Flixbusse auch in der Schweiz?

Liberalisiertes Verkehrssystem: Gute Preise, schlechte Infrastruktur, mangelnde Qualität
Veröffentlicht: 30. Aug 2024 - Zuletzt Aktualisiert: 30. Aug 2024

Im Jahr 2015 liberalisierte der damalige Wirtschaftsminister und heutige Präsident Emmanuel Macron den Busverkehr in Frankreich. Emmanuel Macron versprach mit der Liberalisierung des Autobus-Verkehrs zehntausende neue Arbeitsplätze und erschwingliche Preise auch für ärmere Bevölkerungsgruppen. 

Die Kosten für Busreisen sind im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln tatsächlich niedriger, schreibt Nora Züst auf INFOsperber. Während der Preis für eine Reise von Lille nach Paris mit dem TGV bei mindestens 40 Euro liegt, ist diese mit dem Flixbus für 8 Euro zu haben. 

Der grösste Player der «Macron-Busse» ist das deutsche Transportunternehmen Flixbus, das um die 70 Prozent der Reisenden nutzen, direkt gefolgt von Ouibus-Blabla-Car mit 30 Prozent. Die sogenannten «Macron-Busse» verbreiteten sich und zogen mit attraktiven Preisen immer mehr Reisende an, aber es hapert an der notwendigen Infrastruktur.  

«Die Linien der ‹Macron-Busse› haben sich spontan und anarchisch entwickelt», sagt Michel Quidort, Präsident des Nationalen Verbands der Verkehrsnutzerverbände (FNAUT). «Jedoch schuf die Reform viel weniger Arbeitsplätze als vorgesehen, momentan etwa 2000. Es braucht dringend Haltestellen mit einem gewissen Mindest-Service, der gewährleistet werden muss, zum Beispiel Schalter, um Billette zu kaufen, einen Warteraum, Bildschirme mit Infos und einen Ruheraum für die Angestellten», so Quidort.

Qualitätsmängel würden leider nicht systematisch erfasst. Viele Probleme, besonders im Kundenkontakt, seien auf das Geschäftsmodell von Flixbus zurückzuführen. Denn das Unternehmen besitze selbst fast keine Busse, sondern beschäftige lokale kleine und mittlere Unternehmen, welche die Buslinien betreiben. 

Die Schweiz gilt für Quidort als europaweites Vorbild. «Für eine Tagung in Saas-Fee fuhr ich von Paris nach Lausanne, von Lausanne nach Brig und dort wartete direkt das Postauto, das mich nach Saas-Fee brachte – mit einem einzigen Ticket», sagt Quidort. 

In Frankreich existieren für jedes Verkehrsunternehmen unterschiedliche Apps – der Ticketkauf wird so zum Jonglieren. Trotzdem will Flixbus auch in der Schweiz Fuss fassen.  Das Schweizer Bundesamt für Verkehr erteilte im Jahr 2018 das erste Mal eine Konzession an Domo, das kurze Zeit später von Eurobus übernommen wurde. Die Vorschriften sind aber restriktiv, und das Monopol der SBB ist stark. Eurobus stellte den Betrieb aufgrund fehlender Nachfrage wieder ein. 
Diese restriktive Praxis des Bundes könnte sich aber ändern. Die EU verlangt in den Verhandlungen um den neuen EU-Rahmenvertrag eine Liberalisierung des Personenverkehrs, was in den meisten EU-Ländern schon Praxis ist. Diverse Schweizer Akteure zeigen sich alarmiert angesichts einer Liberalisierung des Schienenverkehrs. Die Gewerkschaften warnen vor der Gefährdung des gut funktionierenden öffentlichen Verkehrs in der Schweiz. Auch die SBB befürchten eine Einschränkung des Schweizer Taktfahrplans sowie der Pünktlichkeit. Bundesrat Albert Rösti betonte im Mai gegenüber Radio SRF, dass der Schweizer Taktfahrplan weiter Vorrang habe, aber eine Ausweitung der internationalen Städteverbindungen im Interesse der Schweiz liege.


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