diese lagen nicht selten um bis zu 100% daneben, wurden jedoch von der Presse nicht hinterfragt, sondern kommentarlos übernommen, sogar Prognosen von Exponenten, die sich schon bei den letzten Fällen (BSE, Schweinegrippe) völlig verschätzt hatten.

Die Ursachen für das Zustandekommen einer derartigen Häufung von extrem pessimistischen Prognosen (positive Abweichungen gab es ja überhaupt keine) sehen die Autoren in technischen Gründen, fehlenden Sanktionen (das Ansehen der Epidemiologen scheine immun gegen Fehlprognosen zu sein), Gewinnen in der akademischen Community und in einem fehlenden Filter, also fehlende Kontrolle durch die Medien. Und als Konsequenz haben diese marktschreierischen, von den Medien übernommenen Prognosen die Regierung unter Druck gesetzt. Stand jedoch unser Gesundheitswesen nahe am Kollaps? Die einfache Antwort ist: Nein.

Die Autoren zeigen, wie mit verzerrten, aus dem Zusammenhang gerissenen und falsch oder einseitig gezeigten Zahlen das Publikum in die Irre geführt wurde. Die verzerrten Daten dienten nicht zuletzt dazu, Angst zu produzieren und Panik auszulösen.

Spannend auch, wie gezeigt wird, auf welche Art und Weise eine zweite Welle gebastelt werden kann und wie es angestellt wird, die Anzahl der Tests so darzustellen, dass daraus ein völlig falscher Eindruck entsteht.

Zur Vollständigkeit und Abrundung des ganzen Themas hätte noch ein Kapitel über den PCR-Test und die Ct-Werte beigetragen. Dazu sagen die Autoren, dass sie bewusst darauf verzichtet hätten, weil sie als Ökonomen zu wenig davon verstünden. Das ist verständlich, aber die Kontroversen um die Genauigkeit des PCR-Tests, um die Frage, ob er als Diagnose-Tool verwendet werden soll und darf und last but not least, ob es Sinn macht, den Ct-Wert auf über 40 Zyklen hochzufahren, alle diese Punkte bedürfen ebenfalls einer dringenden Klärung.Image removed.
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www.corona-in-der-schweiz.ch

 

Konstantin Beck & Werner Widmer: Corona in der Schweiz – Plädoyer für eine evidenzbasierte Pandemie-Politik. 2020, Eigenverlag. 130 S. Fr. 16.–. pdf kostenlos.

10. Dezember 2020
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