Vom Widerstand zur Zuwendung / Teil 10
Wie können wir dazu beitragen, eine Welt zu erschaffen, die von Frieden, Respekt und Liebe getragen ist? Teil 10 der Leserumfrage «Widerstand ohne Gegnerschaft»
Widerstand ohne Gegenkraft – wie soll das gehen?
Natürlich: Widerstand stösst auf Widerstand. Und so sind wir unverhofft in die Falle gesellschaftlicher Spaltung getappt, die keine Probleme löst, stattdessen neue schafft.
Wie also aus der Falle herausfinden? Darum geht’s.
Indem wir die zuvor errichtete Spaltung rückgängig machen. Wie das? Indem wir denkerisch den Rückwärtsgang einlegen und uns fragen: Was ist unser Selbstverständnis? Wohin hat es geführt? Wer wollen wir wirklich sein?
Wir sind die Menschheitsfamilie, so hört, liest man. Jawohl, MENSCHHEITSFAMILIE; da wird einem warm ums Herz. Aber was bedeutet dies denn? Auf unsere aktuelle Situation bezogen?
Es besagt, dass wir Menschen, eine weltumspannende Gemeinschaft bilden, von San José, Nijmegen, von Saporischje bis Damaskus, von Atacama bis Jakarta, bis Urumtschi.
So unterschiedlich wir Menschen auch sind, wir bilden ein Ganzes, Vollständiges: eine Menschheitsfamilie eben. Jede und jeder gehört dazu, ist Teil der Weltgemeinschaft, ungeachtet aller Verschiedenheit. Es ist das Mensch-Sein per se, das uns ver-eint, auf Gedeih und Vererb.
An just diesem Punkt tut sich eine Gegen-Möglichkeit auf: die Idee, dass wir ErdenbewohnerInnen alle miteinander verbunden, eins sind. Wenn wir diesen Gedanken verinnerlichen, als Selbstverständnis in unserem Alltag verankern, aus tiefer Überzeugung, dann geschieht Einzigartiges...
- dass unsere Beziehungen, vom kleinsten zum grössten Beziehungsgefüge, sich bewusst friedvoll entfalten
- wir das Verurteilen - auch jener, die wir für die globalen Mörder halten - aufgeben, weil klar wird, dass zu allem nicht nur gute Vorgeschichten existieren
- wir das Anderssein jedes Individuums als einmalig, bereichernd wahrnehmen und sein So-Sein respektieren
- wir tagtäglich unsere Menschheitsfamilie mit kraftvollen, liebenden, freudvollen Gedanken begleiten.
Statt Frieden proklamieren, ihn leben, immerzu! Säen wir gemeinsam diese Gedanken. Sie sind der Schlüssel zur neuen lebenswerten Welt der MENSCHHEITSFAMILIE.
Angy Scheiwiler, 4103 Bottmingen
Vom Widerstand zur Zuwendung
Ich möchte ganz persönlich fragen: Wie kann ich jenseits von Gegenkraft und Widerstand dazu beitragen, eine Welt zu erschaffen, die von Frieden, Respekt und Liebe getragen ist?
Was du und ich und alle acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten sich im Grunde ihres Herzens wünschen, ist, glücklich und in Frieden zu leben. Wie also kann es geschehen, dass ich «dich» zum Feind erkläre, mit Wut und Hass gegen dich zu kämpfen beginne und so entgegen meiner Sehnsucht dazu beitrage, diese Welt für uns beide zu einem Ort von Leiden und Unfrieden zu machen?
Die meisten von uns wurden auf irgendeine Art psychisch verletzt und traumatisiert oder gehören zum grossen Teil der Menschheit, der real bedroht oder respektlos behandelt wird. Beides aktiviert einen instinktiven Überlebenstrieb in Form von Kampf oder Flucht. Gehe ich damit nicht bewusst um, lande ich mitten im Widerstand.
Zudem ist der verletzte Teil in mir leicht empfänglich für Feindbilder. Statt den Schmerz, die Ohnmacht und Verlassenheit in mir zu fühlen, erkläre ich «dich» zum Bösen, zum Feind, zur Ursache meines Leidens. Unterstützt von öffentlicher Meinungsmache stemple ich dich ab als Rechtsextremen, Impffanatiker, Imperialisten, Islamisten oder mit einer von tausend anderen Bewertungen und kann nicht mehr sehen, wer du wirklich bist.
Würde ich es zulassen, dir in die Augen zu schauen, dich verstehen zu wollen, mich von dir als Mensch berühren zu lassen, würde mein Feindbild zusammenbrechen. Ich würde aus meinem Traum aufwachen und mich erinnern, dass du und ich verletzliche Wesen und im gleichen Bewusstsein verbunden sind wie alles Lebendige in diesem Universum. Ich würde mich aus meinem Herzen mir selbst – und dir – zuwenden. So könnte Heilung geschehen. Würdest du dasselbe tun, könnten Mitgefühl, Respekt und Frieden wachsen und sich allmählich ausbreiten. Nicht durch Widerstand, sondern so, wie ein zartes Pflänzchen Asphalt zu durchdringen vermag oder Wasser harten Stein in sinnlich-warmen Sand verwandelt.
Alexander Lanz, Vielbringen b. Worb
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