Fairtrade? Eine Frage des Gewissens, aber leider nicht des Wissens
Fairtrade-Produkte wirken zweifach: erstens auf das Gewissen und zweitens auf die reale Wirtschaft der Produzenten in den Drittweltländern – hoffentlich positiv. Wir Schweizer bezahlen vor allem für das gute Gewissen; nirgendwo sonst auf der Welt ist der Konsum an Fairtrade-Produkten so hoch wie bei uns. Aber vom Mehrpreis, den wir für faire Schokolade, Kaffee oder Bananen bezahlen, bleibt der grösste Teil in der Schweiz. Von den 30 Rappen Aufpreis auf Max Havelaar-Schokolade beispielsweise erhalten die Bauern laut Berechnungen des Fairtrade-Unternehmens Gebana nur 1,3 Rappen (4,3 Prozent) – eigentlich zu wenig für ein gutes Gewissen. Ein bisschen besser sieht es bei den fairen Bananen aus: Vom Mehrpreis von 1,13 Fr/kg fliessen 16 Prozent an die Lieferanten, acht gehen an den Zwischenhandel, fünf als Lizenzgebühr an die Max Havelaar-Stiftung, aber 70 Prozent bleiben bei den Grossverteilern (Zeitschrift Saldo vom 17.11.2013). Ursula Brunner, die 89-jährige Fairtrade-Pionierin hat also recht, wenn sie sagt: «Fairtrade erreicht die Ärmsten nicht.»
Die Reichen, wie oft, haben aber nicht genug und bekämpfen sich gegenseitig. Die Waffen sind Studien und Marketingvereinbarungen. Im Oktober 2010 publizierte der WWF – mit reichlich Geld von Coop und Migros im Rücken – eine Studie, in der die verschiedenen Labels anhand ihrer Kriterien verglichen werden. Das ist etwa dasselbe wie ein Medikamententest anhand von Normen und nicht aufgrund der wissenschaftlich festgestellten Wirkung. In der Pharmakologie ist dies nur bei Impfstoffen erlaubt – warum eigentlich? –, und ausgerechnet sie schneiden in den wenigen Studien über die Langzeitwirkung schlecht ab. Bei den Fairtrade/Öko-Labels könnte es in eine ähnliche Richtung gehen.
Der Labelvergleich des WWF ist nicht nur der harmlose «Ratgeber», als das er betitelt ist; er ist auch ein Marketing-Instrument mit gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen. Wer ins WWF Klimaprogramm aufgenommen werden will, muss sich wie zum Beispiel die Schweiz. Volksküche (SV Group, halbe Milliarde Umsatz) verpflichten, Kaffee mit einem vom WWF empfohlenen Label zu vertreiben. Da geht es um Millionen Tassen Kaffee und sehr viel Geld. Speziell Labels mit Markt- statt Mindestpreis wie Rainforest Alliance oder UTZ, die beim WWF schlecht wegkommen (bloss «besser als kein Label»), haben deshalb ein Interesse, dass die Wirkung auf Natur und Mensch gemessen und verglichen wird und nicht bloss die Norm. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) versprach denn auch am 25. Mai 2011 vor versammelter NGO-Gemeinde einen detaillierten Vergleich in Bezug auf Einkommen, Biodiversität, Bildungsstand der Kinder etc. und beauftragte das «Committee on Sustainability Assessment „ (COSA) mit einer Studie. Erste Zahlen wurden am Rand von Rio 2012 veröffentlicht. Resultat: Im Durchschnitt erreichen Bauern mit irgendeinem Fairtrade/Öko-Label ein 30 Prozent höheres Einkommen. Sie produzieren mehr (UTZ +32 Prozent) und erzielen höhere Preise (Rainforest Alliance +10 Prozent). Mehr dazu: 10vor10 vom 29.6.2012. Ein eindeutiger Vergleich zwischen den Labels war aber aufgrund der Zahlen nicht möglich. Immerhin kamen die vom WWF gebrandmarkten Labels mindestens gleich gut weg wie das Label Max Havelaar der Hilfswerke, das auch vom Seco zehn Jahre kräftig unterstützt wurde.
An einer geschlossenen Veranstaltung wurden die NGOs im Oktober 2013 mit einem weiteren Entwurf der COSA-Studie konfrontiert. Immer noch keine Vergleichszahlen, da gemäss Seco zu wenig aussagekräftig. Möglicherweise sind sie aber auch zu aussagekräftig. Im nächsten Akt wurde nämlich eine auf den 5. Dezember angekündigte Medienkonferenz zur Studie abgesagt, angeblich weil eine Parallelstudie der «State of Sustainability Initiative» noch nicht fertig sei. Inoffiziell war zu erfahren, dass auch in einem Jahr keine zuverlässigen Zahlen vorliegen werden. Vielleicht stimmt das auch.
Wahrscheinlicher ist allerdings, dass der Wirkungsvergleich wie bei den Medikamenten eine unangenehme Tatsache ans Licht befördert: Dass die Guten gar nicht so gut sind und die Schlechten gar nicht so schlecht. Und dass gewisse Organisationen gut daran verdienen. Und dass wir uns das gute Gewissen nur einreden, wenn wir Max Havelaar-Kaffee trinken statt den von Rainforest Alliance oder UTZ. Der unselige Ablasshandel hat einst die Kirche revolutioniert. So weit muss man beim Fairtrade nicht gehen. Aber ein bisschen Reformation und Label-Sturm würden den Bauern in der Dritten Welt nur gut tun. Und unserem Gewissen auch.
Die Reichen, wie oft, haben aber nicht genug und bekämpfen sich gegenseitig. Die Waffen sind Studien und Marketingvereinbarungen. Im Oktober 2010 publizierte der WWF – mit reichlich Geld von Coop und Migros im Rücken – eine Studie, in der die verschiedenen Labels anhand ihrer Kriterien verglichen werden. Das ist etwa dasselbe wie ein Medikamententest anhand von Normen und nicht aufgrund der wissenschaftlich festgestellten Wirkung. In der Pharmakologie ist dies nur bei Impfstoffen erlaubt – warum eigentlich? –, und ausgerechnet sie schneiden in den wenigen Studien über die Langzeitwirkung schlecht ab. Bei den Fairtrade/Öko-Labels könnte es in eine ähnliche Richtung gehen.
Der Labelvergleich des WWF ist nicht nur der harmlose «Ratgeber», als das er betitelt ist; er ist auch ein Marketing-Instrument mit gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen. Wer ins WWF Klimaprogramm aufgenommen werden will, muss sich wie zum Beispiel die Schweiz. Volksküche (SV Group, halbe Milliarde Umsatz) verpflichten, Kaffee mit einem vom WWF empfohlenen Label zu vertreiben. Da geht es um Millionen Tassen Kaffee und sehr viel Geld. Speziell Labels mit Markt- statt Mindestpreis wie Rainforest Alliance oder UTZ, die beim WWF schlecht wegkommen (bloss «besser als kein Label»), haben deshalb ein Interesse, dass die Wirkung auf Natur und Mensch gemessen und verglichen wird und nicht bloss die Norm. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) versprach denn auch am 25. Mai 2011 vor versammelter NGO-Gemeinde einen detaillierten Vergleich in Bezug auf Einkommen, Biodiversität, Bildungsstand der Kinder etc. und beauftragte das «Committee on Sustainability Assessment „ (COSA) mit einer Studie. Erste Zahlen wurden am Rand von Rio 2012 veröffentlicht. Resultat: Im Durchschnitt erreichen Bauern mit irgendeinem Fairtrade/Öko-Label ein 30 Prozent höheres Einkommen. Sie produzieren mehr (UTZ +32 Prozent) und erzielen höhere Preise (Rainforest Alliance +10 Prozent). Mehr dazu: 10vor10 vom 29.6.2012. Ein eindeutiger Vergleich zwischen den Labels war aber aufgrund der Zahlen nicht möglich. Immerhin kamen die vom WWF gebrandmarkten Labels mindestens gleich gut weg wie das Label Max Havelaar der Hilfswerke, das auch vom Seco zehn Jahre kräftig unterstützt wurde.
An einer geschlossenen Veranstaltung wurden die NGOs im Oktober 2013 mit einem weiteren Entwurf der COSA-Studie konfrontiert. Immer noch keine Vergleichszahlen, da gemäss Seco zu wenig aussagekräftig. Möglicherweise sind sie aber auch zu aussagekräftig. Im nächsten Akt wurde nämlich eine auf den 5. Dezember angekündigte Medienkonferenz zur Studie abgesagt, angeblich weil eine Parallelstudie der «State of Sustainability Initiative» noch nicht fertig sei. Inoffiziell war zu erfahren, dass auch in einem Jahr keine zuverlässigen Zahlen vorliegen werden. Vielleicht stimmt das auch.
Wahrscheinlicher ist allerdings, dass der Wirkungsvergleich wie bei den Medikamenten eine unangenehme Tatsache ans Licht befördert: Dass die Guten gar nicht so gut sind und die Schlechten gar nicht so schlecht. Und dass gewisse Organisationen gut daran verdienen. Und dass wir uns das gute Gewissen nur einreden, wenn wir Max Havelaar-Kaffee trinken statt den von Rainforest Alliance oder UTZ. Der unselige Ablasshandel hat einst die Kirche revolutioniert. So weit muss man beim Fairtrade nicht gehen. Aber ein bisschen Reformation und Label-Sturm würden den Bauern in der Dritten Welt nur gut tun. Und unserem Gewissen auch.
20. Dezember 2013
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