Leuchtturm der Autonomie
Der Zentralismus greife nun auch in seiner Wahlheimat Schweiz um sich, findet unser Autor. Die Schweiz solle bitte ihre Neutralität, die sie stark und einzigartig gemacht hat, weiter pflegen. (Ein Beitrag aus dem neuen Zeitpunkt-Magazin.)
Hast Du keine Feinde, dann hast Du keinen Charakter. (Paul Newman)
«Jeder Zentralismus beschleunigt die Spaltung und die Trennung», so der Schweizer Lebenskünstler Alfred Selacher. Ein korrekte Einordnung, wie uns nicht nur die Geschichte, oder der nördliche Nachbar, sondern vor allem die bürokratische Monstrosität namens Europäische Union immer wieder eindrücklich vor Augen führt. Je mehr Kompetenzen das korrupte Konglomerat in Brüssel an sich reisst, desto weiter driften die Mitgliedsstaaten auseinander. Je machttrunkener das gesichtslose Imperium des Souveränität absorbierenden Verordnungsverbunds sich gebärdet, desto weniger Rückhalt hat es in der Bevölkerung.
Aus gutem Grund. War Zentralismus bisher doch stets die Vorstufe zum Totalitarismus. Auch die EU ist kein altruistischer Pakt der Völkerverständigung, sondern zuvorderst ein finanzpolitisches Projekt. Eine Währungsunion. Ein Machtblock, der auf amoralische Allmachtsphantasien des «angloamerikanischen Establishments», der Nachgeburt des britischen «Empire», zurückzuführen ist. Man muss nur die Biografien von Cecil Rhodes, Alfred Milner, Edward Grey, «Colonel» Mandell House, Alfred Eckhardt Zimmern, Francis Galton, et al. studieren, um zu erkennen, wes Geistes Kinde die geostrategische Blockbildung dieser Tage ist. Ob EU, UN, NATO, IWF oder BRICS – keine dieser Allianzen agiert auch nur im Entferntesten im Interesse des einfachen Bürgers. Diese Bündnisse sind nichts anderes als Machtvehikel zur Durchsetzung von Partikularinteressen.
Denn zensorische Übergriffigkeiten wie der «Digital Services Act» (DSA) dürften nur ein lauer Vorgeschmack dessen sein, was der aus Brüssel und New York koordinierte Überwachungskapitalismus der Green Economy für die kommenden Jahre in petto hat.
Selbst wenn man entgegen aller Indizien und Belege unterstellt, dass die Initiatoren international reglementierender Institutionen hehre Ziele verfolgten, dass sie tatsächlich nur den Weltfrieden im Sinn hatten, muss man konstatieren, dass sie gescheitert sind. Frieden gibt und gab es nicht. Und die EU ist beileibe keine Erfolgsgeschichte. Im Gegenteil. Der im Ausbau befindliche Staatenbund kann getrost als Paradebeispiel für Korporatismus herangezogen werden – für die unheilige Fusion von Staat und Konzernwirtschaft. «Die perfekte Form des Faschismus», nannte Benito Mussolini dieses Herrschaftsmodell, das der Idee von Demokratie natürlich diametral entgegensteht. Selbst der Euro als vermeintlich verbindende Einheitswährung darf zweifelsohne als monetäres Fiasko bezeichnet werden. Zumindest aus Perspektive taxonomisch geknechteter Normalverdiener. Gegenüber dem Schweizer Franken kennt der Kurs des Zahlungsmittels seit seiner Einführung nämlich nur eine Richtung: abwärts. Aufwärts – ans obere Ende der fiskalischen Hackordnung – bewegen sich in der Folge lediglich die schwindenden Eigenmittel der Steuerzahler.
Das erkennt nicht nur das Schweizer Stimmvolk, das eine Annäherung an die EU bereits zwei Mal an der Urne verhinderte. Auch in den Mitgliedsstaaten gärt es. Nicht zuletzt, weil der europäische Blockbaukasten zusehends an eine totalitäre Technokratie nach orwellschem Vorbild erinnert. Erosion demokratischer Prozesse, Kriegstreiberei, Zensur unliebsamer Informationen und wirtschaftlicher Niedergang – «kreative Zerstörung», nannte Kissinger-Protegé und WEF-Gründer Klaus Schwab diese vorsätzliche Dekonstruktion unseres Habitats. Mit logischem Denkvermögen gesegneten Zeitgenossen mag sich partout nicht erschliessen, wie eine Annäherung an die EU, oder die Delegation von Autonomie an überstaatliche Institutionen für Bundesbern attraktiv erscheinen könnte. Denn zensorische Übergriffigkeiten wie der «Digital Services Act» (DSA) dürften nur ein lauer Vorgeschmack dessen sein, was der aus Brüssel und New York koordinierte Überwachungskapitalismus der Green Economy für die kommenden Jahre in petto hat.
Daher dürfte sich auch die Renitenz gegenüber dieser bürokratischen Machtergreifung zeitnah intensivieren. «Erst ist es ein Polizeistaat, dann kommen die Aufstände», prophezeite US-Milliardär Nick Hanauer vor gut zehn Jahren in einem offenen Brief an seine wohlhabenden Freunde der «Superclass» (D. Rothkopf, 2008). Der Widerstand gegen das inhumane Corona-Regime oder die Bauernaufstände, die nach den Niederlanden und Frankreich nun auch Deutschland erreicht haben, geben dahingehend einen Vorgeschmack.
Nein, die EU ist wirklich kein Erfolgsmodell. Das gilt gleichermassen für die Vereinten Nationen (UN), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder den Internationalen Währungsfonds (IWF). Denn das Wohl des einfachen Bürgers steht bei keiner dieser supranationalen Organisationen im Mittelpunkt des Interesses. Wo auch immer diese Institutionen sich involvieren, verschlimmern sie die Situation. Das Eliten-Projekt «oktroyierte Globalisierung» ist gescheitert.
Denn mit Demokratie, Menschenrechten, Prosperität oder Umweltschutz hat die Konsolidierung von Macht und Geld in immer weniger Händen ebenso wenig zu tun wie der Ethikrat mit Ethik. Auch wenn die Zentralismus-Advokaten der Parasitärkaste in Brüssel, London, New York oder Berlin das Gegenteil behaupten, «Der politische Totalitarismus ist tot. Es lebe der wirtschaftliche Totalitarismus!», notierte der Schweizer Publizist Ernst Reinhardt vor einigen Jahren – und beschrieb damit vortrefflich das herrschende System der Public Private Partnerships, das einstmals souveräne Nationalstaaten von innen heraus auffrisst wie ein bösartiger Tumor. Bis nichts mehr von ihnen übrig bleibt.
Aus diesem Grund sollten die vorgängig genannten Organisationen aufgelöst, oder zumindest verlassen werden. Es sind intransparente, finanziell korrumpierte Herrschaftskonstrukte eines postmodernen Neofeudalismus. Wir brauchen weder die EU noch die UN oder BRICS. Geschweige denn ein Angriffsbündnis wie die NATO. Ersetzt werden sollten diese demokratisch nicht legitimierten Regierungssurrogate durch grenzübergreifende Kollaboration auf Augenhöhe. Durch einen echten Völkerbund. Einen Zusammenschluss «von unten». Denn wenn etwas eine funktionierende Demokratie charakterisiert, ist es das Subsidiaritätsprinzip – Willensbildung ausgehend von der kleinsten Einheit einer Gemeinschaft: «Der souveränen Autonomie des Individuums» (F. Nietzsche, 1892). Ein Prinzip, das in der Schweiz als einsamer Insel direkter Demokratie im Gegensatz zum Rest der Welt noch in gewissem Masse greift. Wo das Wohl des Kollektivs über die Rechte des Einzelnen gestellt werden, ist Tyrannei nicht mehr fern.
Die Kriegsgefahr ist am grössten, wenn eine Ideologie von gestern über eine Technik von morgen verfügt, mahnte Ernst Reinhardt.
Mit entsprechender Skepsis sollte man nicht nur hierzulande der «regelbasierten internationalen Ordnung» begegnen, von der zeitgeistig flexible Spitzenpolitiker so gerne sprechen. Denn in dieser neuen Normalität einer vierten industriellen Revolution zählt ein Menschenleben nicht mehr viel. Nicht umsonst steht derzeit primär der Agrarsektor unter Druck. «Die Kriegsgefahr ist am grössten, wenn eine Ideologie von gestern über eine Technik von morgen verfügt», mahnte der bereits zuvor zitierte Ernst Reinhardt. Und kaum eine Ideologie dürfte mehr Gefahren für den Fortbestand unserer Spezies bergen als die autoaggressive Nachhaltigkeitsökonomie grünbrauner Endzeit-Apologeten.
Denn im Kern basiert die transhumanistische Biosicherheitsdoktrin des Coronozän auf Konzepten der Eugenik. Auf der progressiven Hybris, Evolution steuern zu können. Zum Wohle des Kollektivs. Verantwortung für einen freiheitlich-eigenverantwortlichen Lebensentwurf übernehmen zu müssen, scheint eine veritable Anzahl von Menschen zu ängstigen. Niederschlag findet diese Furcht vornehmlich in blindem Etatismus. In Verehrung eines infantilisierend-paternalistischen Staatsapparates. Und in der irrigen Annahme, Zentralismus, Technokratie und Transhumanismus stünden für Fortschritt, anstatt Selbstaufgabe.
In Anbetracht der rundum dystopischen Dynamik der neuen Normalität sind Errungenschaften wie die föderale Struktur, das Milizsystem und die seit 1815 praktizierte Neutralität der Schweiz geradezu ein Segen. Ein Bollwerk gegen zentralistische Zerwürfnisse der Zeit. Gut 175 Jahre Frieden, eine reüssierende Wirtschaft und eine stabile Währung sprechen für sich. Das Land tat während der zurückliegenden einhundert Jahre offenbar gut daran, seinen eigenen Weg zu gehen.
Dennoch trat auch die Eidgenossenschaft im Jahr 2002 den Vereinten Nationen bei und unterwirft sich seither zusehends dem Diktat supranationaler, antidemokratischer Organisationen. Selbst die für die direkte Demokratie charakteristische Föderalstruktur erodiert. Man folgt, trotz dem in Art. 3 der Bundesverfassung verbrieften «System der Nichtzentralisierung», dem vermeintlich effizienzsteigernden Trend zur Zentralisierung. So gab es 1980 im Tessin zum Beispiel noch 247 Gemeinden. Inzwischen ist die Zahl auf 106 gesunken. Und wenn die für 2024 geplanten Fusionen abgeschlossen sind, werden es nur noch 100 sein. Ein Minus von 147 Gemeinden in 45 Jahren. In den anderen Kantonen sieht es ähnlich aus. Von 2.899 Gemeinden im Jahr 2000 sind am 1. Januar 2024 noch 2.131 übrig. Das entspricht einer Reduktion von 768 Gemeinden in 24 Jahren. In Summe durchaus besorgniserregende Entwicklungen bezüglich des Fortbestands der Eidgenossenschaft in ihrer bisherigen Form. Dabei sind Dezentralität und eine politisch-isolationistische Haltung keineswegs falsch. Auch wenn diese Attribute in der leitmedialen Darstellung des In- und Auslands praktisch durchweg negativ konnotiert werden. Nicht von ungefähr sind oft gerade jene Länder, die sich eine gewisse Autonomie bewahrt haben, am erfolgreichsten.
Sich neutral zu verhalten, bedeutet für einen Staat, höhere Massstäbe ans eigene Handeln anzulegen.
Ein Blick in die Geschichte der Vereinigten Staaten genügt, um zu erkennen, dass Bündnisdenken und Verteidigungsallianzen den Bewohnern eines Landes selten zum Vorteil gereichten. Bis zum Eintritt in den Ersten Weltkrieg am 6. April 1917 war das Land international unauffällig. Frönte einem ausgeprägten Isolationismus. Mit dem Ende des Krieges am 11. November 1918 änderte sich das. Das blutigste Jahrhundert der Zivilisationsgeschichte begann. Die „Pax Americana„ steht seither für weltpolitische Dominanz um jeden Preis. Für eine «Neue Weltordnung», wie schon Woodrow Wilson es nannte, die sich durch einen absolutistischen Anspruch auf Deutungshoheit auszeichnet. Geltend gemacht wird dieser Anspruch mit martialischen Methoden. Und mittels intransparent operierender supranationaler Institutionen, deren Einfluss seit Ende des Zweiten Weltkriegs kontinuierlich wächst.
Wir beschliessen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein grosses Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt. (Jean-Claude Juncker, SPIEGEL, 27. Dezember 1999)
Wo auch immer die US-dominierte Demokratiesimulation des Wertewestens auftrat, hinterliess sie verbrannte Erde. Südamerika, Asien, Afrika, die arabische Welt – überall zwang man Menschen eine als Werteverteidigung vermarktete Gewaltherrschaft auf. Und war der Gegner durch rücksichtsloses Abwerfen von Demokratie nicht in die Knie zu zwingen, assimilierte ihn die Global Governance mittels finanzpolitischer Rochaden und Knebelverträgen. Welch mafiöse Methoden dabei zur Anwendung kommen, erklärt das autobiographische Buch «Confessions of an Economic Hit Man» von John Perkins aus dem Jahr 2004. Ländern müssen nicht mehr erobert oder besetzt werden, um sie zu beherrschen. Kreditwucher, Plattform-Monopolismus, Technokratie und Netto-Null-Ökonomie sind ebenso zerstörerisch wie Flächenbombardements. Allerdings halten die erzielten Effekte länger vor.
Gut 175 Jahre Frieden, eine reüssierende Wirtschaft und eine stabile Währung sprechen für sich.
So setzt sich der Eroberungsfeldzug des angloamerikanischen Establishments bis heute ungehindert fort. Mit der Bildung von Macht- und Währungsblöcken. Und wer sich ein wenig mit der Vergangenheit beschäftigt, erkennt rasch, dass das Empire nie aufhörte zu existieren. Siehe Commonwealth. Es lässt nur seine Drecksarbeit seit 1918 von jemand anderem erledigen. Befreiungskriege, humanitäre Einsätze, Interventionen zur Friedenssicherung: in der Regel nichts weiter als euphemistische Verklärungen für Neoimperialismus.
Die Pax Americana steht für weltpolitische Dominanz um jeden Preis.
Neutralität ist das exakte Gegenteil davon. Auch wenn selbst hiesige Propaganda-Postillen das tradierte Konzept als Anachronismus darstellen. Gerade in Zeiten ökonomischer Krisen und schwelender Konflikte ist es ratsam, sich nicht mit Mächten gemein zu machen, die im Rahmen ihres letzten, blutrünstigen Aufbäumens gewillt sind, den Rest der Welt mit in den Abgrund zu reissen. Sich neutral zu verhalten, bedeutet für einen Staat, höhere Massstäbe ans eigene Handeln anzulegen als jene Regierungen, die aufgrund niederer Beweggründe Gewalt als probates Mittel zur Durchsetzung der eigenen Agenda erachten. Anstatt nur die eigenen Grenzen, die eigene Bevölkerung und den eigenen Besitz zu verteidigen, setzt sich ein neutrales Land auf dem internationalen Parkett für übergeordnete Werte ein. Für Frieden, Freiheit und allgemeine Menschenrechte. Der US-Stellvertreterkrieg gegen Russland und der zionistische Genozid im Freiluftgefängnis von Gaza bieten ausreichend Chancen für die Schweiz, diese Rolle einzunehmen.
Neutralität charakterisiert ein Land nicht als rückständig oder illoyal gegenüber Partnerstaaten, sondern als transparent, selbstbewusst und zuverlässig. Eine isolationistische, oder eigenbrötlerische, unparteiische Entität ist auch nicht per se Globalisierungsgegner, wie das Medienecho allenthalben glauben machen möchte. Au contraire – als viersprachiger, international vernetzter Finanzplatz, als weltoffenes Einwanderungsland mit einem Ausländeranteil von über zwanzig Prozent ist die Schweiz ein Schmelztiegel der Kulturen. Daher sollte sie als neutraler Mediator selbstbewusst auftreten, Krisensituationen holistisch und ergebnisoffen analysieren, sich mit allen Beteiligten verständigen und so helfen, einen für alle Seiten tragbaren, friedlichen Kompromiss zu finden. Denn über den eigenen Interessen, oder der Agenda der Konfliktparteien, stehen unverrückbare Werte und ein humanistisch geprägtes Menschenbild – und genau das gilt es in Zeiten überstaatlicher Übergriffigkeit zu verteidigen.
Das wirklich beängstigende am Totalitarismus ist nicht, dass er Massaker begeht, sondern, dass er das Konzept der objektiven Wahrheit angreift, stellte George Orwell einst heraus.
Derartige Angriffe erleben wir mittlerweile täglich. Das Postfaktum des Medienzeitalters entwertet auch die wichtigsten Errungenschaften unserer Spezies, wenn die Durchsetzung offiziell goutierter Narrative es erforderlich macht. Dabei ist die objektive Wahrheit nicht von der Hand zu weisen: Fast zweihundert Jahre Neutralität – und damit Frieden, Freiheit und Wohlstand – waren für die Schweiz der richtige Weg. Ein Weg, der das Land ungleich besser durch die Turbulenzen und Disruptionen der Zeit geführt hat als die meisten anderen.
Demzufolge sollte dieser Kurs beibehalten werden. Dieser Leuchtturm der Autonomie, die Ufer dieser letzten basisdemokratischen Insel, müssen vor der Flut manipulativer Nudging-Elaborate, vor Zentralismus und neoimperialistischen Umtrieben geschützt und gegen Einflussnahme jeder Form verteidigt werden. Denn die Vergangenheit zeigt, dass eine neutrale Position gerade jetzt das beste Rüstzeug für eine potenziell dystopische Zukunft ist.
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