Bildungsgerechtigkeit in Schweden

Einteilung der Schulklassen bewusst gestalten
Veröffentlicht: 21. Aug 2024 - Zuletzt Aktualisiert: 21. Aug 2024

Die Betriebe in Gislaved, 130 Kilometer östlich von Göteborg, sind auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen und rekrutierten in den 1960er und 1970er Jahren Arbeitskräfte für die Reifenfabrik in Griechenland oder Jugoslawien. Gemäss Agneta Åhsberg, Ausbildungschefin der Gemeinde, müssen die Schulen gut funktionieren, damit die Industriebetriebe genug Angestellte finden.

Im Quartier mit den Wohnblöcken, wo die ausländischen Arbeitskräfte lebten, sprachen über 70 Prozent der Kinder eine andere Muttersprache als Schwedisch. Es gab Klassen, in denen kein einziges Kind Schwedisch als Erstsprache hatte. Kinder mit besseren Voraussetzungen gingen in die Sörgårdsskolan. Diese liegt in einem Quartier mit Einfamilienhäusern, wo viele schwedische Familien mit hoher Bildung wohnen. Viele Massnahmen waren vergeblich, um diese Bildungsbarriere zu überwinden. 

2015 organisierte die Gemeinde die Schulen neu nach Alter und schloss die Schule mit tiefem Schwedischanteil. Die Kinder aus dem Wohnblockquartier wurden auf Schulen in Mittelklassequartieren verteilt. Dagegen gab es Widerstand, doch die Gemeinde zog ihren Plan durch und erhielt an der Urne Unterstützung. Der Wechsel war ein Erfolg. Schulpersonal und Eltern waren bald zufrieden. Und auch die Kinder zeigten mit der Zeit bessere Resultate in den nationalen Tests. 2017 bestanden noch 50 Prozent der Drittklässler alle Teilprüfungen in Schwedisch als Zweitsprache. Vier Jahre später war der Anteil bereits bei 74 Prozent und damit deutlich höher als der Landesschnitt. Dieser lag bei 63 Prozent. Heute sei es für die Kinder selbstverständlich, dass man einander helfe, sagt eine Lehrerin der schwedischen Zeitung «Dagens Nyheter».

Besonders in grösseren Orten kennt die Schweiz ebenfalls das Problem der Segregation – und damit der Ungerechtigkeit im Bildungssystem. Vor wenigen Tagen zeigte eine Datenanalyse der Tamedia-Zeitungen, dass Kinder mit gebildeten Eltern deutlich häufiger ebenfalls ein hohes Bildungsniveau erreichen. Deshalb benutzt die Stadt Uster einen Algorithmus, um die Klasseneinteilung gerechter zu machen. Das in Zürich entwickelte Tool steht diesen Herbst erstmals allen interessierten Städten und Gemeinden zur Verfügung. 


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