Die Proteste des arabischen Frühlings führten zu Chaos und Krieg, neuen Gewaltherrschaften und islamistischen Experimenten. Diese historische Lektion scheinen westliche Beobachter jedoch in Bezug auf Syrien schon wieder vergessen zu haben, so Kacem El Ghazzali in der NZZ. Auch jetzt käme diese Euphorie wieder auf und dazu der Glaube an eine Mässigung des Rebellenführers und Jihadisten Mohammed al-Julani. Der Berner Islamwissenschafter Reinhard Schulze etwa: «Ist es glaubwürdig, dass Frau Wagenknecht ihre Vergangenheit als Stalinistin abgelegt hat? Ich halte den Wandel Julanis – gerade im Vergleich zu Wagenknecht – aber schon für ziemlich glaubwürdig.»
Doch Julanis folgt der Strategie von Abu Musab al-Suri: langfristige Orientierung, lokale Verankerung, schrittweiser Aufbau paralleler Machtstrukturen und Verbindung militärischer Kontrolle mit sozialen Dienstleistungen. In westlichen Medien inszeniert sich Julani als gemässigter Reformer. In einem CNN-Interview beteuerte er, niemand habe das Recht, eine andere religiöse Gruppe auszulöschen. Doch solche Äusserungen sind nach Meinung des Autors mit äusserster Skepsis zu betrachten.
Für Sami al-Kayal, Kolumnist der Zeitung «Al-Quds al-Arabi», bleibt Julani ein «terroristischer Kriegsherr», der mit Gewalt syrisches Territorium kontrolliert und keinerlei Legitimität besitzt. Auch syrische Oppositionelle in der Schweiz sind skeptisch.
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