Fremdschämen an der Vorpremiere von «Der Koch»

Kamera/Fotografie/Schnitt:
Erstklassige Bilder, Farben und Sequenzen aus der Küche. Die Nahaufnahmen des Fischzerlegens sind ein Genuss. Injektionen in die Fruchtkörper im Drink: als wäre man als Taucher da drin. Das Sieden und Braten von Fleisch und Huhn: als würde man mitbruzzeln. Kurz und gut: Bildpoesie. Kompliment.
Kleine Frage: wieso ist das Licht in der Wohnung des Tamilischen Kochs immer so benebelt und diesig, als schwebte ständig Bratöl in der Luft?

Plot und Story:
Die Story ist ziemlich schnell erkenn- und durchschaubar. Gute Ansätze mit kritischem Unterton angesichts des aktuellen Gebarens seitens Schweizer Regierung und Lobbyisten der Rüstungsindustrie. Die Idee von einem Küchenjungen im Spitzenrestaurant, der sich zum Richter eines Waffenhändlers mausert, ist originell. Die Absicht, auf diese Art der kapitalistischen Gesellschaft den Spiegel hinzuhalten, muss geehrt werden.
Doch ... nach verheißungsvollem Einstieg sackt es in der Mitte des Filmes dergestalt ab, dass sich Langeweile breit macht. Langatmige Bilder, Dialoge ohne Esprit, Szenen, die zwischen Vorabendfernsehfilm und Hollywood-Adaptionen pendeln. Zu viel Ruhe und Ausdehnung und dann auf einmal gegen Ende hin eine Off-Stimme - sie stammt vom Koch – die erklärt, was noch geschah und was er sich dachte. Mit einem Schlussbild – Kameradrohne umfliegt den Koch, der in den Bergen zu Ehren seiner Großmutter ein Feuer auf einem Steinaltar entfacht – das schlicht und einfach eine Pathetik bedient, die X-tausendfach in anderen Streifen zu sehen war, mit einem Song, der völlig einen anderen Sound unterlegt, der weder im Film schon mal vorkam, noch hierher hinpasst.
Fazit: Zu viel gewollt, zu wenig Mut. Und zu oft an ein mögliches Massenpublikum gedacht?


Vorpremiere in Zürich am 3. September 2014:
Man kommt nicht umhin, mit dem Negativen zu beginnen: Im Publikum und unter Medienschaffenden waren Leute anwesend, die kein Schweizerdeutsch verstanden. Zugleich handelt es sich um eine Zusammenarbeit mit Produzenten und Geldgebern aus Deutschland. Und was macht der Veranstalter in seiner Weitsicht und Professionalität? In Mundart wird beim Aperitif begrüßt und informiert, im Schweizer Dialekt wird dann der Film angesagt und anschließend im Dialekt moderiert und interviewt. Das geht echt gar nicht, das war ein Affront gegenüber anwesenden Schauspielerinnen, Techniker, und Regisseur Ralf Huettner, der kopfschüttelnd nichts verstand.

Die Moderatorin stellte Fragen, die sich nur und ausschließlich ums Essen drehten, sie waren dergestalt peinlich, dass man sich als Schweizer im Kino fremdschämte. Der Verfasser dieser Zeilen sprach mit dem Regisseur im Anschluss beim Hinterausgang des Kinos und erhält seine Einschätzung durch ihn bestätigt; ein Akt der Unhöflichkeit sei das gewesen. Da holt die Schweiz Partner, Geldgeber und Schauspielende aus Deutschland und macht daraus an der Premiere eine Präsentation als handelte es sich um eine geschützte Werkstätte für den Heimatschutz.

Die Moderatorin gab sicher ihr Bestes und ihr kann womöglich keine Vorwürfe gemacht werden aber sicherlich dem Briefing, den Organisatoren. Themen wie  Tamil Tigers, Flüchtlingsleben zwischen Tempel und Krankenhaus und schauspielerische Herausforderungen hätten inhaltliche Tiefen gegeben und dem Abend gut getan. Stattdessen blieb alles bei den erotisierenden Rezepten mit der üblichen Halligalli-Fröhlichkeit.


Personal:

Jessica Schwarz: Starker Start mit Verblassung der Figur im Laufe des Films.

Hamza Jeetooa: Identisch, direkt, überraschend aber sicher auch faszinierend durch die Exotik einer eben noch uns immer noch fremden Welt.

Hanspeter Müller-Drossaart: Intensive Charakterrolle sehr gut umgesetzt, gewürzt mit Witz in der Rolle des Schurken, dessen Art aber einen irgendwie bekannt vorkommt...

Max Rüdlinger: Passte sehr gut als Waffenhändler-Kollege, erfrischend schweizerische Hölzigkeit im Nobelhotel oder in der Limousine.

Notiz zur Sprache:
Warum spricht die Hauptdarstellerin als Schweizerin Bühnendeutsch, wenn die beiden Schweizer Waffenhändler Deutsch mit Akzent reden? Entweder reden alle Schweizer Bühnendeutsch und fluchen mal helvetisch oder es reden alle akzentbeladenes Deutsch.

Ach, es ist echt nicht einfach, das mit dem Film und der Schweiz.



Der Film läuft nun in den Schweizer Kinos und ab 27. November in den deutschen.
Infos zu Film finden sich hier:
http://www.senator.de/movie/der-koch
03. September 2014
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