Drei einfache Massnahmen könnten eine Wiederholung des Falls Credit Suisse verhindern

In den zehn Jahren vor dem Kollaps musste die Bank insgesamt 12 Milliarden an Bussen bezahlen und erwirtschaftete rund 3 Milliarden Verlust. Im selben Zeitraum wurden rund 23 Milliarden an Boni ausgerichtet. Wie ist das zu verhindern?

(Illustration: pixabay.com)

Im Manager-Deutsch nennen sich solche Boni «Erfolgsbeteiligung». Als Jurist bezeichne ich das «Eigentümer legal bestehlen» und als Bürger «Misswirtschaft» in Kombination mit «Selbstbedienung».
Nicht nur die Bevölkerung sondern auch Bundesparlamentarier sind empört. Der Ruf nach Sanktionen gegen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung ertönt allerorts.

Jedes Bonusprogramm geht davon aus, dass Beschäftigte sich erst dann voll und ganz fürs Unternehmen einsetzen, wenn sie zusätzlich zum Lohn eine von Resultat abhängige finanzielle Belohnung erhalten. In dieser Annahme sind mehrere Fehler verpackt:

Faktisch lässt sich – ausser im Produktionsbereich – die Leistung oder der Beitrag eines einzelnen Mitarbeiters oder einer Führungskraft zum Ergebnis kaum eindeutig zuordnen oder messen.

  • Der fundamentale Zuordnungsfehler [1]: Wir Menschen überschätzen systematisch den Einfluss von einzelnen Personen und unterschätzen äussere, situative Einflussfaktoren auf das Ergebnis.
  • Selbstwerterhaltungs-Fehler: Wir tendieren dazu, Erfolge uns selbst und Misserfolge externen Faktoren zuschreiben. Führungskräften ergeht es in dieser Hinsicht nicht anders.
  • Kontrollillusion: Wir tendieren dazu zu glauben, dass wir etwas kontrollieren oder beeinflussen können, über das wir objektiv keine Macht haben.

Banker werden mir wohl entgegenhalten, dass die Leistungen von Fonds- und Portfolio-Managern sehr wohl eindeutig zuzuordnen als auch messbar sind. Das ist wahr. Wahr ist aber auch, dass die meisten Fonds- und Portfolio-Manager ihre Boni für «Zufall» erhalten, wie eine vom Verhaltensökonomen Dan Ariely [2] zitierte Langzeitstudie nachgewiesen hatte.

Um den «Bonus-Wahnsinn» zu unterbinden, müssten Aktionäre die Denkfehler erkennen. Die Bundesparlamentarier müssten das Gesetz so anpassen, dass die Aktionäre an der Generalversammlung bei den Boni auf Antrag mitbestimmen können.

Es braucht also beides – Denkfehler erkennen und Gesetzesanpassung -, damit der «Bonus-Wahnsinn» aufhört.

Manche Menschen würden die Verantwortlichen für das Straucheln der Credit Suisse gerne im Gefängnis sehen. Strafrechtlich ist die Sache klar:

Die Strafverfolgungsbehörden, der Staat, muss jedem einzelnen Mitglied von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung nachweisen, dass er oder sie sich strafbar gemacht hatte. Dies ist höchstwahrscheinlich ein Ding der Unmöglichkeit – zumal «Gier» nicht strafbar ist.

Um künftig einzelne Mitglieder von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung strafrechtlich zur Verantwortung ziehen zu können, ist eine Gesetzesanpassung nötig:

Das Strafrecht ist so zu ändern, dass die Strafverfolgungsbehörden nur noch nachweisen müssen, dass ein Aufsichts- oder Leitungsgremium als Gruppe seine Pflichten verletzt hat. Sobald dieser Nachweis erbracht ist, wechselt die Beweislast von den Strafverfolgungsbehörden zu den Mitgliedern. Einzelne können sich dann nicht mehr hinter der Gruppe «verstecken».  

Dies ist zwar ein Verstoss gegen den alten Rechtsgrundsatz «in dubio pro reo» (im Zweifel für den Angeklagten). Dieser kann dadurch gerechtfertigt werden, dass der Staat immer zuerst das Gruppenversagen nachzuweisen hat.

Mit dieser Gesetzesanpassung wird «Verantwortung» endlich auch für die Bestverdienenden unserer Gesellschaft erlebbar. Immerhin rechtfertigen sie ihre hohen Vergütungen stets mit der «grossen Verantwortung», die sie zu schultern hätten.

Gleichzeitig verschweigen sie, dass ihre Firma sie mit einer Organhaftpflichtversicherung davor schützt, für ihr Versagen mit ihrem Privatvermögen finanziell bluten zu müssen.

Allein mit diesen drei Massnahmen – «Bonus-Wahnsinn» durchschauen, Aktionärsrechte stärken und Umkehr der Beweislast bei erwiesenem Gruppenversagen – könnte sich der «Fall Credit Suisse» nicht mehr so abspielen.


Der Autor ist Jurist und arbeitet als Coach.