Karma – der schöpferische Akt von Ursache und Wirkung

Karma beschreibt die Bedingungen und Gesetze des menschlichen Schicksals. Wir können es verstehen und durchschauen, wenn wir uns darauf einlassen, die verschiedenen Arten der Weltgesetzmässigkeiten kennen zu lernen. Aus der Serie: «Vom Geschöpf zum Schöpfer» von Andreas Beers. Teil 5.

Deckenfresko von Michelangelo Buonarroti aus der Sixtinischen Kapelle, Vatikanstadt Rom / © Foto: Mia Leu

Wenn wir die Erscheinungen der Welt erklären wollen, sprechen wir in der Regel von Ursachen und Wirkungen. Wenden wir dieses Denken auf das menschliche Leben an, sprechen wir in der Regel von Schicksal. In diesem Zusammenhang tauchen sofort die Fragen nach Notwendigkeit, Zufall und der menschlichen Freiheit auf. Sind wir also die Schöpfer unseres Schicksals oder bloss Geschöpfe einer kausalen Notwendigkeit und eines unbestimmten Zufalls? Nicht jede Wirkung ist Ergebnis unserer eigenen Handlung, jedoch jede unserer Handlung hat seine Wirkung. Das heisst: Unser Leben spielt sich ab in einem komplexen Mit- und Nebeneinander verschiedener Arten von Ursachen und Wirkungen.

Mit den spirituellen Gesetzen des individuellen Karmas ist verbunden der Kreislauf der Wiedergeburten, auch Reinkarnation genannt. Sämtlichen alten Hochkulturen waren diese spirituellen Gesetze nicht nur bekannt, sondern sie bildeten die Grundlage ihrer kulturellen Existenz. In den späteren religiösen Strömungen des Hinduismus, Buddhismus, Jainismus, im Urchristentum und Manichäismus waren sie ebenfalls die Basis ihrer Welt- und Menschenerkenntnis. Diese ursprünglichen Anschauungen beschrieben Karma niemals als «Göttliche Gnade» oder «Strafe». Karma entsteht und bildet sich demnach nicht durch die Beurteilung eines göttlichen Weltenrichters, sondern es beschreibt die Folgen unserer Taten, sprich die Wirkungen von Handlungen und Gedanken in jeder Hinsicht und ihre individuellen Rückwirkungen auf den Akteur selbst. Dies bedeutet gleichzeitig die grösstmögliche schöpferische Freiheit des Menschen, insofern er sich dessen bewusst ist.

Das Verhindern der menschlichen Freiheit durch egoistische Machtsysteme ist nichts Neues, sondern hat eine rund tausendjährige Tradition in der Weltgeschichte der Neuzeit. Die Neuzeit ist einem gängigen Periodisierungsschema zufolge nach Altertum und Mittelalter die dritte der historischen Grossepochen und reicht bis in unsere Gegenwart. Sie erreicht momentan ihr Endstadium und führt aus diesem Grund zu Verwerfungen und Umbrüchen in allen Lebensbereichen. Es liegt also an uns die Zukunft neu zu gestalten. Das bedeutet, sich konkret mit den geistigen Gesetzmässigkeiten von Ursachen und Wirkungen auseinanderzusetzen. Ob die derzeitigen, sich als tonangebend darstellenden Weltanschauungen dafür geeignet sind, kann jeder der will, anhand von Ursache und Wirkung prüfen. Der Aspekt, der sich daraus ergebenden individuellen menschlichen Freiheit, des Wohlbefindens und Friedens zwischen den Menschen, Kulturen und Nationen, wird dabei der wesentliche Indikator sein. Es wird auch nicht darauf ankommen welche, oder wieviel Technologien wir noch entwickeln werden, sondern welche Art von Menschen diese Technologien anwenden und wieviel Menschlichkeit sich daraus ergibt.

Nachdenken über Ursachen und Wirkungen in der Welt. Wir leben in vier verschiedene Ebenen, in denen wir Ursachen und Wirkungen beobachten können: Die unbelebte stoffliche, die belebte pflanzliche, die beseelte tierische und die bewusst reflektierend-geistige, sprich menschliche Ebene. Mit diesen vier Ebenen sind entsprechende Weltgesetzmässigkeiten verbunden. Wo Lebloses als Wirkung ist, können wir auf derselben Ebene auch die Ursachen finden, sprich: Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung im Physischen. Die Ursachen des Lebendigen, des Wachstums und der organischen Formbildung finden wir nicht auf der Ebene der unbelebten Natur. Wir müssen dort hinzunehmen die Wirkungen des Raumes, die als ätherische Bildekräfte aus dem Kosmos auf die Erde einwirken. Also Gleichzeitigkeit der Ursachen im Physischen und Überphysischen. Suchen wir die Ursachen des tierischen Lebens, sprich der sich bewegenden, beseelten und empfindenden Lebewesen, müssen wir die Ursachensuche von der Ebene des Raumes auf die Ebene der Zeit erweitern. Sprich, der Bewegungen im Kosmos, den Sternenkonstellationen. Diese Ebene wird auch als Astralwelt bezeichnet. Das heisst, wir müssen mitberücksichtigen, vergangene überphysisch Ursachen zu gegenwärtigen Wirkungen.

Dem menschlichen Schicksal auf der Spur. Die Gestalt, die der Mensch als aufrechtgehendes Wesen hat, hat er dadurch, dass er ausser der physischen, ätherischen und astralen Ebene noch die geistige, die Ich-Ebene hat. Wir müssen, also bei der Untersuchung des menschlichen Schicksals, sprich den Gesetzen des Karmas, die Ursachen und Wirkungen von der Raum- in die Zeitebene und wiederum zurück in eine vergangene Raumebene berücksichtigen. Das heisst: Vergangene physische Ursachen bedingen gegenwärtige Wirkungen im Physischen. Dies führt uns in die vergangenen Erdenleben der menschlichen Persönlichkeit.

Menschlicher Geist verhält sich wie das Licht in Raum und Zeit. Licht unterliegt den Gesetzmässigkeiten der Elastizität, es geht nicht in eine abstrakte Endlosigkeit hinaus, sondern wenn es eine bestimmte Grenze erreicht hat, geht es wieder zurück. Dies wurde schon vom englischen Physiker Sir Oliver Lodge (1851-1940) in seinem Buch «Die Weltäther» beschrieben. Auch Albert Einstein weist in seiner Relativitätstheorie mit der gekrümmten vierdimensionalen Raumzeit auf diese Zusammenhänge hin. Bringen wir also Licht ins Dunkel unserer Zeit: Mit Nachdenken über unser Wohlbefinden, unsere Sympathien und Antipathien, sowie über die Ereignisse und Erlebnisse, die unser Denken und Handeln beeinflussen. Dort liegt die Verantwortung für unsere Taten und damit das Bilden von Ursachen für Wirkungen, welche wir uns für die Zukunft wünschen. Dies ist der schöpferische Akt den wir als Schicksal oder Karma bezeichnen können.

In dieser Serie bereits erschienen:
Teil 1. Wir glauben alles, wissen nichts und haben die Wahrheit gepachtet

Teil 2. Wahrheit und Wissenschaft – drei Fragen nach der Erkenntnis von Welt und Sein
Teil 3. Der Stoff, aus dem wir sind - und warum wir nicht schützen können, was wir nicht verstehen
Teil 4. Die Genesis im Lichte der menschlichen Embryonalentwicklung

 

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Andreas Beers aus Bern ist Landwirt, Arbeitsagoge und Lehrer. Er kultiviert die Erde, sät und erntet, er denkt, spricht und schreibt über: Mensch, Erde und Himmel, oder was wir zum Leben brauchen.

«Und solang du das nicht hast, dieses: Stirb und Werde! Bist du nur ein trüber Gast auf dieser dunklen Erde.» (Johann Wolfgang Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Naturforscher und Minister)