Der geldpolitische Sündenfall
Wie jede Heilslehre ihre orthodoxen Dogmatiker hervorbringt, so lässt es auch die neoliberale Wirtschaftstheologie an dieser Spezies nicht fehlen. Prinzipien gegen Tatsachen heißt die Devise. Mit Bundesbankpräsident Weber hat nun schon wieder ein konservativer Seriositäts-Apostel das Handtuch geworfen. Weber, vor kurzem noch als Wunschkandidat von Kanzlerin Merkel für das Amt des scheidenden EZB-Chefs Trichet gehandelt, schied im geldpolitischen Streit von seiner Schutzherrin.
Als Mitglied derselben ökonomischen Kirche neigt Merkel nämlich eher zur pragmatischen Durchwurstelei. Weber gibt sich als strenggläubiger Hüter des Geldes gegen die Lockerungspolitik der EZB und eine „Transferunion“, von der die uferlose Verschuldung gestopft werden soll. Seine Standfestigkeit hat nur den Schönheitsfehler, dass er Ursache und Wirkung verwechselt. Nicht eine laxe Geldpolitik hat die Krise herbeigeführt, sondern umgekehrt zwang die Krise zu einer laxen Geldpolitik. Der Sündenfall des Neoliberalismus fand schon unter dem früheren US-Notenbankchef Greenspan als Reaktion auf die Dotcom-Krise 2001 statt. Seit 2008 ist auch die EZB gegen die Weisheiten ihrer eigenen Bibel zur Geldschwemme übergegangen. Der damit erkaufte Krisenaufschub droht lehrbuchmäßig in eine unkontrollierbare Inflation umzuschlagen. Hätte sich allerdings der bibeltreue Weber durchgesetzt, dann wäre der Euro längst in die Luft geflogen. Merkel möchte die Schuldenkrise durch einen politischen Kuhhandel aussitzen. Der Euro-Rettungsfonds soll gegen frühere Absichtserklärungen drastisch ausgedehnt werden. Im Gegenzug ist ein schwammig konzipierter „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ geplant. Dahinter verbirgt sich das Problem, dass die an Grenzen gestoßenen Defizite nichts anderes sind als die Kehrseite der deutschen Exportüberschüsse. Eine reguläre Entschuldung würde diese einseitigen Exporte einbrechen lassen und gleichzeitig die deutschen wie die französischen Großbanken in Schieflage bringen, die auf Bergen von Schrottanleihen der Defizitländer sitzen. So erscheint die Inflationspolitik als das kleinere Übel. Die Dogmatiker der Wirtschaftstheologie behalten recht gegen die Pragmatiker und umgekehrt. Deshalb müssen sie auch gemeinsam scheitern.
Quelle: www.exit-online.org
Quelle: www.exit-online.org
22. Februar 2011
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