Drei Fragen an Professor Marcel Tanner

Ab heute stellt Zeitpunkt jeden Dienstag drei Fragen an Menschen, die Wichtiges zu einem aktuellen Thema beitragen können. Zu Beginn der neuen Reihe antwortet Marcel Tanner, Professor für Epidemiologie und Parasitologie, sowie Mitglied der schweizerischen Covid-19 Task Force des Bundes.

Prof. Marcel Tanner

Zeitpunkt: Herr Tanner, die Inzidenz (Anzahl neu positiv Getesteter pro 100’000 Einwohner) in der Schweiz liegt aktuell bei 0,0038 Prozent. Ist die Maskenpflicht noch gerechtfertigt ?

Marcel Tanner: «Ja auf jeden Fall, die Maskenpflicht gilt ja nicht generell, sie ist kantonal verschieden, weil das Risiko von Neuansteckungen je nach Kanton anders ist. Ausser im öffentlichen Verkehr – wo wir Kontaktpersonen nicht rückverfolgen können – gilt die Maskenpflicht in der ganzen Schweiz. Das Ziel unserer Strategie ist ja das Erfassen von Kontaktpersonen, damit wir dort gezielt eingreifen können. Wo die Distanz von 1,5 Meter nicht über eine längere Dauer eingehalten werden kann, ist das Tragen einer Maske sicher sinnvoll. Und die Inzidenz ist in einigen Kantonen viel höher, da muss man unterscheiden.»

«Die Maskenpflicht wird kantonal anders geregelt, weil die Inzidenz in einigen Kantonen viel höher ist.»

Mitte August sammelte das Konsumentenmagazin K-Tipp die Masken von zwanzig PendlerInnen in Zürich und liess sie im Labor untersuchen. Auf 15 von 20 Masken wurden Schimmel- und Hefepilze gefunden. Auf elf Masken mehr als 100'000 Bakterienkolonien. Was sagen Sie zu diesem Befund ?

«Ich kenne die Untersuchungsergebnisse des K-Tipp schon, aber da muss man präzisieren. Sie werden bei mir in der Nase und im Mund Tausende von Bakterienkolonien finden, das ist normal. Die Frage ist vielmehr, ob sie auch pathogen sind. Auch Pilzsporen sind völlig normal. Viele PendlerInnen benutzen die gleichen Masken wochenlang oder tragen sie wie eine Halskette, das ist das eigentliche Problem. Deshalb appellieren wir für konsequentes Einhalten der Grundmassnahmen von Distanz und Hygiene und damit für gute Verfügbarkeit von Händewasch- und Desinfektionsmittelstellen an frequentierten Orten.»

Die Schweiz sicherte sich 4,5 Millionen Dosen des neuen, noch nie auf Langzeitwirkungen getesteten mRNA-Impfstoffs des Pharmakonzerns Moderna. Er soll in Rekordzeit entwickelt und zugelassen werden. Verschiedene Studien zeigen, dass dieser Impfstoff in das Erbgut des Menschen eingreift und zu Mutationen führt, mit unbekannten gesundheitlichen Risiken. Bei einer Testreihe von AstraZeneca und der Universität von Oxford in England erkrankte ein Proband schwer. Wie beurteilen Sie diesen Impfstoff ?

«Es ist nicht vorgesehen alle Menschen zu impfen, nur die Risikogruppen.»

«Bei diesem neuen Impfstoff wird der ‹Bauplan› des Virus – die materielle Basis des Genoms – in die menschliche Zelle gebracht und von da weiterproduziert (transkribiert). Es ist heute noch nicht klar ob dieser Impfstoff dann wirklich zum Einsatz kommt. Wir müssen alle möglichen Impfstoffkandidaten prüfen und wägen die Risiken sorgfältig ab, denn als Grundprinzip gilt, dass sie ethisch, medizinisch und wissenschaftlich vertretbar sind. Es ist immer eine Güterabwägung zwischen Risiko und Benefit, das ist Public Health. Es ist auch nicht vorgesehen, alle Menschen zu impfen, sondern nur die Risikogruppen. Komplikationen bei Impfstoffen kann es immer geben, eine absolute Sicherheit gibt es nie, und deshalb ist die umsichtige, ethische Güterabwägung in jeder Gesellschaft wichtig. Um die Frage der von Ihnen erwähnten Studien zu Mutationen und Nebenwirkungen des mRNA-Impfstoffs zu beantworten, müssten wir zusammensitzen und diese Studien auf ihre Evidenz und das Design prüfen. Zum beschleunigten Zulassungsverfahren muss gesagt werden, dass zum Beispiel ein ethisch und wissenschaftlich vertretbarer, wirksamer Ebola-Impfstoff in nur acht Monaten entwickelt wurde.»

Das Interview führte Stephan Seiler.

06. Oktober 2020
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